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MARVEL-BROKER/035: Secret Invasion 1 (SB)


Wem kannst du trauen?!




Vor langer Zeit geriet die Erde zwischen die Fronten von zwei außerirdischen Rassen, den Kree und den Skrulls, die in einem jahrtausendewährenden Krieg gefesselt waren - nachzulesen in den US-amerikanischen Heften "Die Rächer" #89-97 aus dem Jahre 1971 oder bei Panini in "Marvel Paperback 9". Kurz vor dem drohenden Untergang der Menschheit, eingeleitet durch die grünhäutigen Skrulls - als Gestaltwandler können sie ihre Form, Größe und Farbe ändern und jede beliebige menschliche Gestalt annehmen -, wurde der Aggressor im letzten Moment durch das wagemutige Eingreifen der Rächer mit Hilfe von Rick Jones bezwungen. Doch dieser allzu knappe Ausgang des Geschehens saß unseren Helden noch tief in den Knochen, so daß der Magier Dr. Strange, Black Bolt von den Inhumans (Nichtmenschen), Professor Charles Xavier von den X-Men (Mutanten), Reed Richards von den Fantastischen Vier, Prinz Namor der Sub-Mariner, Herrscher von Atlantis, sowie Tony Stark der Eiserne und Mitglied der Rächer, den Geheimbund der Illuminati gründeten, um sich künftig solcher Gefahren bereits im Vorfeld zu erwehren.

Mit der Idee, die Skrulls einzuschüchtern, so daß sie es niemals mehr wagen würden, die Erde ein zweites Mal anzugreifen, reiste das Helden-Sextett in die Galaxie der Grünen. Die selbsternannten Hüter der Erde samt ihres Trabanten verstiegen sich dazu, den Skrulls offen zu drohen, wurden aber dummerweise, obwohl sich Black Bolt mit seiner zerstörerischen Stimme eindrucksvoll Gehör verschaffte, gefangen genommen. Um mehr über die Fähigkeiten der Superhelden herauszufinden, erforschten die Skrull-Wissenschaftler nun ihre "Versuchskaninchen" bis ins kleinste Atom und brachten so alles Wissenswerte in Erfahrung. Auch wenn schlußendlich die sechs ihren Peinigern entkamen, konnten diese durch die Schuld der Illuminati die "Secret Invasion" in aller Ruhe und im geheimen vorbereiten (siehe MARVEL-BROKER/034).  

Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Denn als vor nicht allzu langer Zeit die Auftragskillerin Elektra im Kampf gegen die Neuen Rächer getötet wurde, entpuppte sie sich als Skrull. Den Leichnam ließ die SHIELD-Agentin und das Mitglied der registrierten und deshalb legalen Rächer Spider-Woman dem neuen SHIELD-Director Tony Stark alias Iron Man zukommen, der damit seine Mitstreiter von den Illuminati überraschte, ihnen seine ärgsten Befürchtungen anvertraute und Fragen aufwarf: Wie lange sind sie schon unter uns, ohne daß wir etwas bemerkten? Und was wäre, wenn die feindliche Invasion der Skrulls schon vor langer Zeit begann, unsere Gesellschaft zu unterwandern, unbemerkt und in aller Stille - um dann plötzlich loszuschlagen? Wem kannst du trauen?

Wie zur Bestätigung seiner Worte verwandelte sich, urplötzlich und völlig unerwartet, Black Bolt in einen Skrull, während er seine Teamkollegen mit einer Kombination ihrer Fähigkeiten angriff, unterstützt von zwei weiteren Super-Skrulls, die wie aus dem Nichts auftauchten. Nur mit größter Not und extrem drastischen Mitteln schlug Iron Man den Angriff vernichtend zurück. Spätestens jetzt wurde allen mit Schrecken zweifelsfrei klar, daß die Skrulls längst unter ihnen wandelten. Vielleicht hatten sie schon Schlüsselpositionen in der Politik, der Forschung und dem Militär besetzt und vor allem einen Plan: die Eroberung der Erde. Nun schien ihre Stunde gekommen zu sein, denn jeder, aber auch jeder, ob Butler, SHIELD-Agent, Bekannter, Nachbar oder Freund, konnte ein Skrull sein. Wer war Freund, wer war Feind? Und als sie sich trennten, saß der Stachel des Mißtrauens schon tief im Fleisch: Wem kannst du trauen?  

