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ANTIQUARIAT/020: "Onkel Dagobert - Sein Leben ..." von Don Rosa


Keno Don Rosa

"Onkel Dagobert - Sein Leben, seine Milliarden" (6)



In der Gegend von Entenhausen ist der junge Dagobert sicher der reichste Mann, doch von seinem eigentlichen Ziel ist er noch ein gutes Stück entfernt - er will nämlich der reichste Mann der Welt werden! Um diesem Ziel näherzukommen, eilt er seit sieben Jahren rastlos um die Welt, immer auf der Suche nach lohnenden Geschäften, ob Goldmine oder Imbißbude ...

Mit diesen Worten beginnt der sechste Band einer "Biographie" über die Jugendzeit Dagobert Ducks, wie sie sich der Zeichner Don Rosa vorstellt. Zeitlich etwas vor den Geschichten von Carl Barks angesiedelt, bringt der als Barks offizieller Nachfolger geltende Zeichner in dieser Reihe seine ganz eigene Interpretation von der Entstehung des Dagobertschen Imperiums zu Papier.

Im sechsten Band, den wir Ihnen beispielhaft für diese Reihe vorstellen wollen, und der, wie alle anderen auch, aus zwei Geschichten besteht, wird der letzte Abschnitt von Dagoberts Aufstieg zum reichsten Mann der Welt gezeigt und eine Verbindung zu dem Onkel Dagobert, wie man ihn aus unzähligen Geschichten kennt, geschaffen.

Die erste Geschichte "Der Geschäftsmann ohne Gewissen" schildert Dagoberts rastlose Jahre, in denen er, mit nichts anderem als der Anhäufung von Reichtümern beschäftigt und nur durch kurze Abstecher zu Hause unterbrochen, durch die Weltgeschichte reist. Seine Geschäfte in Entenhausen werden von den beiden Schwestern verwaltet, die allerdings eines Tages aufbegehren und wenigstens einmal mit auf die große Reise gehen wollen. In Afrika werden sie Zeugen einer schändlichen Tat Dagoberts, der ein Dorf niederbrennt, weil der Häuptling ihm kein Land verkaufen will. Entsetzt reisen die Schwestern ab.

Als er in der Nacht allein in seinem Zelt sitzt, erinnert sich Dagobert der Worte seiner Vorväter, die stets auf ehrenhafte Weise ihr Geld verdienten; ein Vorsatz, den sich eigentlich auch der junge Dagobert vor langer Zeit geschworen hatte. Sein Bestreben, alles wiedergutzumachen, den Häuptling zu entschädigen und sich bei seinen Schwestern zu entschuldigen, wird jedoch durch allerlei Ereignisse verhindert, unter anderem durch einen Zombie, den ihm ein anderer betrogener Häuptling schickt und der Dagobert fortan durch die Weltgeschichte verfolgt. Jahrelang kehrt Dagobert nicht nach Entenhausen zurück, weil er unterwegs immer neuen Geschäftsmöglichkeiten begegnet. Nach 27 Jahren findet er endlich den Weg nach Hause - er ist nun zwar der reichste Mann der Welt, aber einsam und verbittert.

Die zweite Geschichte "Der Einsiedler der Villa Duck" versucht, nun den Bogen zum "heutigen" Dagobert zu schlagen. Etliche Jahre sind vergangen, und Dagobert lebt von der Außenwelt völlig isoliert in seiner Villa, in die er sich schon vor vielen Jahren zurückgezogen hat. Damals löste er sogar sein Imperium auf, weil er keinen würdigen Erben fand, hieß es. Sein verlassenes Bürogebäude ist Gegenstand wilder Spekulationen; keiner weiß genau, ob dort wirklich die Unsummen an Geld lagern, die Dagobert damals anhäufte, oder nur ein Berg verstaubter Akten.

Donald und seine Neffen sind denn auch auch nicht wenig überrascht, als sie plötzlich eine Einladung von Onkel Dagobert erhalten. Er will sehen, aus welchem Holz seine Verwandschaft geschnitzt ist, teilt er ihnen knurrig mit. Aber er vermutet, daß sie nur auf sein Erbe aus sind. Donald lacht ihn aus und meint, daß er doch gar kein Vermögen mehr habe. Da läßt sich Dagobert schließlich sogar dazu herab, ihnen sein größtes Geheimnis zu offenbaren: den Geldspeicher, in dem auch tatsächlich Berge von Geld lagern. In diesem Moment tauchen die Panzerknacker auf und berauben den alten Mann. Dagobert scheint angesichts dieser Situation aus seiner Apathie zu erwachen und nimmt die Verfolgung auf, ganz wie in alten Zeiten.

