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BERICHT/037: Die Legende vom Werwolf - Sage vom "Morbach Monster" (JOGU Uni Mainz)


[JOGU] Nr. 206, November 2008
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Ich bin kein Monsterjäger

Legende vom Werwolf


Der Kulturwissenschaftler Matthias Burgard hat die Sage vom "Morbach Monster" untersucht. Außergewöhnlich an der im Hunsrück spielenden Werwolf-Legende ist, dass sie keinen historischen lokalen Ursprung hat, sondern zuerst von US-amerikanischen Soldaten im 20. Jahrhundert erzählt wurde. Matthias Burgard ist der Legende ganz genau auf den Grund gegangen. Im Gespräch mit der JOGU erzählte der 26 Jahre alte Doktorand der Kulturanthropologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von Werwölfen, Feldforschung im Hunsrück und im Internet sowie einem neuen Bild der eigenen Heimat.

JOGU: Wann haben Sie eigentlich selbst zum ersten Mal von der Sage des "Morbach Monster" gehört, Herr Burgard?

BURGARD: Den Anstoß für das Forschungsprojekt gab ein Gespräch mit meinem Bruder an Halloween 2006 über Gruselgeschichten aus der Region. Da hörte ich von Werwolfssagen aus der Region und machte mich auf die Suche nach Belegen. So habe ich auf der Internetseite des amerikanischen Forschers D. L. Ashliman die Sage vom "Morbach Monster" gefunden.

JOGU: Können Sie kurz zusammenfassen, worum es in der Sage geht?

BURGARD: Es handelt sich um eine Werwolfsage, nach der in Wittlich in historischer Zeit der letzte deutsche Werwolf getötet wurde. Seitdem brennt eine ewige Kerze in einem Schrein, bei deren Erlöschen der Werwolf wieder erscheint. In der Sage entdecken amerikanische Soldaten auf dem Weg zum Stützpunkt die erloschene Kerze, scherzen über das Monster und prompt erscheint am selben Abend eine riesige, hundeartige Gestalt am Grenzzaun zum Munitionsdepot in Morbach.

JOGU: Sie kannten diese Sage vorher nicht?

BURGARD: Nein, obwohl ich aus der Region stamme, war die Sage für mich neu. Das hat mein Interesse besonders geweckt. Und als ich ein Thema für meine Magisterarbeit suchte, hat mich der Gedanke immer mehr begeistert, die Sage vom "Morbach Monster" zu erforschen.

JOGU: Ihre Arbeit ist ein Stück klassisch-volkskundlicher Feldforschung, die Spurensuche im Wald haben Sie dabei ausgelassen?

BURGARD: Ja - ich bin schließlich kein Monsterjäger. Die Feldforschung stand zunächst im Mittelpunkt, wobei ich neben der persönlichen Befragung auch stark auf das Internet als Kontaktmedium setzen musste. Denn es zeigte sich schnell, dass diese Sage in den betroffenen Gemeinden Morbach und Wittlich bei der Bevölkerung überhaupt nicht bekannt ist. Über Web-Foren und von Bekannten vermittelte Kontakte gelang es mir dann aber, amerikanische Soldaten zu befragen. Und während bei 27 Befragungen in Morbach sowie 35 Gesprächen in Wittlich kein einziger Interviewpartner die Sage kannte, kannten sechs von 24 amerikanischen Soldaten das "Morbach Monster".

JOGU: Hatten Sie dieses Ergebnis erwartet?

BURGARD: Es bestätigte jedenfalls meine Hypothese, dass es sich hier um eine amerikanische Soldatensage handelt. In meiner Arbeit, die jetzt als Monografie erscheint, habe ich die Sage deshalb in der klassischen Soldatenfolklore und der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts verortet.

JOGU: Wie spielen der Werwolfglaube, Soldatensagen und diese Zeit denn zusammen?

BURGARD: Es gibt zum Beispiel die paramilitärischen deutschen "Werwolf"-Gruppen, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges die amerikanischen Truppen aus der Bevölkerung oder aus dem Hinterhalt im Wald heraus angreifen sollten. Strategisch hatte das kaum eine Bedeutung, aber die psychische Belastung für die Soldaten durch diese diffuse Gefahr war umso größer. Ich gehe davon aus, dass dieses Motiv sich auch in der Sage des Morbach Monster wiederfindet. Ansonsten treffen wir hier auf die klassischen Elemente von Soldatenfolklore: Die Sage stärkt die Identität der Gruppe und warnt vor der gefährlichen Fremde im Auslandseinsatz. Die Lust am Gruseln, die Fokussierung diffuser Angst und die Möglichkeit zur Kompensation der komplexen Lebenswirklichkeit charakterisieren allgemein das Genre der Schauersagen.