Mit diesem Problem werden die Helden des Marvel-Universums - das sich nach dem verheerenden "Civil War" mit seinem Registriergesetz für Superwesen und dem Tod von Captain America in jüngster Zeit stark verändert hat - im ersten Heft der achtteiligen Miniserie "Secret Invasion" konfrontiert, die monatlich ab Februar 2009 in Deutschland bei Panini erscheint. In diesem nächsten, von langer Hand geplanten und mal wieder alles verändernden Crossover erstrecken sich umfangreiche, epische Handlungsbögen über mehrere Ausgaben und verschiedene Serien des Marvel-Universums. Angeblich sollen die acht Bände der Kernserie "Secret Invasion" ausreichen, um der Story folgen und sie auch genießen zu können. Wenn dem so wäre, wieso wird dann im gleichen Atemzug dem Comic-Konsumenten ans Herz gelegt, die diversen Tie-Ins nicht auszulassen, da sie das Verständnis und den Lesespaß noch optimieren würden? Mit anderen Worten also: Neben dem trockenen Kanten Brot der Hauptstory kommt noch die gute Butter der Tie-Ins dazu. Wer aber auch noch Aufschnitt wie Wurst oder Käse obendrauf haben möchte, sollte sich dieses Mega-Event in seiner ganzen Komplexität erschließen, zu der auch die Hefte und Serien gehören, die nie auf dem deutschen Markt erschienen sind.

Wenn nun so manchen Comic-Fan das ungute Gefühl beschleicht, hinter den zahlreichen Crossovern stecke pure Geschäftemacherei, liegt er gewiß nicht falsch, war doch im Jahr 2008 "Secret Invasion" die erfolgreichste Serie auf dem amerikanischen Comicmarkt. Alle acht Bände befanden sich unter den Top Ten der bestverkauften Comics. Das nennt man kommerziell optimal verwertet.

"Secret Invasion" ist ein Storybogen, bei dem grüne Invasoren aus dem All im geheimen auf der Erde gelandet sind, um sie zu erobern. Sie können in jede beliebige Gestalt schlüpfen und das Aussehen deines Nachbarn, Bekannten oder Freundes annehmen. Der Plot hört sich zwar wie eine der endlosen Wiederholungen eines bekannten Science-fiction-Themas an, aber ist er es auch tatsächlich? In dem übersetzten Transkript eines Podcast-Interviews mit Stan Lee am Ende des ersten Heftes der Miniserie antwortet die lebende Legende der Comic-Popkultur auf die Frage, ob ihn in jener Zeit - die Skrulls hatten ihr Debüt Anfang 1961 - etwas in der Popkultur, Politik oder sonstwo zu der angeblich neuen Idee eines Formwandlers inspiriert hatte. "Nein, ich denke nicht. Es war nur etwas, das mir einfiel. (...) Es ereignete sich nichts Besonderes, was mich an einen Formwandler erinnert haben könnte. Also muß es mich aus heiterem Himmel getroffen haben." (Secret Invasion Heft 1, S. 57) Kann man Lees Behauptung trauen?