Nach dem glücklichen Ende des Vorfalls gelingt es den Neffen, Dagobert zu ermutigen, sich jetzt nicht wieder in die Einsamkeit zurückzuziehen und siehe da, in ihm erwacht neue Energie, er findet wieder Freude am Leben und wird sich der Herausforderung stellen, wieder der reichste Mann der Welt zu werden ...


Hintergründe

Bei dem Vorhaben, Ordnung in das Enten-Universum des Carl Barks zu bringen, befindet sich Don Rosa in großer Gesellschaft. Die dabei stets entstehenden Verwirrungen zeigen eines ganz genau: daß die Kontinuität des Barksschen Universums nicht in chronologisch geordneten, aufeinander aufbauenden Stories begründet ist.

Im Gegensatz zu vielen anderen Zeichnern war Barks nie daran gelegen, in seinen Geschichten eine in sich geschlossene Welt zu schaffen. Wer einmal versucht, eine Enten-Biographie, beruhend auf seinen Stories, zu erstellen, kann ein Lied davon singen, denn er wird sich zwangsläufig darin verwickeln, vor allem, wenn er darangeht, all die Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Geschichten zu erklären. Barks konzentrierte sich nicht auf oberflächliche Übereinstimmungen von Geschichte zu Geschichte, sondern er suchte stets eine "innere" Konstanz, man kann es auch Glaubwürdigkeit nennen, innerhalb jeder Geschichte herzustellen. Wenn man diese innere Beständigkeit zugrundelegt, die auf Carl Barks scharfsinnigen Charakterisierungen beruht, sind seine Stories absolut zusammenhängend und logisch.

Bei dem Versuch, eine vom äußerlichen Gesichtspunkt stringente Biographie zu schaffen, blieb Don Rosa also gar nichts anders übrig, als seine ganz eigene Version zu Papier zu bringen - obwohl, wie schon angedeutet, allein die Absicht, eine in sich schlüssige, alle Widersprüche tilgende Biographie zu erfinden, im Grunde ein Paradoxon in sich ist, denn die lebendigen, gewachsenen Geschichten von Carl Barks lassen sich nicht in nachträglich erfundene Schemata einordnen. - Viel eher könnte man interessante Betrachtungen darüber anstellen, wie sich die Charaktere im Laufe der Zeit von Barks Schaffen verändert haben, als sich mit konstruierten Lebensläufen zu belasten. Belastet sind dann im übrigen auch die Geschichten. Während Barks - wie in seinen Zeichnungen - stets nur das zeigt, was gerade gebraucht wird und kein "authentisches", immer gleiches Bild (z.B. von Entenhausen) liefert, taucht auch an informationsmäßigem Background in jeder Story nur das auf, was der Leser für diese spezielle Geschichte gerade braucht (und das ist eben nicht immer dasselbe!). So kann sich der Betrachter dem augenblicklichen Geschehen zuwenden und braucht sich nicht mit unnötigem oder störendem Wissensballast herumzuschlagen.

Sicher werden sich die meisten Leser - und erst recht die erklärten Fans von Carl Barks - sich nicht an diesen äußerlichen Ungereimtheiten gestört, denn, wie schon gesagt, der innere Zusammenhang stimmt, und die Charaktere bleiben in ihrem Wesen bestehen, außer daß sie im Laufe der Zeit natürlich wesentlich vielschichtiger geworden sind, was aber als Bereicherung und nicht als Widerspruch empfunden wird. Ob mit 14 Fantastillionen, drei oder dreißig Kubikmetern Gold, oder einer unbekannten Summe, deren Ermittlung 13 Jahre benötigen würde, Dagobert bleibt der gleiche, störrisch, mit Ecken und Kanten, ein Geizkragen wie er im Buche steht, aber dennoch mit Eigenschaften, die ihn menschlich erscheinen lassen und zeigen, daß er einen weichen Kern unter dem dicken Panzer hat (man denke da nur an seine Jugendliebe Nelly ...). Auch "weiß" man als Leser, daß er, trotz aller vorgeschobenen Hartherzigkeit, seine Neffen niemals wirklich im Stich lassen würde - wozu braucht man da noch zu wissen, wer nun welches Ei ausgebrütet hat?


