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HINTERGRUND/016: Aufklärung und Phantastik - Dietmar Dath über "Buffy" (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 21. April 2009

"Das spornt an"

Aufklärung und Phantastik: Dietmar Dath über "Buffy"


Von Thomas Wagner

Gutaussehende, blonde Teenager weiblichen Geschlechts kommen im Horrorfilm meist nicht gut weg. Sie entfernen sich trotz Warnung von der Gruppe und bekommen es in dunklen Sackgassen, Kellern oder hinter verbotenen Türen mit Untoten, Serienkillern, Schleimmonstern oder Ähnlichem zu tun. Ob sie nun weglaufen, zu telefonieren versuchen oder um Hilfe schreien: Nutzen wird es ihnen am Ende nicht.

Buffy Summers, Heldin der US-Fernsehserie "Buffy, the Vampire Slayer", ist auf den ersten Blick wie geschaffen für diese Rolle. Sie ist zierlich, sieht klasse aus und plagt sich im Provinznest Sunnydale mit Mädchenintrigen und anderen üblichen Schulproblemen herum. Dank ihres Erfinders Joss Whedon (Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Comic-Autor) bleibt ihr das oben geschilderte Schicksal jedoch erspart. Zwar muß sie in den sieben Staffeln der Serie gleich zweimal sterben, hat nacheinander zwei schwierige Liebesverhältnisse mit den beißgehemmten Blutsaugern Angel und Spike, muß sie den Verlust der Mutter und enger Freunde verschmerzen. Aber trotzdem behält die junge Frau das Heft des Handelns in der Hand, schart als Dämonenjägerin eine Gruppe von gleichaltrigen Freundinnen und Freunden um sich und rettet mit ihnen ein ums andere Mal die Welt vor dem Untergang.

Obwohl Joss Whedon den Plot der achten Staffel bereits fertig in der Schublade hatte, wurde die Serie zu seiner Überraschung nach der siebten Runde abgesetzt. Prompt arbeitete er die Geschichten um Buffy und den Serien-Spin-Off Angel für das Comic-Genre um. Seit einigen Monaten erscheinen beide Serien in deutscher Sprache.

Den marxistischen Schriftsteller Dietmar Dath inspirierte die TV-Serie 2003 zu einer Monographie: "Sie ist wach. Über ein Mädchen, das hilft, schützt und rettet" (Implex-Verlag). Was ist an dieser Geschichte für ihn so interessant? "Schon ein paar Jahre vor dem Buffy-Buch wollte ich mal eine Ästhetik der unwirklichen populären Genres (Science Fiction, Fantasy, Horror) schreiben, aber mir war damals kein einzelnes Kunstwerk begegnet, das umfassend genug alle Vorzüge, Fallen etc. dieser Genres auf sich vereinigt, und siebenhundert Beispiele lesen sich zäh. Dann kam BtVS, und die Gelegenheit war da - ich kenne kein anderes Beispiel, das so viel Kenntnis, so genaues Empfinden der Grundzüge der Phantastik, einen so perfekt ausbalancierten Reichtum bietet wie dieser Kosmos. Das kann natürlich auch daran liegen, daß Joss Whedon, Marti Noxon, Tim Minear, Jane Espenson und die sonstigen Schöpferinnen und Schöpfer der Show einfach von denselben Einflüssen geprägt sind (Kino der 70er, New-Wave, Science-Fiction, die Comics von Chris Claremont ...), die bei mir die entsprechenden Geschmacksbildungsprozesse ausgelöst haben. Die Crux ist jedenfalls die: Nirgendwo, soweit ich sehe, prallen aufgeklärte, moderne, emanzipatorische Ansprüche wie der Feminismus, der Kampf gegen Entfremdung und der Krieg mit dem Untoten als Kampf gegen das 'Gewicht der toten Geschlechter' (Marx) derart bildkräftig mit den voraufgeklärten, mythischen, zeitenthobenen, durchaus auch: reaktionären Grundmustern der Phantastik fruchtbarer, vielgestaltiger und widersprüchlicher zusammen als in den sieben Jahren BtVS (plus den dazugehörigen Romanen, Comics etc.)."

Daths eigene Romane bedienen sich ebenfalls aus dem Ideen- und Motivarsenal der phantastischen Literatur. Da erörtern intelligente Nachfahren der Tiere Probleme der Staatstheorie, erobern Zombies die Berliner Mitte, entpuppt sich eine Abiturientin als geheime Waffe der Sowjetunion und Ähnliches mehr. Die Frage liegt nahe, ob er als Autor etwas aus Whedons Serie gelernt hat. "Gelernt habe ich von H.G. Wells, Stephen King, Edgar Allan Poe, Robert A. Heinlein u.a. Aber da Whedon von denen allen auch gelernt hat, konnte ich seine Ergebnisse mit meinen vergleichen. Seine sind viel besser. Das spornt an."

Als er noch FAZ-Redakteur war, hat Dath die Buffy-Darstellerin Sarah Michelle Gellar interviewt. Die Comic-Fortsetzung muß nun ohne die Schauspielerin auskommen. Hält er den Wechsel des Mediums für gelungen? "Im Wesentlichen ja, weil dabei die drei größten Vorzüge der beiden Serien alle mitgenommen wurden: 1. Die Autorschaft ist zentral, kommt vor Effekten oder Inszenierung, 2. Das Ensemble macht die Story, nicht nur die Heldin, 3. die Metaphern werden als Metaphern ernstgenommen, nicht bloß als Masken für irgendeine Sozialkritik etc. Einziger Abstrich: Man merkt einigen der Figuren an, daß die Schauspielerinnen und Schauspieler sie eben doch nicht nur interpretiert, sondern miterschaffen haben. Buffy Summers im Comic ist so, wie Whedon sie sich vorstellt - im Fernsehen aber hat Sarah Michelle Gellar der Figur einiges an Widerstand gegen allzu eindeutige Abbildungen der Wünsche und Ideale von Whedon beigemengt, und diese kreative Spannung kam der Mehrdimensionalität der Heldin sehr zugute. Bei fast allen anderen Figuren liest man dieselben Stimmen wie die, welche man im Ohr hat. Gellar aber läßt sich nicht als Text simulieren. Das ist ein bißchen schade; vor allem aber: gerecht."

Das Gespräch wurde per Email geführt. Die Comic-Serien "Buffy. The Vampire Slayer" und "Angel" erscheinen in der BRD als Panini Comics.


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Quelle:
junge Welt vom 21.04.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2009