Ist dein Nachbar tatsächlich dein Nachbar? Beschleicht dich manchmal das ungute Gefühl, daß selbst Verwandte gar nicht wirklich deine Verwandten sind? Wenn du feststellst, wie sehr der äußere Schein trügen kann, dann hast du entweder eine handfeste Paranoia oder schlimmer noch, du hast dir einen "Körperfresser"-Film zuviel angeschaut. Denn seit der amerikanische Science-fiction-Film "The Invasion of the Body Snatchers" (dt. "Invasion der Körperfresser" oder auch "Die Dämonischen") im Jahre 1956 in die Kinos kam, sind immer wieder Körperfresser unterwegs, die Menschheit heimlich zu infiltrieren.  

Wollen wir also mal Stan Lees Aussage "es muß mich aus heiteren Himmel getroffen haben" nicht so verstehen, daß es vorher keine Vorbilder von Form- oder Gestaltwandlern, als da sind Werwölfe und Vampire, gegeben hat, sondern sie eher als eine unbeabsichtigte Anspielung auf ein zurückliegendes, von ihm vergessenes Kino-Ereignis interpretieren, welches die damaligen Zuschauer sprichwörtlich und die Protagonisten des Films im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel getroffen hatte.

Der Held des Kinofilms , Dr. Miles Bennell - ein typischer "Herr Jedermann" seiner Zeit in einer beschaulichen amerikanischen Kleinstadt-, findet heraus, daß in Wirklichkeit seine Patienten gar nicht paranoid sind. Vielmehr scheinen ihre angeblichen Wahnvorstellungen, Verwandte und Freunde von ihnen hätten sich bedenklich verändert, zu stimmen. Denn der Nachbar ist tatsächlich nicht mehr der Nachbar und der eigene Ehemann nicht mehr der Ehemann. Außerirdische Sporenkapseln sind aus "heiterem Himmel" ins Städtchen gelangt und wachsen, während die Menschen schlafen, zu deren makellosen Duplikaten heran, um dann die Originale zu ersetzen. Wem kannst du trauen? Ihr einziger Manko ist ihr völliges Fehlen von Emotionen. Und so begann die stille Invasion ...  

Don Siegels schwarzweiße Erstverfilmung, basierend auf dem Roman "The Body Snatchers" von Jack Finney aus dem Jahre 1955, zählte zu den Highlights des Horror/Science-fiction Genres der 50er Jahre und gilt heute als Klassiker - wie Ridley Scotts "Alien" (1979) und "Blade Runner" (1982), John Carpenters Remake "Das Ding aus einer anderen Welt" (1982), dessen Original 1951 seine Erstaufführung hatte. "The Invasion of the Body Snatchers", der drei Remakes nach sich zog - 1978 Philip Kaufmans "Die Körperfresser kommen", 1993 Abel Ferraras "Body Snatchers" und 2007 Oliver Hirschbiegels "The Invasion" - wurde 1994 in das National Film Registry für besonders erhaltenswert geltende US-Filme aufgenommen.

"The Invasion of the Body Snatchers" kann man als ein typisches Beispiel des von antikommunistischer Paranoia geprägten Kinos der 50er Jahre verstehen. Sich vorzustellen, nachts einzuschlafen und am nächsten Tag könne alles anders sein als bisher, obwohl der äußere Schein sich nicht verändert hat, kann man nur mit den Ängsten jener Zeit - vor Außenseitertum und allgemeiner gesellschaftlicher Entfremdung - in Verbindung bringen, die im Zusammenhang mit der Kommunistenverfolgung der McCarthy-Ära vor dem Hintergrund des als Kalten Krieg bezeichneten Ost-West-Konflikts präsent waren. Daß man dem Menschen an sich einen mehr oder weniger starken Hang zur Paranoia zuschreibt, die alle möglichen Interpretationen gebiert, ist nun wirklich nichts Neues, und so ist es dann auch nicht verwunderlich, daß sowohl die Kommunisten-Jäger als auch die McCarthy-Gegner den Film für sich reklamierten. Die Ersteren verstanden die Alieninvasion als eine Metapher für kommunistische Infiltration in den USA, während die Gegner in dem Film eine Parabel auf den McCarthyismus und den damit verbundene Druck zur politischen Anpassung sahen. Don Siegel, der sich selbst als Liberaler, militanter Vietnamkriegs-Gegner und Rebell verstand, wollte nach eigenen Aussagen mit dem Film eine Lanze für die Individualität brechen, während seine Kritiker ihm eine antikommunistische Sicht vorwarfen und ihn als Kommunisten-Hasser sahen.

