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MELDUNG/080: Ronald Searle, der Doyen der Karikatur, ist gestorben (Wilhelm Busch Museum)


Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst
Pressemitteilung vom 3. Januar 2012

Ronald Searle, der Doyen der Karikatur, ist gestorben

Ronald Searle, Tourtour 2010 - Foto: © Dominique Plachta

Ronald Searle, Tourtour 2010
Foto: © Dominique Plachta

Der große englische Zeichner Ronald Searle ist am 30. Dezember 2011 in Draguignan (Provence) im Alter von 91 Jahren gestorben. In mehr als sieben Jahrzehnten hat er mit seinen Karikaturen, seinen Illustrationen und Reportagezeichnungen, seinen werbegrafischen Arbeiten und Animationsfilmen ein einzigartiges Lebenswerk von internationalem Rang geschaffen. Ein unverwechselbarer, meisterhafter Strich, kombiniert mit britischem Humor, reichem Wissen, einer nie erlahmenden Neugier und Phantasie sowie einer tiefen Menschlichkeit haben Ronald Searle ausgezeichnet und zu einem der einflussreichsten Karikaturisten seiner Zeit werden lassen.

Der Nachlass des seit Jahrzehnten in Tourtour in Südfrankreich lebenden Künstlers befindet sich seit Ende 2010 als Dauerleihgabe der Stiftung Niedersachsen im Museum Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover. Das Museum besitzt bereits seit Ende der 1990er Jahre auch die wissenschaftliche Bibliothek des Künstlers zur Geschichte der Karikatur, seine Sammlung historischer Karikaturen sowie sein persönliches Archiv.

Das Deutsche Museum für Karikatur und Zeichenkunst trauert um einen großen Künstler und einen guten Freund.


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Leben und Werk

1920 im englischen Cambridge geboren, veröffentlichte Ronald Searle bereits als Fünfzehnjähriger seine ersten Cartoons in den Cambridge Daily News. 1938 begann er mit einem Stipendium das Studium an der Cambridge School of Art, doch schon ein Jahr später wurde er zur britischen Armee einberufen und 1942 zum Kriegseinsatz in den Fernen Osten geschickt. Die Erlebnisse als junger Soldat in japanischer Kriegsgefangenschaft während des Zweiten Weltkrieges prägten Searle nicht nur menschlich: im thailändischen Dschungel wurde Zeichnen für ihn zur Überlebensstrategie. Aus dieser Zeit des Krieges und der Gefangenschaft nahm Searle aber auch ein tiefes Wissen um die vielfältige menschliche Natur mit auf seinen künstlerischen Weg. Ein Wissen, das als Grundton in all seinen Zeichnungen stets mitschwingt.

Der Denker, 1977 - © Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkuns

Der Denker, 1977
© Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft avancierte Ronald Searle in kürzester Zeit mit Karikaturen u.a. in der satirischen Zeitschrift Punch und vor allem seinen Geschichten um die Schulmädchen von St. Trinian's zu einem der bekanntesten Karikaturisten in England. Seine Reportagezeichnungen von Reisen durch Europa, dem Nahen Osten oder dem amerikanischen Kontinent machten ihn in den 1960er Jahren international bekannt und seine Animationszeichnungen für Trickfilme öffneten ihm die Türen Hollywoods. In seinen großen Bilderzyklen der 1970er und 1980er Jahre spielten Tiere, besonders Katzen, eine zentrale Rolle: als vergnügliches Bestiarium mit sehr menschlichen Verhaltensweisen. Im Alter von 75 Jahren nahm Ronald Searle das Angebot der französischen Tageszeitung Le Monde an und veröffentlichte dort 13 Jahre lang regelmäßig politische Karikaturen. Diese über 200 Blätter stellen ein eindrucksvolles Spätwerk dar, in dem die Themen Krieg und Macht eine zentrale Rolle spielen.

Zirkuskatze, heimlich Hamlet probend, 1980 - © Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

Zirkuskatze, heimlich Hamlet probend, 1980
© Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

Ronald Searle war in erster Ehe mit der Journalistin und Verlegerin Kaye Webb verheiratet. Aus dieser Ehe stammen seine beiden Kinder, die Zwillinge Kate und John. 1961 zog Ronald Searle nach Paris, wo er 1967 seine zweite Frau, die Künstlerin und Bühnenbildnerin Monica Koenig-Stirling, heiratete. Von 1977 an lebten Monica und Ronald Searle in Tourtour in Südfrankreich. Dort ist Monica Searle im Juli 2011 gestorben.


Ronald Searle und Hannover

Die Kontakte des Deutschen Museums für Karikatur und Zeichenkunst zu Ronald Searle reichen zurück in das Jahr 1963, als erstmals Zeichnungen des Künstlers in einer Ausstellung über die satirische englische Zeitschrift Punch präsentiert wurden. Nach Einzelausstellungen 1965 und 1976 - sowie verschiedenen Ankäufen einiger Zeichnungen des Künstlers - folgte 1996 eine große Werkschau, die zugleich die Biografie und persönliche Facetten des Künstlers in den Fokus rückte: Die Zeit der japanischen Kriegsgefangenschaft ebenso wie die Reisen mit seiner Ehefrau Monica und die Freundschaft mit Künstlern aus den unterschiedlichsten Ländern. Darüber hinaus erwies sich Searle in dieser Ausstellung mit einer Auswahl von Arbeiten aus seiner eigenen Sammlung historischer Karikaturen als profunder Kenner der Geschichte seiner eigenen Kunst.

1996 und 1998 konnte in zwei Schritten Searles gesamte Sammlung historischer Karikaturen und zugleich seine herausragende Bibliothek zu Geschichte und Theorie der Karikatur mit Unterstützung von Rudolf Ensmann, dem langjährigen Mäzen des Museums, und der Depfa-Bank (heute Aarealbank) Wiesbaden erworben werden. Zeitgleich übergab Ronald Searle bereits große Teile seines Archivs an das hannoversche Museum. Die gesamten Erwerbungen konnten in einer Ronald & Monica Searle gewidmeten Ausstellung 2001 präsentiert werden, die von einer großzügigen Schenkung des Künstlerpaares begleitet wurde.

Im Vorfeld der Vorbereitungen der Ausstellung zum neunzigsten Geburtstag von Ronald Searle 2010 zeichnete sich schließlich die Möglichkeit der Übernahme des gesamten Vorlasses von über 2000 Zeichnungen ab: Der englische Künstler mit Wohnsitz in Frankreich betrachtete inzwischen das hannoversche Museum als seine geistige Heimat. Im Dezember 2010 konnte dann die Stiftung Niedersachsen den Vorlass mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Hannover, der NORD/LB, der VGH Hannover, dem Land Niedersachsen und der Landeshauptstadt Hannover erwerben und dem Museum Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst als Dauerleihgabe übergeben.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Januar 2012
Herausgeber:
Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst
Georgengarten, 30167 Hannover
Telefon: +49 511 16 99 99 11
Telefax: +49 511 16 99 99 99
E-Mail: mail@karikatur-museum.de
Internet: www.karikatur-museum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2012