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MANGA/211: Fast schon ein Klassiker - "Nausicaä" von Hayao Miyazaki (SB)


Hayao Miyazaki


Nausicaä aus dem Tal der Winde



Mehr als ein japanisches "Öko-Märchen"

Die im Westen des eurasischen Kontinents entstandene industrielle Zivilisation, die sich innerhalb mehrerer hundert Jahre über die ganze Welt verbreitete und eine riesige Industriegesellschaft schuf, die die Erde ausbeutete, die Luft verschmutzte und Lebewesen nach ihrem Willen nutzte und umgestaltete, erreichte nach tausend Jahren ihren Höhepunkt. Danach begann eine Zeit des Niedergangs: Im Krieg der "Sieben Tage des Feuers" wurden alle Städte, die giftige Stoffe freigesetzt hatten, zerstört und mit ihnen sämtliche Errungenschaften ihrer hochentwickelten Technologie. Fast die gesamte Erdoberfläche wurde unfruchtbar.

Tausend Jahre sind nun vergangen, seit die Städte verschwanden. Inzwischen ist die Erde von dem sich immer weiter ausbreitenden Meer der Fäulnis überzogen, einem Wald aus Riesenpilzen, die giftiges Miasma absondern und in dem nur Insekten überleben können. In den wenigen unverseuchten Gebieten, das es am Rande des Meers der Fäulnis noch gibt, leben die Menschen in verstreut liegenden Königreichen. Auch das Tal der Winde ist ein solches Königreich. Es ist durch einen stetig vom Salzmeer heranwehenden Wind geschützt, der mit knapper Not einen Großteil der Pilzgifte abhält.

Mit nur etwa 500 Einwohnern ist das Tal der Winde ein sehr kleines Königreich, das sich jedoch stets seine Autonomie bewahrt hat. Diese Unabhängigkeit hat es vor allem seinem "Gunship" zu verdanken, einem motorisierten und bewaffneten Fluggerät aus vergangenen Zeiten, von denen es nur noch sehr wenige gibt. Der Häuptling des Tals kämpft im Gunship in den Reihen des Königs von Torumekia gegen das Fürstentum Doruk. Das ist ein alter Schwur, der nicht gebrochen werden darf. Da Nausicaäs Vater, dessen Körper durch die jahrelange Nähe zum Meer der Fäulnis inzwischen gelähmt ist, nicht mehr fähig zum Kämpfen ist, muß nun seine Tochter Nausicaä antreten, als König Wu von Torumekia zu den Waffen ruft ...

Daher verstehen die Bewohner des Tals der Winde die Welt nicht mehr, als eines Tages Soldaten aus Torumekia bei ihnen eintreffen, nachdem sie die mit ihnen verbündete friedliche Handwerks-Stadt Pejite dem Erdboden gleichmachten. Unter der Begründung, flüchtigen pejitischen Rebellen auf der Spur zu sein, landen sie, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß sie mit mitgebrachten Pilzsporen das ganze Tal verseuchen könnten. Entschlossen stellt Nausicaä sich ihnen entgegen, und es gelingt ihr, die Soldaten zum Abzug zu bewegen.

Wie sich später herausstellt, birgt die Stadt Pejite ein ebenso verlockendes wie gefährliches Geheimnis: Aus einer unterirdischen Mine werden seit vielen hundert Jahren Motoren aus alter Zeit ausgegraben und instand gesetzt. In dieser Mine ruht auch einer jener legendären Titanen, die der Überlieferung zufolge die alte Welt in sieben Tagen zerstört haben sollen. Überall auf der Erde liegen Überreste von Titanen herum. Doch der Titan von Pejite sieht aus, als könne er jeden Moment erwachen - auf so einen Fund hat der ebenso machthungrige wie ehrgeizige Stabsoffizier Kurotawa nur gewartet ...


*


Das war nur der Anfang einer Reihe von Ereignissen, die sich in dieser zweibändigen Erzählung abspielen. Im Laufe der Geschichte kommt Nausicaä nicht nur dem Geheimnis des Meeres der Fäulnis näher, in dessen innerstem Bereich die Luft rein und frei von giftigem Miasma ist - mit einem geheimnisvollen "Stein", der von jenem Titan aus Pejite stammt, der Kurotawa so sehr fasziniert, hält sie auch den Schlüssel zu seiner Aktivierung in der Hand ...

"Nausicaä" ist eine wunderschöne Fantasy-Geschichte, die nicht nur Manga-Fans, sondern auch Alben-Lesern gefallen wird, denn dieser Comic ist so "gehaltvoll", wie man es von einem guten Album aus europäischer Produktion gewohnt ist. Zudem bestechen die Zeichnungen durch Natürlichkeit und Detailreichtum und die Figuren sind nicht durch jene Stereotypien (Riesenaugen, Mininasen etc.) verunziert, die vielen das Lesen von Mangas verleiden.

Seit der Veröffentlichung von "Prinzessin Mononoke" ist der Japaner Hayao Miyazaki auch den deutschen Manga-Lesern kein Unbekannter mehr. Er zählt zu den derzeit wichtigsten und einflußreichsten Manga- und Anime-Zeichnern. Als sein bedeutendstes Werk gilt die noch vor "Mononoke" entstandene Erzählung "Nausicäa aus dem Tal der Winde", von der alleine in Japan mehr als 10 Millionen Exemplare verkauft wurden. Eine beeindruckende Zahl für einen Comic-Erstling, denn Miyazaki war eigentlich Filmemacher und, wie es heißt, kostete es die Redaktion des Anime-Magazins "Animage" seinerzeit einige Überredungskunst, ihn überhaupt dazu zu bewegen, sich im Medium Manga auszudrücken. Über 13 Jahre lang arbeitete Miyazaki an der Umsetzung der Geschichte, die Motive aus der griechischen Mythologie und der japanischen Erzähltradition mit SF- und Fantasy-Elementen verbindet und für die er 1994 eine Auszeichnung als "Bester japanischer Manga-Künstler" erhielt.

Die zweibändige deutsche Ausgabe des Carlsen Verlages, die im Juni bzw. September 2001 erschien, wurde wie die japanische Originalfassung in braun auf weiß gedruckt, was die Naturverbundenheit der Zeichnungen unterstreichen soll. Mit 17 x 26 cm hat das jeweils 136 Seiten umfassende Edel-Manga annähernd DIN A4-Format. Der erste Band enthält als Extra ein farbiges DIN A2-Poster sowie eine ebenfalls farbige Landkarte zum Ausklappen.

9. November 2007


"Nausicaä aus dem Tal der Winde"
von Hayao Miyazaki
Carlsen Verlag, Hamburg, 2001
136 S., Softcover, 17 x 26 cm, braun/weiß
Band 1 mit Farbposter und Landkarte, ISBN 3-551-75201-X
Band 2 ISBN 3-551-75202-8