Comic-Autor Brian M. Bendis, der die Idee zu "Secret Invasion" im Jahr 2004 hatte und in der Folge hinter den Kulissen auf diesen Comic-Event hinarbeitete, - seit einiger Zeit scheint er auch das Geschehen bei Marvel maßgeblich vorzugeben - plazierte bereits in allen Marvel Comics der letzten Jahre, insbesondere in seinen Serien "Spider-Man" und "Die Neuen Rächer", Hinweise für die Anwesenheit der Skrulls auf der Erde. Dabei soll er auch Handlungsstränge aus dem Marvel-Universum aufgegriffen und verwoben haben, die nicht aus seiner Feder stammen und teils schon einige Jährchen auf dem Buckel haben, um sie mit gegenwärtigen Problemen der realen Welt zu kreuzen.  

Ähnlich wie seinerseits der Ost-West-Konflikt den gesellschaftlichen Hintergrund des Films "Invasion of the Body Snatchers" bildete, war der Kalte Krieg auch noch 1971 in vollem Gange, als Marvel in den Comic-Klassikern "Die Rächer" #89-97 den Skrull/Kree-Krieg inszenierte, um die Stimmung von Paranoia und Mißtrauen innerhalb der amerikanischen Bevölkerung in jener Zeit wiederzuspiegeln. Die gestaltwandelnden Skrulls als Feindbild waren damals und sind auch heute noch die idealen Schurken für das Konzept, bei dem mit dem Mißtrauen der Menschen untereinander gespielt wird. Auf diesen Zug springt auch Autor Brian M. Bendis bei "Secret Invasion" auf, der dieses Thema nach wie vor für aktuell hält, wie er sich einmal in einem Interview geäußert hat. Denn seiner Meinung nach sind wir nach dem 9.11.2001 wieder in eine Zeit des Mißtrauens zurückgekehrt und beäugen argwöhnisch jeden Fremden, wenn wir zum Beispiel in ein Flugzeug steigen.  

Und die Fremden, ideal durch die Skrulls verkörpert, haben nicht nur die Reihen der Superhelden unterwandert, sondern auch bestimmte Vertrauens- und Schlüsselpositionen bei Militär, Geheimdiensten und Sicherheitseinrichtungen besetzt, um dort erfolgreich ihre Anschläge durchzuführen. So beginnt die Story des ersten Heftes "Secret Invasion" in einer Bar, wo hauptsächlich Agenten von S.H.I.E.L.D. ihren Feierabendtrunk zu sich nehmen.

S.H.I.E.L.D. ist eine Terrorabwehr-, Nachrichten-, und Spionageorganisation, die sowohl verdeckte als auch militärische Operationen durchführt - kurzum eine Friedens-Organisation zur Bekämpfung weltweiter Bedrohungen. Einzig nur den Weltführern in höchsten Positionen gegenüber verantwortlich, arbeitet sie mit Regierungen und deren militärischen Streitkräften - sprich: Friedensarmeen - aus und in aller Welt zusammen.  

Also, in dieser Bar wird eine Fernsehreportage, die vom Tod Captain Americas handelt, von einem der ranghöchsten und ersten SHIELD-Agenten überhaupt, Timothy "Dum-Dum" Dugan, Freund vom Cap und vom zweiten SHIELD-Direktor Nick Fury, durch den Wurf einer Bierflasche in den Fernseher abrupt unterbrochen. Draußen am Pier trifft er unerwartet Gräfin Valentina, eine ebenfalls ranghohe SHIELD-Agentin, die den alten Kämpen nach einer kurzen Begrüßung ohne Vorwarnung mit drei Klauen, wie Wolverine sie hat, völlig überraschend absticht. Die Gräfin, wie kann es anders sein, entpuppt sich als Skrull und übernimmt die Gestalt von Dugan. Man kann niemandem trauen!

