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NEUERSCHEINUNG/581: 10/08 · The Spirit (2) (SB)


Darwyn Cooke, J. Bone, Dave Stewart


The Spirit (2)

Härter als Diamant - Synchron - Hammer-Handy - Zeitbombe - El Morte - Tod via TV - Tag der Toten - Sand



"The Spirit" von Will Eisner gehört zu einer der interessantesten Erscheinungen der Comic-Welt. Ein versehentlich für tot erklärter Polizist entkommt aus seinem Grab und verfolgt fortan als "Spirit" Verbrecher aller Art. Weder reich, noch im Besitz von Superkräften, besteht seine "Berufskleidung" lediglich aus einer kleinen Augenmaske und einem Paar ungewöhnlicher Handschuhe. Da es in vielen Geschichten an ironischen Untertönen nicht fehlt, wirkt der Spirit eher wie eine gelungene Parodie auf seine zahlreichen Superheldenkollegen. Wegen der für die damalige Zeit geradezu revolutionären "kinematographischen" Bildersprache wird "The Spirit", von dem jede Woche eine siebenseitige Story erschien, von vielen Fachleuten als eine der bemerkenswertesten Serien der Comic-Geschichte bezeichnet.

Keiner geringeren Aufgabe, als eben diese legendäre Comic-Serie wiederzubeleben, hat sich der aus Kanada stammende Comic-Zeichner und -Autor Darwyn Cooke gestellt. Der Panini Verlag veröffentlichte die in den USA seit 2007 bei DC erscheinenden Geschichten in ansprechenden, jeweils sechs Ausgaben umfassenden Sammelbänden, von denen bislang zwei erschienen sind. Der bei uns seit Oktober 2008 erhältliche zweite Band enthält die Hefte #7 bis #12, die zwischen August 2007 und Januar 2008 in den USA auf den Markt kamen.

Neben fünf Geschichten von Darwyn Cooke und seinen Mitstreitern J. Bone (Tusche) und Dave Stewart (Farben) enthält der zweite Band drei Kurzgeschichten von Walter Simonson und Chris Sprouse, Jimmy Palmiotti und Jordi Bernet und von Kyle Baker, die einen Monat lang die Vertretung von Darwyn Cooke übernommen hatten. Unter diesen dreien ist es insbesondere der Achtseiter "Synchron" von Palmiotti und Bernet, die ganz im Geiste Eisners steht.

Erzählt wird die kurze Geschichte einer wilden Verfolgungsjagd die durch eines jener typischen, abbruchreifen Mietshäuser führt, das in seinen verschiedenen Stockwerken eine Vielzahl unterschiedlicher Menschen beherbergt, von der jungen Frau, die bei ihrem kranken Großvater wohnt, der sich damit quält, daß er seiner Enkelin die Ausbildung nicht bezahlen kann, über den jungen Familienvater, der in der Klemme steckt, eine alleinstehende Frau, die sich Sorgen um ihre verschwundene Katze macht, und einige andere bis zum Besitzer des Hauses, der nicht schon wieder die Miete erhöhen will, andererseits aber die hohen Steuern nicht bezahlen kann. Der Spirit ist einem Gauner auf den Fersen, der eine Tasche mit Geld geraubt hat. Am Ende seiner wilden Flucht durch besagtes Haus stürzt der Gauner in einen Schornstein oben auf dem Dach. Als Folge seines Sturzes geschieht so einiges: Die Katze taucht wieder auf, ebenso der lange vermißte Schmuck der verstorbenen Frau des alten Mannes, dem jungen Familienvater werden seine Schulden erlassen und dem Hausbesitzer fällt die Beute des Gauners sozusagen auf den Küchentisch, aber auch dieser geht nicht leer aus, denn er erhält die Belohnung, die auf das Finden der Katze ausgesetzt war. Am Ende findet auch die attraktive Enkelin, die ihre Ausbildung jetzt wohl doch machen können wird, im Spirit einen zuvorkommenden Begleiter für ihren Nachmittagsausflug, auf den der gebrechliche Großvater sie leider nicht begleiten konnte.

Den Machern dieser Geschichte ist es auf wenigen Seiten nicht nur gelungen, die Story absolut nachvollziehbar, lebendig und mit realistischen Untertönen in einem schwungvoll-witzigen Zeichenstil zu erzählen, sie verschaffen dem Leser darüberhinaus auf eine Weise Einblick in dieses Haus und die Lebensart seiner Bewohner, an der gewiß auch Eisner, dem es immer wichtig war, mit seiner Arbeit zugleich einen kritischen Kommentar zu den gesellschaftlichen Zuständen seines Landes abzugeben, Gefallen gefunden hätte.

