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ANTIQUARIAT/083: "Gothic" von T. Felden, H. Fetz und andere (SB)


Thorsten Felden, Henrik Fetz, Tom Thiel, Lioubo Nicolai, Özi Jemal


e-comix Special Band 1

"Gothic"



Als Forum für Fans der virtuellen Actionstars aus PC, Playstation, N 64 oder Dreamcast bot Ehapa im Jahr 2000 erstmals sein neues Label "e-comix" an. Tatsächlich erlebten jedoch nur einige wenige PC-Spiele-Helden unter diesem Namen ihre Abenteuer. Neben Lara Croft, die im März in dem Magazin "Tomb Raider" den Anfang machte, war dies zum Beispiel ein Comic zu dem Computer-Spiel "Gothic", der in Zusammenarbeit mit der Ideenschmiede Paul & Paul entstand. Der Comic erzählt die Vorgeschichte des Fantasy-Spiels, das in einer Welt von Verdammten angesiedelt ist, die in einem magischen Gefängnis um ihr Überleben kämpfen müssen. Die Geschichte kann sowohl als eigenständige Fantasy-Story als auch als Einleitung zum eigentlichen Spiel gelesen werden.

"Sie kamen zu Hunderten, Tausenden. Ich konnte spüren, wie der Boden unter ihren Schritten bebte. Bald schon würden sie das Ende der großen Nordebene erreicht haben und unseren kleinen Außenposten wie einen Wurm überrollen. Ich habe mich oft gefragt, was wohl passiert wäre, wenn ich geblieben wäre, zusammen mit all den anderen armen Teufeln, die der König für den Krieg gegen die Orks zwangsrekrutiert hatte. Vermutlich wäre ich jetzt tot."

Milten Plescott wollte nicht als Kanonenfutter enden und entschloß sich zu fliehen. Er landete in der weit von den großen Königsstädten entfernt gelegenen Stadt Khorinis, die obendrein den Vorteil bot, daß sich hier niemand darum scherte, welches Schicksal einen in diesen entlegenen Winkel der Welt verschlagen haben mochte. Dort schlug er sich eine Weile als "Lebenskünstler", manche würden es wohl auch "Dieb" oder "Herumtreiber" nennen, durch, bis ihm ein gestohlener Apfel zum Verhängnis wurde. Als er bei dem Diebstahl - in Khorinis an sich kein schlimmes Verbrechen - erwischt wurde, entdeckten die Wachen an seinem Arm das Zeichen der königlichen Armee. Deserteuren jedoch droht in der Zeit der Ork-Kriege überall die schlimmste aller Strafen, in Khorinis ist dies die "Kuppel".

Was es mit der "Kuppel", ein den königlichen Minen angeschlossenes Arbeitslager, auf sich hat, erzählen seine Mitgefangenen dem Neuling Milton. Es heißt so, weil das gesamte Gebiet von einer gigantischen magischen Barriere umgeben ist, die eigentlich die Form einer Kugel hat. Da der untere Teil in der Erde verschwindet sieht man nur den oberen Teil, eine Kuppel eben. Diese Kuppel kann kein lebendes Wesen von innen durchdringen, eine Überwindung der Barriere ist nur von außen möglich - kurz, es handelt sich dabei um ein ideales Gefängnis. Die Entstehung dieses Gebildes war das Ergebnis eines magischen Unfalls, denn die Kuppel sollte eigentlich wesentlich kleiner ausfallen. Doch König Rhobar erkannte schnell, daß er die Situation zu seinen Gunsten ausnutzen konnte und bot den Anführern der Gefangenen an, sie mit Nahrungsmitteln, Kleidung und allem Notwendigen zu versorgen, wenn sie das Königreich weiterhin mit Erzen aus der Mine belieferten.

Schnell bildeten sich Hierarchien unter den Gefangenen. Die sogenannten Erzbarone kontrollieren alles, was sie von der Außenwelt erhalten. Wer etwas davon haben will, muß schuften. Einige Leute haben sich abgespalten und ein eigenes Lager gegründet, das sich weitgehend selbst versorgt, indem dort Reis angebaut wird. Den Rest "besorgt" man sich aus den Vorräten des alten Lagers. Auch einige der insgesamt zwölf Magier, die damals die Barriere erzeugten und nun selbst darin gefangen sind, haben sich dieser Gruppe angeschlossen. Als "Magier aus dem Kreis des Wassers" suchen sie unermüdlich nach einem Weg, die Kuppel zu durchdringen, während die im alten Lager verbliebenen "Feuermagier", die eine eigene Kaste bilden, sich inzwischen damit abgefunden haben, den Rest ihres Lebens in der Kuppel zu verbringen und sich entsprechend benehmen. Ihr einziges Interesse besteht darin, ihre Machtposition zu festigen und ein möglichst komfortables Leben zu führen. Als weitere Gruppe hat sich eine Sekte herausgebildet, deren Mitglieder versuchen, durch Meditation ihr Innerstes Selbst zu erforschen.

In dieser Gesellschaft landen Milten und seine drei Zellengenossen bei der Vollendung des nächsten Mondes. Die vier, die in den Wochen, die sie zusammen in ihrer Wartezelle verbrachten, zu Freunden wurden, schließen sich je einer der vier Gruppen an. Milten geht zu den Feuermagiern, Diego bleibt im alten Lager, Gorn schließt sich den Männern aus dem neuen Lager an und Lester wird Mitglied der Sekte. Als Gorn sich Brabak, den Anführer der Leibwache des Erzbarons Gomez zum Feind macht, halten seine Freund zu ihm und befreien ihn aus einer gefährlichen Situation. Gemeinsam beraten sie, wie man Brabak beseitigen könnte ...

Trotz glatter Computerkolorierung kommt bei "Gothic" reichlich Stimmung auf, denn die Zeichnungen zeigen martialische Fantasy in Reinkultur und die Geschichte läßt an Spannung nichts zu wünschen übrig. Wer etwas für Fantasy-Action übrig hat, ist daher, egal ob er das Gothic-Computerspiel kennt oder nicht, mit dieser Geschichte gut bedient.

15. Mai 2008


e-comix Special (1) "Gothic"
Egmont Ehapa Verlag, Juni 2000
Thorsten Felden (Text)
Henrik Fetz, Tom Thiel, Lioubo Nicolai, Özi Jemal (Zeichnungen)
48 S., farbig, Softcover, Prestigeformat
damaliger Preis 12,80 DM
ISBN 3-7704-0222-7