Die Skrulls dirigieren ihre Spielfiguren auf dem Schachbrett, als da sind die Superhelden und die staatlichen Organisationen auf der einen Seite und die getarnten Skrulls auf der anderen. Und keinem kannst du trauen, denn die Spielführung liegt in den Händen der Skrull-Königin. Ein Raumschiff der Invasoren stürzt auf die Erde in das Wilde Land. Die Rächer unter Iron-Man machen sich sogleich auf den Weg und treffen mit jenen Rächern unter Luke Cage, die den neuen Regeln für Superhelden entsagt haben, bei dem havarierten Raumschiff zusammen.  

Und dann geht's rund, wie das Ding zu sagen pflegt. Durch einen außerirdischen Virus werden zentrale technische Einrichtungen außer Kraft gesetzt, als da sind das SHIELD-Hauptquartier, verschiedene Hochsicherheitsgefängnisse, die militärische Abwehr. Gleichzeitig wird das Portal zur Negativzone im Baxter Building, dem Hauptquartier der Fantastischen Vier, geöffnet, so daß sie sich weiter ausdehnen kann. Und der als SHIELD-Agent "Dum-Dum" Dugan getarnte Skrull sprengt die Raumstation Peak, das Hauptquartier von S.W.O.R.D. (Sentient World Observation and Response Department - eine Antiterrorismus- Unterabteilung von S.H.I.E.L.D.) auseinander, so daß eine Flotte der Skrulls ungehindert passieren kann.  

Ein Agent tötet einen Agenten desselben Dienstes, ein Agent sabotiert eine Unterabteilung der eigene Organisation und bläst deren Hauptquartier ins All. Was will der Autor dem Leser damit sagen? Daß Bendis so manchen Superhelden und auch schon langgediente Charaktere aus dem Marvel-Universum über die Klinge, oder wie im Fall Timothy Dugan über drei Klingen, springen läßt, ist ja seit der Mini-Serie "Heldenfall" zum Leidwesen der eingefleischten Marvel-Fans harte Realität geworden. Doch was hat er sich dabei gedacht - wenn er überhaupt gedacht hat -, den alten SHIELD-Veteranen Dugan, der sein Debüt im Mai 1963 hatte, durch den Verrat eines vermeintlichen Freundes so übel mitzuspielen? Ist das wieder einer dieser Hinweise, den Bendis im Vorfeld einer zukünftigen Story eingestreut hat? Oder verwebt er einmal mehr die Handlungsfäden des Marvel-Universums mit Ereignissen der realen Welt, um, wie Marvel es in der Vergangenheit schon des öfteren gemacht hat, auf Mißstände, Probleme und Fragen und den damit verbundenen Zeitgeist innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft aufmerksam zu machen?

Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit, in der angeblich das Fremde der bestehenden Ordnung den Kampf angesagt hat und mit Mitteln der Gewalt seinen Plan durchzusetzen trachtet. Will Bendis vielleicht in einer Parabel dem geneigten Leser mitteilen, daß in der Vergangenheit bestimmte Terror-Anschläge in der westlichen Welt hausgemacht und die eigenen Leute dafür verantwortlich waren? Und lautet deshalb Bendis' versteckte Botschaft, traue besser den eigenen Leuten nicht? Oder will er im Gegenteil darauf hinweisen, daß der äußere Schein trügt, wenn es so aussieht, als wenn die Guten die Bösen sind? Also, wenn Agenten Anschläge auf den eigenen Staat ausüben, dann tun sie das nur, weil sie von dem Fremden, Bösen übernommen oder ausgetauscht wurden und ihre Befehle von jenen Kräften bekommen, die im Hintergrund die Fäden ziehen - im Comic die Skrulls von ihrer Königin und die SHIELD-Agenten von ... (siehe oben)? Wem kannst du trauen?  

