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PORTRAIT/010: Jack Kirby, "The King of Comic-Books" (SB)


Jack Kirby


Jack Kirby, mit bürgerlichem Namen Jack Kurtzberg, gehört zu den Zeichnern, die den amerikanischen Comic entscheidend prägten. Während seiner mehr als 50 Jahre währenden Tätigkeit zeichnete "The King of Comic Books", wie man ihn später gerne nannte, so ziemlich alles, was den dortigen Comic ausmacht. Als "Konkurrenz" zum Film entwickelte er einen Zeichenstil von höchster Dynamik, war maßgeblich daran beteiligt, verschiedene Genres wie Superhelden, Romance oder Kid-Comics aus der Taufe zu heben, und trug später verschiedentlich dazu bei, die Superhelden-Landschaft neu zu beleben.

Am 28. August 1917 wurde Jack Kurtzberg als Sohn österreichischer Eltern in New York City geboren. Nach einer ersten Tätigkeit bei einem kleinen Zeitungssyndikat wirkte Kirby ab 1935 meist als Phasenzeichner in den Max Fleischer-Studios an verschiedenen "Popeye"- und "Betty Boop"-Zeichentrickfilmen mit. Doch hier hielt es ihn nicht lange, und schon im Jahr darauf wechselte er zu den Zeitungsstrips über. Für das Lincoln Newspaper Syndicate entwickelte er zahlreiche, allerdings recht kurzlebige Figuren. In dieser Zeit entstanden Serien wie "Buccaneer", "Socko the Seadog", "Cyclone Burke" oder "Abdul Jones".

Ab 1939 arbeitete er für kurze Zeit im Eisner-Igel-Studio mit. Dort schuf er Stories für Comic-Hefte und Superhelden-Serien wie "Blue Bolt" und "Blue Beetle". Aus dieser Zeit stammt auch sein Pseudonym "Jack Kirby", für das er sich entschied, nachdem er eine Zeitlang unter den verschiedensten Namen gearbeitet hatte.

1941 schuf er die "Captain Marvel Adventures" für Fawcett. Noch im selben Jahr wechselte er jedoch zu Timely, dem späterem Marvel-Verlag. Hier kreierte er zusammen mit dem Texter Joe Simon, mit dem er lange Jahre hindurch zusammenarbeiten sollte, eine ganze Reihe von Abenteuerserien, bis ihm mit "Captain America" der Durchbruch gelang. Dieser Superpatriot, auch liebevoll "Cap" genannt, war eigens dazu geschaffen worden, amerikanisches Heldentum und Patriotismus zu verbreiten, was er während der Kriegsjahre unermüdlich und mit kolossalem Erfolg tat.

In dieser Zeit entwickelte Jack Kirby auch seinen typischen, actionreichen Zeichenstil, der sich durch ein Höchstmaß an Dynamik auszeichnete. Um mit dem immer populärer werdenden Medium Film konkurrieren zu können, versuchte er, energiegeladene Figuren zu schaffen, die förmlich aus den Bildern herauszuspringen schienen. Im Zuge dessen führte er auch das Stilmittel der ganz- oder sogar doppelseitigen Illustration in seine Stories ein. Die 35 Folgen von "Captain America", die Jack Kirby damals zeichnete, gelten diese bis heute als einer der wichtigsten klassischen Höhepunkte des Comics.

Seit 1942 arbeiteten Jack Kirby und Joe Simon für National (später DC), wo Serien wie "Sandman" und "Manhounter" entstanden. "Boy Commandos" und "Newsboy Legion", die ebenfalls aus dieser Zeit stammen, wurden zum Vorbild der sogenannten Kid-Comics, spannungsreichen Comics mit Kindern als Hauptpersonen. Daneben arbeiteten Kirby und Simon für weitere Verlagshäuser: Nach Kirbys Armeezeit ab 1945 für Harvey Comics, wo zum Beispiel "Boy's Ranch", einer ihrer wenigen Western, entstand, und 1947 für Hillmann, wo mit "My Date" das erste "romantic comic book" erschien.

Es entstanden noch diverse andere Serien, bevor Jack Kirby 1956 zum Zeitungsstrip zurückkehrte und zusammen mit Wally Wood den Daily Strip "Skymasters" erfand. 1958 entstanden für DC die "Challengers of the Unknown" und, wiederum mit Simon, von dem er sich zwischenzeitlich getrennt hatte, "The Fly" und "Private Strong".

Ab 1959 arbeitete Kirby wieder für Timely/Marvel, wo er verschiedene Action- und Horror-Serien ins Leben rief. In Zusammenarbeit mit Stan Lee, dem Marvel-Direktor, der die Aufgabe bekommen hatte, das Superheldenkonzept grundlegend zu erneuern, entstanden 1961 die "Fantastic Four", die ersten Superhelden, die trotz ihrer Superkräfte auch ganz normalen Alltagsproblemen ausgesetzt waren. Mit diesen neuen Helden, für die die Bezeichnung "Superhelden mit Superproblemen" geprägt wurde, konnten sich die Leser viel stärker identifizieren. Das neue Konzept schlug ein wie eine Bombe. Eilig zogen andere Verlagshäuser nach und nahmen eine Umgestaltung ihrer Helden nach dem neuen Muster vor, so sah sich zum Beispiel auch Superman plötzlich von einer Reihe privater und persönlicher Probleme heimgesucht.