JOGU: Glauben Sie denn selbst an den Werwolf?

BURGARD: Nein. Aber beim Spaziergang im Hunsrücker Wald stellte ich doch fest, dass sich mit dem Hintergedanken an die Sage mein eigenes, unterbewusstes Bild dieses Ortes ein wenig zur amerikanischen Perspektive hin verändert hat. Das individuelle kulturelle Bild einer Landschaft kann sich eben durch Einflüsse wie Sagen ändern - das erlebt man am eigenen Leib.

JOGU: Hat Ihre Arbeit die Einwohner von Wittlich und Morbach eigentlich stärker auf die Sage aufmerksam gemacht?

BURGARD: Bisher haben ein oder zwei Morbacher schon großes Interesse gezeigt, und die Medien werden gerade neugierig auf die Geschichte. Dabei gibt es schon länger Verbindungen zwischen der Sage und dem Leben in der Region, die aber nicht kollektiv bewusst gewesen sind. So heißt zum Beispiel das lokale American Football-Team "Morbach Monsters", und das Logo der Mannschaft zeigt auch einen Werwolf mit blitzenden Augen und leuchtendem Fang. Der Name stammt vom Coach der Footballer, der als Fantasy-Fan die Sage kannte, aber selbst nicht aus Morbach stammt.

JOGU: Haben Sie sich bei ihrer Arbeit eigentlich an Vorbildern aus der Volkskunde orientiert?

BURGARD: Oh ja. Wichtige Anregungen hat mir auf jeden Fall der mittlerweile verstorbene Erzählforscher Lutz Röhrich gegeben. Röhrich war der erste Professor für Volkskunde in Mainz. Auch von Matthias Zender und seinen Aufzeichnungen aus der Eifel habe ich mich inspirieren lassen.

JOGU: Verfolgen Sie das Thema Sagenforschung nun weiter?

BURGARD: Ich werde im Wintersemester das Proseminar "Moderne Sagen" anbieten und möchte dabei mit den Studierenden wenn möglich moderne regionale Sagen sammeln. Meine Dissertation beschäftigt sich aber mit einem ganz anderen Thema: Dem Heimwehtourismus russlanddeutscher Spätaussiedler.


Das Gespräch führte Peter Thomas

Information: Burgards Monografie "Das Monster von Morbach" erscheint im Winter 2008 im Waxmann Verlag als Band in der Reihe "Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde" der Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz


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Die Sage vom Morbach Monster

Hast Du je vom Morbach Monster gehört?

Ich habe die Sage kennen gelernt, als ich auf der Luftwaffenbasis Hahn in Deutschland stationiert war. In Morbach war das Munitionsdepot untergebracht, etwas außerhalb der Kleinstadt Wittlich.

Wittlich gilt übrigens als letzte Stadt, in der ein Werwolf getötet wurde. Es gibt da einen Schrein etwas außerhalb der Stadt, in dem immer eine Kerze brennt. Nach der Legende wird der Werwolf zurückkehren, wenn die Kerze jemals erlischt.

Eines Abends war eine Gruppe von Sicherheitspolizisten auf dem Weg zu ihrem Posten in Morbach, als sie entdeckten, dass die Kerze im Altar erloschen war. Alle machten daraufhin Scherze über das angebliche Monster.

Später in derselben Nacht lösten Sensoren am Grenzzaun Alarm aus. Als die Sicherheitsleute dem Alarm nachgingen, sah einer von ihnen eine große, "hundeartige" Gestalt, die sich auf ihre Hinterläufe stellte, ihn ansah und über den drei Meter hohen Maschendrahtzaun sprang. Ein Wachhund des Militärs wurde an die Stelle geführt, an der die Kreatur zum letzten Mal gesehen wurde, aber der Hund wurde panisch und weigerte sich, die Spur zu verfolgen.

Das geschah um das Jahr 1988.

(Übersetzung der englischen Fassung, die D. L. Ashliman 1997 per E-Mail zugetragen wurde.)


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Quelle:
[JOGU] - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 206, November 2008, Seite 24-25
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: AnetteSpohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2009