Darwyn Cookes Geschichten unterscheiden sich ein wenig mehr von Eisners "Spirit"-Stories als die eben beschriebene, doch nicht im wesentlichen Punkt, denn auch für Cooke macht die soziale Komponente den eigentlichen Sinn der "Spirit"-Geschichten aus. So sind die Episoden länger und damit auch komplexer - jede Geschichte ist 22 Seiten lang, hat also die etwas mehr als dreifache Länge einer Eisnerschen "Spirit"-Story - außerdem hat Cooke seinen Zeichenstil bewußt anders gehalten. Die sehr stark karikierenden Zeichnungen wirken durch ihre vermeintlich simple Machart und ihren leicht eckigen Stil modern. Ganz im Sinne des Erfinders, denn Cooke übernahm zwar einige der interessantesten Nebencharaktere, versetzte seinen neuen, alten Helden ansonsten aber komplett in die Gegenwart, wo er sich nun mit Gegenwartsproblemen herumschlagen muß, etwa in "Sand", einer Geschichte um die erste Frau, in die der Spirit, damals noch Danny Colt, verliebt war und die nun eine Verbrecherin ist, die in finstere Geschäfte mit einem streng geheimen, hochansteckenden Virus verwickelt ist. Die parallel zu der spannenden Gegenwartshandlung eingeschobenen Rückblenden in dieser sehr gelungenen Geschichte zeichnete, textete und tuschte Darwyn Cooke übrigens in Eigenregie und in einem an den klassischen Eisner angelehnten Stil mit ineinander übergehenden Panels (mehr dazu siehe weiter unten) und in gedeckten Farben.

Leider nur elf Hefte lang konnte Cooke seine Version des "Spirit" aufleben lassen, dann verließ er wegen personeller Umstrukturierungen seinen Posten bei DC. Doch die neue "Spirit"-Reihe wurde weitergeführt. Der bei uns am 23. Januar 2009 erscheinende 3. Sammelband enthält Geschichten aus der Feder von Sergio Aragonés, Mark Evanier, Mike Ploog und Paul Smith sowie den Gaststars Eduardo Risso, Dennis O'Neil und Gail Simone. Man darf gespannt sein ...


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Will Eisner

Will Eisner revolutionierte in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Comic-Zeichenkunst mit neuen gestalterischen Elementen, die den Erzähltechniken des modernen Films vorgriffen. Als Meister seines Fachs beherrschte er die Kunst, mit Bildern zu erzählen, virtuos. Er pflegte einen lockeren, karikierenden Zeichenstil und hatte sich weit von einer Seitenaufteilung in einzelne, deutlich voneinander abgegrenzte Panels entfernt. Die meisten seiner Seiten sind Kompositionen aus ineinander übergehenden Bildern bzw. Bildelementen. Man liest zum einen die Geschichte in den chronologisch aufeinander folgend angeordneten Einzelbildern und gewinnt zum anderen den optischen Eindruck aus dem Gesamtaufbau der ganzen Seite. Dadurch, daß der Leser somit die Geschichte auf mehreren Ebenen, zwischen denen er nach Belieben hin- und herwechseln kann, wahrnimmt, gewinnt das Ganze an Eindruckskraft und Tiefe - was man den vermeintlich "simplen" Zeichnungen bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht zugetraut hätte.

Will Eisner wurde am 6. März 1917 in New York in unmittelbarer Nachbarschaft zur South Bronx geboren. Schon in jungen Jahren veröffentlichte er Zeichnungen in diversen Schülerzeitungen. 1936 entstanden seine ersten professionellen Arbeiten für "Wow, What a Magazine!". 1937 gründete er ein eigenes Studio, in dem auch diverse andere Autoren und Zeichner tätig waren, unter anderem Bob Kane ("Batman") und Jack Kirby ("Captain America"). Eisner arbeitete unter verschiedenen Pseudonymen und erfand zahlreiche Comic-Figuren, unter denen "The Spirit" die berühmteste wurde. Die erste Geschichte mit ihm erschien am 2. Juni 1940 in einem von Eisner gestalteten "Weekly Comic Book", einer achtseitigen Beilage zu den Sonntagsausgaben verschiedener Tageszeitungen.

Als Eisner 1942 eingezogen wurde, überließ er seine Serie Jack Kirby, Joe Simon und anderen, zeichnete sie aber nach seiner Rückkehr 1946 bis 1952 wieder selbst. Zu Beginn der 50er Jahre gründete er die American Visual Corporation und arbeitete seitdem hauptsächlich in der Werbung. Ende der 60er Jahre erwachte bei einigen Verlagen erneut das Interesse am "Spirit", und Eisner, der so klug war, die Rechte an seiner Figur niemals aus der Hand zu geben, veröffentlichte seine alten Geschichten, zeichnete aber auch neue Abenteuer. Ab Ende der 70er Jahre beschäftigte Eisner sich mit der damals noch neuen Form der Graphic Novels und wurde einer ihrer ersten und wichtigsten Vertreter. Ohne neue Serienhelden zu erfinden, widmete er sich in diesen Werken Themen wie dem Verfall der Großstädte oder den Formen der modernen Kommunikation. Will Eisner starb im Alter von 87 Jahren am 3. Januar 2005.

9. Januar 2009


The Spirit (2)
Darwyn Cooke, J. Bone, Dave Stewart
Panini, Stuttgart, Oktober 2008
148 Seiten, SC mit Faltcover, 16,95 Euro
ISBN 978-3-86607-649-5