Als weitere Serie dieser neuen Superhelden-Ära folgte 1962 "Thor"; 1964 wurde in diesem Zuge auch "Captain America" wieder zu neuem Leben erweckt, der nun ebenfalls mit persönlichen Problemen zu kämpfte und Schwierigkeiten hatte, sich in der Welt zurechtzufinden. Seine lange Abwesenheit erklärte man damit, daß er seit Kriegsende in einem arktischen Eisblock eingefroren war, womit man auch gleich eine Begründung dafür hatte, daß er in dieser Zeit nicht gealtert war.

Jack Kirby arbeitete an der Entstehung etlicher weiterer Serien mit, die er in der Regel eine Weile lang selber zeichnete, bevor er sie abgab und sich wieder einem neuen Thema zuwandte. So entstanden unter anderem "The Avengers", "Hulk", "Silver Surfer", "X-Men" und viele andere. Umstritten ist seine Rolle bei der Erfindung von "Spiderman"; zumindest Kirby selbst bezeichnete sich gerne als den "wahren Erfinder" des Spinnenmenschen.

Auf der Höhe seines Ruhms, 1970, wechselte Jack Kirby nach Streitigkeiten mit Stan Lee als Manager und Zeichner zu DC. Auch hier entstand wieder eine Vielzahl von Serien, unter anderem "Jimmy Olsen", "Demon", "Sandman" etc. Auch eine zwar vielgelobte, finanziell allerdings nicht so erfolgreiche Fantasy Fiction-Serie namens "Fourth World", war darunter. Sie bestand aus drei Einzelserien, "New Goods", "Mr. Miracle" und "Forever People", die zum Teil philosophische Probleme und Fragen aufgriffen und ganz im Trend der damaligen Flower Power und Hippie-Bewegung lagen.

Nachdem sein Vertrag abgelaufen war, kehrte Kirby erneut zu Marvel zurück, wo er unter anderem eine Comic-Adaption des Films "2001 - Odysee im Weltraum" von Stanley Kubrick schuf. Weitere Serien aus dieser Zeit sind unter anderem "The Eternals" oder "Machine Man".

Ende der 70er Jahre endete die Zeit der ganz großen Comic-Erfolge Jack Kirbys, was den Unermüdlichen jedoch keineswegs von neuen Aktivitäten abhielt. Anfang der 80er Jahre gründete er einen eigenen Verlag, die Kirby Pacific Comics, und war auch hier Wegbereiter, denn es handelte sich um einen der ersten Independent-Verlage, die ihre Comics mit "direct sales", Lieferungen direkt an Comic-Buchhändler, ohne Zwischenstufe über Kiosk-Vertriebe, an die Leser brachten. Nachdem sein Verlag Konkurs anmelden mußte, wechselte Kirby schließlich noch einmal in das Trickfilmfach, wo er für Hanna & Barbera und Marvel tätig war. Doch auch in dieser Zeit arbeitete er immer noch an der Gestaltung von Comics und Serien mit, so griff er unter anderem den "Silver Surfer" wieder auf.

Gegen Mitte der 80er Jahre focht Jack Kirby einen Rechtsstreit mit Marvel aus, bei dem es um Tantiemen und seine Rechte an den Originalzeichnungen ging, von denen mehrere tausend in den Marvel-Archiven lagerten. Weiteres Aufsehen erregte ein Interview, das er im Jahr 1989 dem Kritiker Gary Groth gab und das im Februar 1990 in "The Comics Journal", dem renommiertesten amerikanischen Comic-Fachmagazin, erschien. Er nannte Stan Lee einen Ausbeuter, der sich an der Arbeit anderer bereicherte und betonte, der eigentliche Erfinder aller großen Marvel-Helden gewesen zu sein.

Jack Kirby, "The King of Comic Books", verstarb am 7. Februar 1994 an Herzversagen.


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Wie konnte der Mann ein derartiges Pensum bewältigen, wird sich manch einer angesichts dieser ungeheuren Fülle vorliegenden Materials fragen.

Es lag wahrscheinlich hauptsächlich an seiner direkten Art, an die Dinge heranzugehen, die ihn zu dieser enormen Produktivität befähigte. Ein schier unerschöpflicher Ideenreichtum, mit dem es ihm gelang, immer wieder neue, belebende Aspekte in das Comic-Genre einzubringen, war gekoppelt mit einer recht ungewöhnlichen Zeichentechnik, bei der er ohne lange Vorzeichnungen, Konzepte oder Pläne, man möchte fast sagen "einfach drauflos" zeichnete. Die Geschichten schienen simultan in seinem Kopf und auf dem Zeichenkarton zu entstehen, und oft genug zeichnete er die ersten Seiten einer Geschichte, ohne zu wissen, wie er sie enden lassen sollte. Als eine der wenigen Ausnahmen kam er während seiner gesamten Laufbahn ohne Scripts oder fotografisches Hintergrundmaterial aus.

Dramaturgische oder zeichnerische Fragen, die für Jack Kirby ohnehin eine Einheit bildeten, löste er, indem er sie auf die für ihn einzig wichtige Frage reduzierte, und die lautete: "Was passiert im nächsten Bild?" In seinen Comics findet man nichts, was nicht eine unmittelbare Bedeutung für den Fortlauf der Geschichte hätte. Bild- und Stilelemente wie kräftige Konturen, prägnante Schwarzflächen und dynamische Schraffuren setzte er gezielt und ausschließlich funktional ein, das heißt, um die Geschichte voranzutreiben. Der Erfolg, den er damit hatte, spricht für sich.

16. Januar 2007