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MARVEL-BROKER/031: Iron Man - Der Film (SB)


Mit eiserner Faust für das Gute kämpfen


Iron Man - Starker Auftritt von Robert Downey Jr.



Nun hat also auch der Eiserne den Sprung von der Comic-Welt in die Kinofilm-Wirklichkeit geschafft. Iron Man, erstmals im März 1963 in der Comic-Heftserie "Tales of Suspense" (Nr. 39) aufgetaucht und damals noch an dem weithin bekannten Konzernboß Howard Hughes angelehnt, erscheint in der Filmversion wie eine Mischung aus MacGyver und Bill Gates, dem erfolgreichen Garagenbastler. (Nein, der hat nicht erfolgreich Garagen gebastelt, sondern er hat IN einer Garage gebastelt, und dank seines Einfallsreichtums und dem richtigen Riecher ein großes Fenster in die Geschäftswelt aufgestoßen ...)

Gleiches gilt für den genialen Marvel-Helden Tony Stark, Sohn des Erfinders der Atombombe und Erbe des Rüstungsimperiums Stark Industries. Der Sprößling hat das Unternehmen im Alter von 21 Jahren übernommen, weiter ausgebaut und bewegt sich nun durch die Welt, als läge sie ihm zu Füßen. Und das tut sie manchmal auch. Frauen schmelzen dahin, wenn sie ihn sehen, da würde selbst James Bond vor Neid erblassen. Robert Downey Jr. als Tony Stark verkörpert diese Mischung aus Lebemann, Erfinder und gewissenloser Waffenhändler recht witzig - eine durchaus gelungene Interpretation der eisern-ernsten Comicfigur, die in einer Zeit geschaffen wurde, als der Humor noch, sagen wir es einmal schonend, anders gelagert war.

Im Anschluß an eine Waffenvorführung in Afghanistan wird Starks Konvoi von Rebellen angegriffen und aufgerieben. Er selbst überlebt schwerverletzt und wacht mit einer Ladung Granatsplitter im Körper in einer Höhle auf. Dort rettet ihm ein freundlicher, auf intellektuell getrimmter Afghane namens Yinsen (Shaun Toub) das Leben - im Comic findet das alles im Vietnamkrieg statt, und Stark wird von dem nordvietnamesischen Physiker Ho Yinsen gerettet. Der Afghane konnte aber nicht alle Splitter entfernen und hat Stark deshalb ein von einer Autobatterie gespeistes elektromagnetisches Feld ums Herz gelegt, wodurch ein Eindringen der Metallsplitter in das lebenswichtige Organ verhindert wird.

Im Comic war Stark in die Hände des nordvietnamesischen kommunistischen Führers Wong-Chu geraten, im Film kommt diese Rolle dem Afghanen Raza (Faran Tahir) zu. So wie im Western-Genre die Schurken an ihrem schwarzen Hut zu erkennen sind, so soll man hier anscheinend die bösen afghanischen Raubbrüder von der Vereinigung der zehn Ringe daran erkennen, daß sie, im auffälligen Unterschied zu dem westlich gekleideten Yinsen, vorzugsweise traditionell afghanisch angezogen sind, also mit weiten Hemden, die bis zu den Knien reichen. Da drunter darf's dann gern die Tarnanzughose sein.

Die Milizen fordern von Stark, daß er ihnen eben jene Waffe namens "Jericho" baut, deren ungeheure Vernichtungskraft er zuvor den US-Militärs vorgeführt hat - auch in der Comic-Version sollte Stark eine Waffe bauen. Tony verspricht es ihnen, läßt aber den MacGyver raushängen, bastelt sich heimlich eine Rüstung, mit der er schließlich den Kampf gegen die Milizen aufnimmt. Wobei sich Yinsens Aufgabe darin erfüllt, daß er einen selbstmörderischen Angriff auf die Milizen startet und Stark dadurch die erforderliche Zeit verschafft, damit dieser seine Batterie aufladen kann. Mit letzter Kraft darf der dahinscheidende Yinsen hauchen, daß es schon okay sei, daß er nun stirbt, er wolle sowieso zu seiner Familie. Und er tritt ab.

Stark stapft den afghanischen Warlords tapfer entgegen. Die Kugeln prallen von seiner eisernen Verkleidung ab wie einst von der selbstgebauten Rüstung des australischen Rebellen Ned Kelly - übrigens gar nicht so schlecht gespielt von "Rolling-Stones"-Sänger Mick Jagger in dem Film "Ned Kelly" aus dem Jahre 1970. Nachdem Stark den Höhlenausgang erreicht hat, zündet er seine Einmaltriebwerke an den Stiefeln, macht einen gewaltigen Hopser in die Landschaft und plumpst glücklicherweise relativ weich auf eine Sanddüne. Das US-Militär erscheint und rettet ihn. Zurück bleibt die in tausend Teile zerfetzte Eisenrüstung, die nun vom Winde verweht wird.