Schon in der ersten Ausgabe der Hauptserie "Secret Invasion" ist die Eroberung in vollem Gange. Die gerade noch verbliebene Ordnung, nach all den erschütternden und umstrukturierenden Ereignissen und fundamentalen Neugestaltungen der letzten Jahre im Marvel-Universum, scheint vollends aus den Fugen zu geraten. Dies könnte auch so manchem Neueinsteiger ergehen. Denn obwohl schon mittlerweile einige Marvel-Charaktere dank der zahlreichen Hollywood-Verfilmungen der vergangenen Jahre zur allgemeinen Popkultur gehören und dem Neuleser dadurch das trügerische Gefühl vermittelt wird, nicht völlig unwissend zu sein, kann dieser leicht von der Unzahl der Akteure und dem rasanten Wechsel von Schauplatz zu Schauplatz in "Secret Invasion" erschlagen werden. So unüberschaubar es allein schon für die Superhelden in ihrer Freund-Feind-Unterscheidung ist, einen Überblick über das Geschehen zu erlangen, um so schwieriger wird es für den Frischling sein, dem Erzählbogen zu folgen. Aber nichts ist unmöglich, schließlich kann man sein Wissen im Internet aufrüsten.  

Für den alteingesessenen Marvel-Fan wird das vorliegende Heft ein kurzweiliges Lesevergnügen sein, und ein besonderer Reiz besteht darin, daß er keinem aus dem Marvel-Universum trauen kann, denn selbst sein persönlicher Lieblingsheld könnte sich nach all den Jahren gemeinsamer Abenteuer als Feind entpuppen.  

Für den Marvel-Verlag bietet sich die Möglichkeit, neben der Steigerung der Verkaufszahlen, ungeklärte Ereignisse in seinem Universum geradezurücken, wie beispielsweise der vermeintliche Tod von Captain America. Auch würde der Verlag gut daran tun, wenn nach diesem Crossover nicht gleich wieder das nächste Mega-Event mit all seinen Haupt- und Nebenserien, Tie-Ins und grundsätzlichen Umwälzungen folgen würde. Aber es steht zu befürchten, wenn man den Gerüchten trauen darf, daß schon das nächste Großereignis dem jetzigen folgen wird. Mega-Events erschüttern die Säulen des Marvel-Universums und das immer umfassender und immer schneller. Eine gute Story entsteht nicht, wenn man sich dem Zeitgeist anpaßt und sich der Schnellebigkeit und Flüchtigkeit einer zerissenen und immer mehr zerteilten und vereinzelten Gesellschaft unterwirft. Bleibt nur zu hoffen, daß die zukünftigen Geschichten nicht in pures Actionspektakel abgleiten und an Unübersichtlichkeit zunehmen, was dann immer zu Lasten einer charakterbezogenen und packenden Erzählung geht.  

Mit dem Debütheft zu "Secret Invasion" ist den Machern ein spannender Einstieg gelungen, der nach mehr verlangt. Stellt sich dem Leser zum Schluß dann nur noch die Frage, ob Marvel sein angekündigtes Versprechen, die Serie sei der vielleicht größte Moment in der Geschichte des Marvel-Universums, über die nächsten Nummern aufrechterhalten kann. Kann man dem trauen?

Euer Marvel-Broker


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Titel: Secret Invasion
PANINI Verlags GmbH
Autor: Brian Michael Bendis
Zeichner: Leinil Francis Yu
Cover: Leinil Francis Yu
Format: Softcover, farbig
Umfang: 60 Seiten
Erscheinungstermin: Febr. 2009
Preis: 3,95 Euro    

19. Mai 2009    


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