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ANTIQUARIAT/042: Peter Pan (4) "Rote Hand" von Régis Loisel (SB)


Régis Loisel


Peter Pan

Band 4 "Rote Hand"



Eine klassische Erzählung, von Régis Loisel als Comic-Roman neu interpretiert - frei, einfühlsam und wild zugleich: "Älterwerden heißt, sich daran zu erinnern, einmal Kind gewesen zu sein ..."
(Text auf dem Rückcover)

Ein Märchen für Erwachsene, für das sich die Charakterisierung "einfühlsam und wild zugleich", als sehr treffend erweist, auch wenn es zunächst etwas pathetisch klingen mag. Denn die zarten, empfindsamen Elfen, Zwerge, Gnome, Nixen und sonstigen Phantasiegestalten verhalten sich in der märchenhaften Atmosphäre, die Zeichner Régis Loisel auf geschickte Art zu erzeugen versteht, gar nicht so verträumt und passiv, wie man es gemeinhin erwarten würde. Sie wissen was sie wollen und setzen sich gegen Angreifer zur Wehr. Denn auch auf ihrer wunderschönen Insel gibt es solche, die ihnen Böses wollen, finstere Piraten, denen Einhalt geboten werden muß. Werfen wir beispielhaft einen Blick in den vierten Band der Reihe, "Rote Hand":

Um dem durch eine Kugel schwerverletzten Pan helfen zu können, war Peter nach London gereist, wo er bei dem Arzt Mister Kundal um Rat ersuchte. Gleich nachdem er auf die geheimnisvolle, von Indianern, Piraten, Elfen, Nixen und anderen Fabelwesen bewohnten Insel zurückgekehrt ist, wagt er die Operation, die zunächst erfolgreich verläuft. Erschöpft sinkt Peter in tiefen Schlaf. Doch als er aufwacht, muß er eine schlimme Nachricht hören: Pan ist gestorben. Zunächst ist Peter wie alle anderen nur zutiefst traurig über den Verlust, doch später fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Er ist Schuld an Pans Tod, denn er hat sich nicht an die Anweisungen gehalten, sich nicht die Hände gewaschen und die Instrumente nicht abgekocht. Voller Schuldgefühle nimmt er einen Ast und schlägt auf seine Hand, "die Mörderin", ein.

In diesem Zustand finden ihn einige Indianer und nehmen ihn mit. Dank der Fürsprache der jungen Tigerlilly wird er gepflegt und soll zu seinen Leuten zurückgebracht werden. Den Moment der Übergabe nutzen die Piraten für einen Überfall, der glücklicherweise abgewehrt werden kann. Doch Peter, der inzwischen von den anderen davon überzeugt worden ist, daß nicht er, sondern der Piratenkapitän, der die Kugel abfeuerte, am Tod Pans schuld ist, macht sich Sorgen. Er will noch einmal nach London reisen, um dort im Waisenheim bei seinen früheren Freunden Verstärkung zu holen ...

Der beinahe malerisch zu nennende, locker wirkende Zeichenstil Loisels paßt hervorragend zu den vielfältigen Gestalten auf der geheimnisvollen Insel. Stimmungsvoll ist auch die Farbgebung, die z.B. den Wechsel ins "reale" London betont. Während Leben und Treiben auf der Insel sich überwiegend in kräftigen, leuchtenden Farben abspielen, sind die Londoner Szenen in gedeckten Tönen gehalten, was das Triste der Umgebung noch hervorhebt.

Die Reihe "Peter Pan", die in Deutschland ab 1990 erschien, wurde von Lesern und Kritikern einhellig gelobt. Auf dem Comic Salon Erlangen 1992 wurde die Serie mit dem Max-und-Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic ausgezeichnet. Mit der sechsbändigen Bände Reihe realisiert der französische Zeichner Régis Loisel (Jahrgang 1951) ein sehr persönliches Projekt, dem er seit 1985 seine besondere Aufmerksamkeit widmet. Dem Werk zugrunde liegt übrigens in erster Linie eine Film-Adaption, der Disney-Zeichentrickfilm "Peter Pan" aus dem Jahr 1951. Den klassischen Stoff aus der Feder des Schriftstellers Sir James Matthew Barrie las Loisel erst später und arbeitete einzelne Aspekte daraus in seine Erzählung ein.

Wie sehr ihm seine Geschichte am Herzen liegt, belegt das folgende Zitat (aus Tock Tock - Kundenmagazin des Ehapa-Verlages, 1997):

Peter Pan war von Anfang an mein Projekt. Ich wollte es mit niemandem teilen, hatte meine eigene Imagination, und wollte nicht, daß jemand dazu seine Anmerkungen beisteuert, selbst wenn die hätten gut sein können. Ich verspürte die Lust, mich da vollkommen einzubringen, all dem meine Vision der Kindheit aufzuerlegen. Da ergeben sich zwar sicher noch Probleme, die werde ich aber über Umwege lösen, die die Geschichte zulassen.

11. Juni 2007


Peter Pan (4) "Rote Hand"
von Régis Loisel
erschienen im Ehapa Verlag
56 S., Softcover
ISBN 3-7704-0843-8