Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

ANTIQUARIAT/125: "Who's who in Entenhausen" von Johnny A. Grote und Andreas Platthaus (SB)


Johnny A. Grote / Andreas Platthaus


Who's who in Entenhausen

Die Spitzen der Gesellschaft



Ein zeitloses Werk bieten die bekannten Donaldisten Johnny A. Grote und Andreas Platthaus mit ihrem "Who's who in Entenhausen". In über 1500 Einträgen und mehr als 900 Abbildungen finden sich hier laut den "Hinweisen für den Benutzer": "... sämtliche Personen Entenhausens, die in Comics, Titelbildern und sonstigen comicbezogenen Werken wie Bilderbüchern und Comicheft-Illustrationen von Carl Barks und allen entsprechenden Übersetzungen von Erika Fuchs vorkommen."

Mit Entenhausen ist, wie man schnell feststellen wird, nicht nur die Stadt selbst gemeint, sondern weitaus umfassender das gesamte von Carl Barks geschaffene (denn ausschließlich diesem Zeichner huldigen die Donaldisten) Entenhausener Universum. Und so finden sich denn auch viele Persönlichkeiten mit eindeutig außerhalb von Entenhausen liegendem Wohnsitz, wie König Fulla Cola von der Südseeinsel Rippan Taro, der Zwergindianer-Häuptling Weiser Rabe aus der Gegend nördlich des Oberen Sees, oder Haroun, ein Bauer im seit 1274 von der Zivilisation abgeschnittenen Königreich Saba, um nur einige Beispiele zu nennen.

Man sollte sich nicht wundern, wenn man beim Durchblättern feststellt, daß die wichtigsten Personen, also die Duck-Sippe und ihr näheres Umfeld sowie die Panzerknacker-Bande nicht in diesem Verzeichnis aufgeführt sind. Auch dies ist in der Einleitung erklärt. Die Autoren machten diese Auslassung ganz bewußt, denn sie sind der Meinung, daß die Beziehungen der Personen untereinander derart komplex sind, daß eine kurze Präsentation im Rahmen dieses Werkes ihnen nicht gerecht würde. Eine eingehende und ausführliche Betrachtung ihrer Biographien und verwandschaftlichen Verhältnisse wiederum würde den Rahmen dieses Werkes sprengen.

Wie in einer soziologischen Untersuchung wurden die einzelnen Charaktere akribisch in Kategorien geordnet, die wiederum in Unterabteilungen aufgegliedert sind. So findet man "Hexen und Magier" beispielsweise unter der Kategorie "Wirtschaftsleben" in der Untergruppe "Freiberufler"; "Sonderlinge und Einsiedler" und "Kleinkriminelle" in der Kategorie "Gesellschaftliche Randgruppen" oder "Stammeshäuptlinge" in der Untergruppe "Potentaten" der Kategorie "Spitzen der Gesellschaft".

Neben der jeweiligen, mehr oder weniger ausführlichen Persönlichkeitsbeschreibung, sind, soweit vorhanden, der deutsche und der amerikanische Name, die Adresse und die Quelle für die Angaben aufgeführt. Ergänzt wird der eigentliche "Who's who" durch zwei alphabetische Register: einen Index der Namen im amerikanischen Original, und einen, der die Namen der aufgenommenen Personen in deutschen Veröffentlichungen enthält.

Dem Augenschein nach läßt das Verzeichnis keine Persönlichkeit, und sei ihre Rolle noch so klein und unbedeutend, aus: So fand Hoof Glue, zu deutsch Sülzkopf, der "Charakterkopf der 'Haarpomade Marke Sülzkopf' auf der Spiegelwand von Friseur Duck" ebenso Aufnahme wie "Zacharias Zahn, Inhaber eines Lebensmittelladens", "Sandy McCinder, bester Heizer, den Dagobert jemals auf einem Walfänger hatte", "Wu-Lei, Betreiber einer Wäscherei, der Dagobert den halben Preis zugesteht, da dieser das Waschpulver selbst mitbrachte" oder "Kutscher, Inhaber eines Spielwarengeschäfts. Verkauft Tick, Trick und Track zwölf Gummifrösche mit Blasebalg."

Die inhaltliche Stärke dieses Werkes liegt jedoch ganz eindeutig in den längeren und ausgesprochen humorvollen Texten, die sowohl für Laien als auch für gestandene Barksisten einiges an Kurzweil zu bieten haben.