In "good old America" wird Stark mit großem Hallo empfangen, doch muß er seinen Geschäftspartner Obadiah Stane (Jeff Bridges), den Aufsichtsrat und die Aktionäre von Stark Industries bitter enttäuschen. Auf der Pressekonferenz erklärt er, daß sich seine Firma fortan aus der Waffenproduktion zurückziehen wird. Stark bastelt sich im Keller seines alles andere als durch Bescheidenheit glänzenden Domizils in Malibu eine leistungsfähigere Rüstung, lernt mit ihr zu fliegen und rettet arme afghanische Dorfbewohner aus der Hand der bösen Milizen. Der Oberschurke Raza hatte nämlich Waffen der Stark Industries erhalten und konnte damit die verschreckten Dörfler unterdrücken. Nun hat ihm Stark einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das ist das gute Amerika!

Wieder zurück in den USA findet Stark heraus, daß ihn sein väterlicher Partner nicht nur übel hintergangen hat, sondern sogar beseitigen wollte. Es kommt, wie nicht anders zu erwarten, zum Showdown der Eisenmänner. Stane hat sich nämlich ebenfalls eine Rüstung anfertigen lassen. Die ist jedoch doppelt so groß wie Starks und seiner waffentechnisch haushoch überlegen. Der Erfinder hat allerdings rechtzeitig seine ihm treu ergebene Sekretärin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) angewiesen, einen Energiereaktor auf die Sekunde genau zur Explosion zu bringen. Der Plan gelingt, der Schurke wird gegrillt, die Welt ist allem Anschein nach von dem bösen Waffenhändler befreit. Das ist Marvel-Stoff, wie er im Hefte steht. Comic-Experten wissen selbstverständlich, daß das letzte Wort in den seltensten Fällen hält, was es verspricht. Anders gesagt: es ist noch nicht gesprochen. Regisseur Jon Favreau will zwei weitere Episoden mit dem Eisernen drehen, mindestens ...

Im Unterschied zu der Mehrheit anderer Marvel-Heroen, beispielsweise aus der Gruppe der Rächer, zu deren Gründungsmitglieder der Eiserne gehört, verfügt Stark über keine Superkräfte - sieht man von seiner Erfindungsgabe ab -, und wäre aufgrund seiner Herzschwäche sogar eingeschränkter als Normalsterbliche. Doch dem technischen Fortschritt sei Dank, überwindet er seine Grenzen. Der Film ist flott gemacht, die Comicfigur des Iron Man wurde konsequent, aber dennoch mit Fingerspitzengefühl von der Zeit des Vietnamkriegs in das aktuelle Szenario des Afghanistankriegs verlegt, und im Unterschied zum Hurra-Patriotismus beispielsweise in der Verfilmung der "Fantastischen Vier" kommt die Propaganda in "Iron Man" schleichend daher.

Aber sie kommt, und das ziemlich wirkungsvoll. Bekanntlich sind Comics wie auch Kinofilme Medien, in denen gesellschaftliche Werte produziert und reproduziert werden. Ein einfaches Beispiel: Wenn einem dauernd gezeigt und gesagt wird, es sei wahnsinnig cool, zum Militär zu gehen, dann trifft das bei dem einen oder anderen auf offene Ohren. In den USA gibt es keine Wehrpflicht, dort ist das Militär in besonderer Weise auf Werbung angewiesen - und sei es, indem es direkten Einfluß auf die Inhalte in Kinofilmen nimmt. Kein Regisseur, der einen Anti-Kriegsfilm machen will, erhält vom Pentagon die Dreherlaubnis auf Militärgelände. Wohingegen willfährigen Regisseuren die ansonsten gegenüber der Öffentlichkeit verschlossenen Tore weit geöffnet werden.

In diesem Zusammenhang fällt auf, daß in der Lesart des Films "Iron Man" zerstörerische Waffen keineswegs verwerflich sind - sie dürfen nur nicht in die falschen Hände geraten. Die US-Militärs (die Guten) dürfen sie besitzen, nicht aber der afghanische Widerstand (die Bösen). Zudem zeigt der Film nicht die Realität des echten Afghanistan-Kriegs, denn dort mähen Kampfjets der USA Hochzeitsgesellschaften, Schulen und ganze Dörfer nieder - im Film dagegen wird diese Rolle allein den afghanischen Warlords zugeschrieben, während die US-Militärs "sauber" bleiben. Die Soldaten erscheinen eher wie ein Haufen zu witzigen Sprüchen aufgelegter Jungs und Mädels, die gar nicht wissen, warum sie von den Afghanen angriffen und ins Jenseits gepustet werden.

Im Film wird es zwar so dargestellt, als ob Stark nach seiner Entführung geläutert ist und der Waffenproduktion abschwört, aber wenn man es genau nimmt, trifft das nicht zu. Nach dem Motto, "ich bin ja nur der Erfinder, ich habe nichts damit zu tun, was andere mit meiner Erfindung machen", baut er eine Waffe, die sicherlich gänzlich anders ist, als es sich seine Geschäftspartner vorstellen - nämlich jenen Anzug -, aber es handelt sich ohne jeden Zweifel um eine Waffe. Das beweist nicht zuletzt ihr "Mißbrauch" durch Obadiah Stane, und auch Stark hätte die afghanischen Warlords nicht mit Wattebäuschchen umpusten können.

