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FILM/678: Es geht doch! - Steven Spielbergs "Tim und Struppi" (Szene WHatcher)


Szene WHatcher - Das Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995
No. 291 vom 23. November 2011

Es geht doch!


Die Skepsis unter allen Tintinophilen stand sicher im Vordergrund, als Steven Spielberg ankündigte ernst zu machen, mit einer Verfilmung der Abenteuer von Tim und Struppi, erst recht, als das Projekt erste Formen annahm und hier und da schon mal Fotos, Abbildungen und Trailer auftauchten.

Dabei ist die Idee, Tim und sein Universum abendfüllend in's Kino zu bringen sehr alt. Spielberg hatte bereits mit Hergé noch zu dessen Lebzeiten persönlich mit ihm eine cinematografische Umsetzung geplant, die nach Hergés Tod 1983 vorläufig in der Schublade verschwand.

Inzwischen liess Spielberg Abläufe, besonders aus dem Action-Bereich, die er wohl schon für eine Tim-Verfilmung im Hinterkopf hatte, erst einmal in seine sehr erfolgreichen Indiana Jones-Filme einfliessen, bei denen er die Regie führte. Vieles in dem Film Die Abenteuer von Tim und Struppi erinnert immer wieder an den guten Indy, die Dynamik, Orte und die Kameraführung. Sicher kann man das alles dem Genre und der Technik zuschreiben und damit alle Abenteuerfilme standardisieren, in diesem Fall besonders, weil hier immer Spielberg die Leitung hatte, aber es scheint eine Spielberg'sche Handschrift zu geben, die aus den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, einer Zeit, als er in Kontakt mit Hergé stand und sich intensiv mit Tims Abenteuern und deren Filmwerdung befasste.

Hardcore Fans des Hergé'schen Universums meinen ohnehin, dass eine ernst zu nehmende Darstellung von Tims Abenteuern abseits der literarischen Form nicht möglich ist. Die beiden wenig erfolgreiche Filme (Tim und Struppi und das Geheimnis um das goldene Vlies von 1961 und Tim und Struppi und die blauen Orangen von 1964) ausser Acht lassend, ist diebezüglich auch noch nicht allzu viel passiert, und vielleicht ist es besonders deshalb skepsistreibend, dass sich nunmehr ausgerechnet Spielberg, ein Hollywood-Action-Regisseur, vorgenommen hat Tim ein bleibendes Kino-Gesicht zu verleihen.

Der Film ist auf gar keinen Fall langweilig, ganz nach Spielberg'scher Tradition und phasenweise schiesst es einem durch den Kopf, "das geht doch gar nicht". Aber dann wieder sagt einem ein Bauchgefühl "doch, das ist Tim!" Man muss sich nicht wirklich zwingen, Tim in dem Streifen wiederzuerkennen und wenn man nicht gerade eine militante Abneigung gegen eine cinematografische Umsetzung Tims hegt und schon an seinem eigenen Purismus zu ersticken droht, dann sollte man sich dem Film öffnen und sich auf die Fortsetzung freuen, denn die kommt. Puuhh, und das aus meinem Mund.

Ein anderer positiver Nebeneffekt ist das gewachsene Interesse der Jugend an den Alben und so ziemlich allem, was momentan von Tim und Struppi auf dem Markt ist. Dass junge Leute über den Film an das literarische Werk Hergés herangeführt werden, ist mehr als erfreulich. Bereits auf der Berliner Comicbörse Mitte November erfreuten sich Artikel, besonders in Albenform, bei der Jugend ungewohnter Beliebtheit.

Hingehen und den Film anschauen, möglichst in 3-D, das macht doppelt Spass und führt gleichzeitig noch eine Dimension weiter, was wiederum unweigerlich das Verlangen nach der Ursprünglichkeit, den schönen, schlichten Alben weckt, worin der Meister in seiner unendlichen Genialität Tim für uns geschaffen hat.


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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995, No. 291 vom 23. November 2011
Herausgeberin: Gaby Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
Telefon: 030-768 051 22
E-Mail: heinkow@gmx.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2011