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FESTIVAL/182: Erlangen 2010 - Max und Moritz-Preis, Spezialpreis der Jury (CSE)


Kulturprojektbüro der Stadt Erlangen - Pressemitteilung vom 19.5.2010

14. Internationaler Comic-Salon Erlangen, 3. bis 6. Juni 2010

Max und Moritz-Preis 2010 - Spezialpreis der Jury



Salleck Publications und Carlsen Comics für ihre Will Eisner-Ausgaben "Die Spirit Archive" (Salleck Publications) und "Ein Vertrag mit Gott. Mietshausgeschichten" (Carlsen Comics)

In seiner über 100-jährigen Geschichte hat der Comic zuweilen Meisterwerke hervorgebracht, die wegen ihrer herausragenden Zeichenartistik, ihres Themas oder ihrer visionären Innovation als Meilensteine der Neunten Kunst unvergessen sind. Da der Blick der Jury in erster Linie aktuellen Werken gilt, sollen mit dem diesjährigen Spezialpreis expressis verbis zwei Neueditionen der Klassiker eines Künstlers gewürdigt werden, der schon 1994 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Der vor fünf Jahren verstorbene Will Eisner war der Erste seiner Zunft, der den Comic als gezeichnete Literatur verstand und bereits in den 1940er-Jahren in seiner Serie "The Spirit" Sujets und eine Erzählhaltung erprobte, die sich deutlich von der damals üblichen Unterhaltungsware absetzten. "Schon zu dieser Zeit war ich davon überzeugt", erinnerte er sich später, "dass der Comic über ein literarisches Potenzial verfügt." Als er seine Auffassung jedoch 1939 in einem Interview mit der "Baltimore Sun" kundtat, erntete er nichts als Spott, selbst von seinen Kollegen. Doch Eisner ließ sich nicht entmutigen und nutzte "The Spirit" für sich als Experimentierfeld für neue Formen des grafischen Erzählens. Und vor allem für Inhalte und Themen, "die mehr in die Tiefe gehen, als das bislang der Fall gewesen war". Schon bald erschien "The Spirit" in 20 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von fünf Millionen Exemplaren und gilt heute als einer der aufregendsten Klassiker der Comic-Historie, in dem sich anschaulich nachvollziehen lässt, wie der Comic - als Vision eines einzelnen Zeichners, der damals mit seiner Ansicht völlig allein dastand - zu einer ernsthaften Erzählform reifte. Der Verlag Salleck Publications hat die dankenswerte Aufgabe einer erstmals vollständigen Ausgabe in deutscher Übersetzung übernommen, die schlussendlich einmal 26 Bände umfassen soll.

Eisners Comic-Romane über den Alltag in den New Yorker Mietskasernen während der Depressionsjahre hingegen - allen voran der moderne Klassiker "Ein Vertrag mit Gott", der 1978 als erster Comic überhaupt als "graphic novel" bezeichnet wurde - erscheinen in drei voluminösen Büchern neu bei Carlsen. Über allen Werken aus Eisners zweiter Schaffensphase schwebt eine Anmerkung wie ein Credo, mit der er schon sein Vorwort für "Ein Vertrag mit Gott" eröffnet hat: "Die in diesem Band versammelten Erzählungen sind dem endlosen Strom von Alltagsereignissen entsprungen, wie sie für das Leben im Gewimmel einer Großstadt typisch sind. Einige haben sich tatsächlich so zugetragen. Andere hätten sich zumindest so zutragen können, wie ich sie aufgezeichnet habe." Eisners Graphic Novels sind meisterhaft beobachtete, kluge und zutiefst einfühlsame Blicke in die Abgründe menschlicher Existenz unter den Bedingungen urbaner Lebensverhältnisse, wahrhaft zeitlose Klassiker, die heute weder ihre Aktualität eingebüßt noch an erzählerischer Glut und Faszination verloren haben.

Im Olymp der Comic-Künstler nimmt Will Eisner seinen verdienten Platz bis heute in der vordersten Reihe ein. In Deutschland ist sein Werk bislang jedoch nur lückenhaft erschienen und viele Ausgaben sind lange vergriffen. Mit dem diesjährigen Spezialpreis möchte die Jury - stellvertretend für eine Vielzahl verdienstvoller Klassiker-Ausgaben in den letzten Jahren - das Engagement der Verlage Salleck Publications und Carlsen Comics honorieren, Eisners Schlüsselwerke in zwei herausragenden Editionen auch einem deutschen Publikum wieder zugänglich zu machen und ihre Entdeckung somit auch einer neuen Generation von Zeichnern und Interessierten zu ermöglichen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. Mai 2010
Herausgeber:
Stadt Erlangen
Referat für Kultur, Jugend und Freizeit
Kulturprojektbüro
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91052 Erlangen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2010