Andere Grundwerte der US-Gesellschaft als Militarismus werden dem Publikum mehr im nebenbei untergeschoben. So beklagt sich der geläuterte Stark darüber, daß er als Firmenboß dem Aufsichtsrat von Stark Industries verpflichtet ist. Nun wäre es sicherlich überzogen anzunehmen, daß Aufsichtsräte nicht korrumpierbar sind und ihre eigentliche Funktion in etwas anderes bestünde, als einem Unternehmen als Feigenblatt zu dienen, aber ohne Aufsichtsräte würden die Konzerne selbstverständlich noch rücksichtslosere Produktionsbedingungen durchsetzen.

Apropos Produktionsbedingungen. In der Filmdarstellung wird der Eindruck erweckt, als könne man mit Arbeitsrobotern einen lockeren, ja, fast schon persönlichen Umgangston pflegen. Stark spricht mit ihnen wie mit Menschen und wird von einem aufmerksamen Roboter, in der typischen Industrieform des mehrgliedrigen Schwenkarms, gerettet. Dieser Eindruck täuscht. Weltweit werden Millionen Menschen gezwungen, in automatisierten Fertigungsstätten Tag für Tag, jahraus, jahrein repetitive Bewegungsabfolgen zu machen. Man könnte sie als Sklaven der Arbeitswelt bezeichnen. In der Lebenswirklichkeit werden Menschen vollständig den maschinellen Notwendigkeiten unterworfen, sie stellen dabei nicht mehr als die unverzichtbaren bioorganischen Komponenten innerhalb des sie verschleißenden Produktionsablaufs dar. In dem Film "Iron Man" wird dies unbeabsichtigt durch Tonys Freund beim Militär, Col. James "Rhodey" Rhodes (Terrence Howard), zum Ausdruck gebracht, als er voller Begeisterung die Überlegenheit bemannter Kampfjets gegenüber Drohnen (UAVs - unmanned aerial vehicles) behauptet. Anders gesagt: Im Kriegsgeschäft kann auf die menschlich-unmenschliche Komponente nicht verzichtet werden - noch nicht.

Zwar machen die Roboter im Film nicht immer das, was Stark von ihnen erwartet, was dann für einige gelungene Gags sorgt, im wirklichen Leben jedoch ist die Arbeit an und mit Maschinen deshalb so destruktiv, weil sie umgekehrt genau das machen, was man ihnen befiehlt - verhielte es sich anders, würde Fließbandarbeit nicht funktionieren. Fehlversagen der Maschinen gibt es, aber es wird dann als Kollateralschaden am Bedienpersonal abgehakt. (Leute, paßt auf, wenn ihr euch einem Roboter nähert, er könnte mit einem Punktschweißgerät oder einer Bolzenschußvorrichtung bewaffnet sein!)

Unter den diesjährigen Comic-Verfilmungen ist "Iron Man" sicherlich nicht die schlechteste. Das hat vor allem mit Downeys gelungenem Comeback auf die Kinoleinwand zu tun. Er verkörpert die verschiedenen Aspekte des Tony Stark so treffend, daß man glauben könnte, seine Drogenexzesse, die er angeblich überwunden hat, hätten ihm nicht nur gesundheitlich und seelisch arg zugesetzt, sondern auch zu einer Lebenserfahrung verholfen, die er nun geschickt in seine Darstellung dieser Figur für sich einzusetzen versteht. Hut ab vor Downey. (Ich weiß nicht, wie es euch dabei geht, aber dieses "Junior" bzw. Jr. hinter dem Namen wirkt um so alberner, je älter die Leute werden.) Resümee der Geschichte: Iron Man II darf kommen.

Euer Marvel-Broker


*


Iron Man
USA 2008
126 Minuten

Regie: Jon Favreau
Drehbuch: Mark Fergus, Hawk Ostby, u.a.

Schauspieler:
Robert Downey Jr. - Tony Stark / Iron Man
Terrence Howard - Col. James 'Rhodey' Rhodes
Jeff Bridges - Obadiah Stane / Iron Monger
Gwyneth Paltrow - Pepper Potts
Leslie Bibb - Christine Everhart
Shaun Toub - Yinsen
Faran Tahir - Raza
Sayed Badreya - Abu Bakaar
Bill Smitrovich - General Gabriel
Clark Gregg - Agent Phil Coulson
Tim Guinee - Major Allen
Will Lyman - Award Ceremony Film Narrator (voice)
Marco Khan - Insurgent #4
Kevin Foster - Jimmy
Garret Noel - Pratt
und last but not least: Stan Lee als Stan Lee.


16. September 2008