Der Zeichner

Keno Don Rosa wurde am 29. Juni 1951 in Louisville/Kentucky geboren. Da seine Schwester leidenschaftlicher Comic-Fan und Sammlerin von Carl Barks-Geschichten war, wuchs der Junge mit einem reichhaltigen Vorrat an Barks-Heften auf. Bereits mit sechs Jahren zeichnete er eigene Comic-Abenteuer. Zu Beginn seines Tiefbauingenieur-Studiums an der University of Kentucky bewarb er sich als Cartoon-Zeichner bei der dortigen Studenten-Zeitung und wurde sofort angenommen. Schon seine ersten Geschichten mit der Figur "Lance Pertwillaby" waren eigentlich Onkel-Dagobert- Abenteuer, obwohl Menschen darin vorkamen.

Nach dem Studium stieg Don Rosa ins Familienunternehmen ein und wurde innerhalb von acht Jahren Teilhaber und Geschäftsführer. Das Comic-Zeichnen betrieb er nebenher weiter und brachte seine "Pertwillaby-Papers" in verschiedenen Fanzines heraus. Obwohl die Veröffentlichung eines dreiteiligen Sammelbandes ein Flop wurde, stellte sich Don Rosa bei dem Lizenznehmer für Donald Duck-Hefte, Gladstone, vor. Hier kannte man seine Pertawillaby-Comics und wollte nun sehen, wie Don Rosa mit der Entenwelt zurechtkam. Der Versuch verlief zur Zufriedenheit, der Zeichner verließ seine Firma, die er später verkaufte, und wurde hauptberuflicher Comic- Zeichner.

Wenn sich auch sein Zeichenstil von dem seines Vorbildes Carl Barks unterscheidet - Barks war stets ein Vertreter der klaren Linie, während Don Rosa seine Bilder mit zahlreichen Details ausstattet - haben sie doch vieles gemeinsam: Eine gründliche Recherche, oft unter Zuhilfenahme des "National Geographic", die Vorliebe für große Abenteuergeschichten und eine gekonnte, alle Facetten ausschöpfende Darstellung verschiedenster Gesichtsausdrücke. Aus seiner Verehrung für Carl Barks machte Don Rosa nie einen Hehl: Lange Zeit versteckte er zum Beispiel im ersten Bild seiner Geschichten die Signatur "D.U.C.K." - "Decicated to Unca Carl from Keno".

Eine Biographie des jungen Dagobert zu erstellen, war schon lange Don Rosas Wunsch. Doch anfangs hatte man ihn bei Disney zurückgepfiffen - die Schleier der Vergangenheit sollten nicht gelüftet werden. Später wandte sich Egmont, der europäische Lizenznehmer von Disney, für den Don Rosa inzwischen arbeitete, mit diesem Anliegen an ihn. Bei der Recherche ging Don Rosa in gewohnter Gründlichkeit vor: Er las sämtliche Geschichten von Carl Barks, in denen Dagobert vorkam, erstellte eine Zeittafel und erfaßte die spärlichen Hinweise, die auf seine Vergangenheit gegeben wurden. Widersprüche versuchte er auszubügeln und zu erklären. Das so entstandene "Gerüst" benutzte er als Grundlage für seine eigenen Geschichten.

Don Rosa wird beschrieben als jemand, dem es gelungen ist, "... die Ducks in der Tradition eines Carl Barks für eine heutige Generation neu zu schaffen". Der mit Abstand beliebteste und facettenreichste Donald-Zeichner seit den Zeiten Carl Barks plegt bei aller Bewunderung für sein großes Vorbild einen eigenen Schreib- und Zeichenstil. Ich kann mir vorstellen, daß Kindern und Jugendlichen heutzutage seine Herangehensweise sogar besser gefällt. Der Zeitgeschmack hat sich - hier wie in allen anderen Bereichen auch - schließlich geändert. Und wer nicht mit den genialen Enten-Stories von Carl Barks großgeworden ist, wird wohl auch nichts vermissen...

Die Reihe "Onkel Dagobert - Sein Leben, seine Milliarden" erschien in der Ehapa Comic Collection.