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FESTIVAL/226: Wieviel Hollywood verträgt San Diego? (Szene WHatcher)


Szene WHatcher - Das Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995
No. 290 vom 21. Juni 2011

Wieviel Hollywood verträgt San Diego?


In US-Medien (u. a. The New York Times) macht die Meldung aus einschlägigen Kreisen die Runde, dass Hollywood-Studios ihre Anwesenheit auf dem Comic-Con International in San Diego, der heuer vom 21.-24. Juli 2011 stattfindet, überdenken. Die grossen und kleinen Filmstudios Hollywoods haben in der Vergangenheit den 130.000 besucherstarken San Diego-Con intensiv für die Präsentation ihrer aktuellen Filmproduktionen genutzt und aus dem ehemals sprudelnden Comic-Fest eine schrille Messe für feierwütige Film-Fans geschaffen - in diesem Zusammenhang wird auch schon gern einmal von der "Aura eines Altars cinematografischer Pop-Kultur" gesprochen (Lisa Gregorian, chief marketing officer der Warner Brothers Television Group).

Das soll sich nun angeblich ändern, wenn in diesem Jahr Studios wie Warner, Dream Works Animation, The Weinstein Company und Disney ihre Stände zu Hause lassen und sogar Marvel Entertainment, das im letzten Jahr noch mit einem grandiosen Display für seinen Film The Avengers Furore machte, zeigt sich bislang unentschlossen ob seiner Teilnahme. Die letzten Jahre in San Diego hatten für manche Filmgesellschaft einen üblen Beigeschmack, da die Präsentationen oft genug, trotz scheinbarer Begeisterung bei den Nerds, mit einem negativen Ergebnis daherkam. Den Massen von teilweise obskur maskierten und verkleideten Fans kommt es zuerst einmal auf die Gaudi und die Party an, aber was sie dann mit ihren Smartphones via Twitter oder die sogenannten "sozialen Netzwerke" in den Rest der Welt verbreiten, wohl weil Stars und Giveaways spannender waren als der Film, sieht anders aus. Die Macht der Party-Girls und -Boys ist vielerorts schon grösser, als vielen Recht ist und die Möglichkeit, dass ein Film zu ersticken droht, bevor er überhaupt geatmet hat, ist gross. Für die Publicity-Abteilungen der Filmgesellschaften können sich die daraus ergebenden Nachbesserungen über Monate hinziehen, ohne Gewissheit auf Erfolg.

Die Möglichkeiten für Präsentationen in San Diego sind zwar optimal, "aber man muss nicht unbedingt vor Ort sein, nur weil es der Kalender vorgibt. Man sollte sich total sicher sein, dass man alles zusammen hat für eine positive Vorstellung", sagt Michael Moses, co-president of marketing für Universal Pictures. Sogar eine vermeintliche gute Stimmung für einen Film auf dem Comic-Con kann trügerisch sein, wenn die Euphorie der Hard Core-Fans nicht den Mainstream erreicht.

Film-Gesellschaften wie Warner, Disney und Lionsgate können ein Lied davon singen, da ihre Streifen Sucker Punch, Tron: Legacy und Buried im letzten Jahr die Erwartungen trotz hohen Einsatzes bei Weitem verfehlten. Ähnlich erging es Universal, das trotz eines riesigen Werberummels mit seinem 60 Mio.-Dollar-Film Scott Pilgrim, der drei Wochen nach dem Con anlief, gerade einmal mit 32 Mio. Dollar dastand. Zudem lassen die sehr knappen Anmeldefristen für aufwendige Präsentation in San Diego, den Verantwortlichen in Hollywood wenig Zeit für die Planung der Auftritte ihrer Stars. David Glanzer, der Marketing Direktor des Cons, kann diese vermeintliche Entwicklung nicht nachvollziehen und verweist auf die zahlreichen Anfragen und Anmeldungen.

Natürlich wird Hollywood auch in diesem Jahr wieder in San Diego präsent sein. Universal wird Cowboys & Aliens bewerben, der noch im Juli 2011 in die Kinos kommt und Paramount plant The Adventures of Tintin: The Secret of the Unicorn gross zu promoten, mit einem möglichen Auftritt des Regisseurs Steven Spielberg - das gibt ein Gedränge. Twentieth Century Fox wirft seinen Rise of the Planet of the Apes in den Ring und Sony kommt mit dem wer-weiss- wievielten The Amazing Spiderman daher, der allerdings erst im Juli 2012 Premiere haben wird. Bei einigen Filmgesellschaften hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich auf dem Comic-Con, im Juli bzw. August, besser TV-Serien bewerben lassen, was auch in diesem Jahr schon für einige Studios den Schwerpunkt ausmachen könnte.

Also, wohl alles eher ein Sturm im Wasserglas, verbreitet durch überempfindliche Beobachter? Hollywood wird auch weiterhin mit Freebees und albernen Gadgets den Comic aus seinem angestammten Gebiet verdrängen und den Leuten - die es glauben - die heile Film-Welt vorgaukeln.

Infos auf www.comic-con.org


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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995, No. 290 vom 21. Juni 2011
Herausgeberin: Gaby Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
Telefon: 030-768 051 22
E-Mail: heinkow@gmx.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011