Zur Veranschaulichung hier eine Leseprobe:

Kasimir Keiler / Köberle (P. J. McBrine)

Einer der innovativsten Unternehmer Entenhausens ist Konservenfabrikant Köberle, der im Alleingang gegen die übrige Nahrungsmittelindustrie der Runkelrübe einen festen Platz auf den Speisezetteln sichern wollte. In seiner Kommanditgesellschaft "Köberle & Co." produzierte er 23 Millionen Gläser voll des ungewöhnlichen Gemüses, das aber vom Konsumenten nicht wie erhofft angenommen wurde. Die Käufer blieben den traditionellen Essiggurken treu. K. mußte Konkurs anmelden, seine Produktionsstätten verfielen. Nicht einmal die Gläubiger wollten die Essigrunkeln in Zahlung nehmen, und so schmuggelte K. den südamerikanischen Gurkenmurkser (Ciller Gurcae) in Entenhausen ein, um die dortige Gurkenernte zu vernichten und mit seinen riesigen Lagerbeständen an Runkelrüben doch noch ein Geschäft zu machen, bevor das Verfallsdatum der Konserven überschritten sein würde. Seine Rechnung ging auf, die Kundschaft wich in ihrer Gier nach pikanten Gemüsen auf K.s Runkelgläser aus.

Um diesen Erfolg zu erreichen, hatte K. aber nicht nur die scharfen Einfuhrverbote für exotische Tiere mißachtet, er entfaltete darüberhinaus ein immenses kriminelles Potential. Schon sein Konkurs war betrügerisch, da ihm nach der Gesamtvollstreckung noch genug Mittel blieben, um auf eigene Kosten teure Flugreisen zu unternehmen. Während der Gurkenkrise mischte sich K. heuchlerisch unter die geschädigten Bauern, um die Maßnahmen der Behörden auszuspionieren. Die letztlich vom Stadt-Entwesungsamt entsandte Expedition, die aus Südamerika die Pestwespe (Vespa pestilentiafera), den natürlichen Feind des Gurkenmurksers, importieren sollte, sabotierte K. mit allen Mitteln. Er schreckte weder vor Sprengstoffeinsatz noch vor der Aufwiegelung wilder Indiostämme zurück, deren Dienste er mit wertlosen Glasperlen entlohnte.

Man wird dem Charakter K.s jedoch nicht gerecht, wenn man nur seine zeitweiligen Verfehlungen betrachtet. Als gehbehinderter Mann, der auf seinen Krückstock angewiesen ist, gehörte er schon früh zu den Außenseitern. Mit nimmermüdem unternehmerischen Engagement erlangte er weltweite Bekanntheit. Sein ganzes Trachten gilt den Belangen der Wirtschaft, und hellsichtig predigt er die bedingungslose Abhängigkeit des Wohlstands in Entenhausen von der dortigen Industrie. Als Geschäftsmann, der der bekannten Maxime "Hart auf hart, das macht Spaß" huldigt, ist er auch selber hart im Nehmen und konnte selbst schwere gesundheitliche Rückschläge schneller überwinden, als es seine Ärzte für möglich gehalten hatten. zugleich aber beugt sich K. gern der Kraft des besseren Arguments: Als ausgewiesener Feinschmecker erkannte er schließlich selbst die Überlegenheit der Essiggurken gegenüber seinen Runkelrüben und half dann tatkräftig dabei, den Gurkenmurkser in Entenhausen wider auszurotten. Wohl kein anderer Prominenter der Stadt kann als ebenso lernfähig und flexibel gelten.

Die zahlreichen Kurzeinträge ohne Abbildung jedoch, die lediglich auf der bloßen Erwähnung einer Person in einer Sprechblase oder beispielsweise auf einer Werbetafel beruhen, dienen lediglich der Erfüllung des Anspruches nach Vollständigkeit. Ob man von einem gewissen "Jeff", der in Kalifornien mit einer Werbetafel wirbt, "Nip & Tuck, Inhaber eines Kaufhofes", "Merchant, Teilhaber des Geschäfts 'Merchant et. Cie.' in Goldtown" oder "Margarita, Angestellte im Hause Don Gaspars" Kenntnis erhält, hat weder Unterhaltungswert noch sonst einen Nutzen.

Alles in allem ist der "Who's who" ein Buch, daß sich eingefleischte Barks-Fans nicht entgehen lassen sollten, welches sich aber nicht gerade als geeignet für die breite Masse der Comic-Leser erweist, denn dazu sind die angebotenen Inhalte doch zu speziell.

13. August 2009


Who's who in Entenhausen - Die Spitzen der Gesellschaft
von Johnny A. Grote mit Biographien von Andreas Platthaus
Ehapa Comic Collection, 1997
200 Seiten, schwarz/weiß
Softcover: damaliger Preis 39,80 DM, ISBN 3-7704-2060-8
Hardcover: damaliger Preis 59,- DM, ISBN 3-7704-2061-6