Schattenblick → INFOPOOL → BILDUNG UND KULTUR → FAKTEN


SPRACHE/919: "Im März diesen oder dieses Jahres?" Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache Mannheim (idw)


Institut für Deutsche Sprache - 03.03.2016

"Im März diesen oder dieses Jahres?" Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache Mannheim


Die 52. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache findet vom 8.-10. März 2016 im Congress Center Rosengarten in Mannheim statt und befasst sich mit dem Thema: "Grammatische Variation".

In der Öffentlichkeit ist die Meinung weit verbreitet, bei der Grammatik einer Sprache handele es sich um ein festgefügtes System von Regeln und Vorschriften, das eindeutige Zuordnungen in beispielsweise "richtiges" oder "falsches" Deutsch zulässt. Natürliche Sprachen sind aber keine für die Ewigkeit festgefügten Gebilde. Sie unterliegen einem stetigem Wandel. Dies kann zu sprachlichen Unsicherheiten bei den Sprecherinnen und Sprechern führen.

Viele Sprecherinnen und Sprecher sind der Auffassung, bei der Grammatik einer Sprache handele es sich um ein festgefügtes System von Regeln und Vorschriften, das eindeutige Zuordnungen in beispielsweise "richtiges" oder "falsches" Deutsch zulässt. Daraus erklärt sich das Unbehagen der Sprecherinnen und Sprecher, wenn sie in Situationen geraten, in denen sie sich ihrer Grammatik nicht mehr sicher sind: Findet die Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache im "März diesen Jahres" oder im "März dieses Jahres" statt? Muss es "des Verstandes" heißen oder "des Verstands"? Nehmen wir "mit großem spürbaren Unwillen" oder "mit großem spürbarem Unwillen" an einer Prüfung teil? Wie drücke ich meine Überraschung darüber aus, dass meine beste Freundin mit meinem besten Freund ins Kino geht? Durch die Frage "Du und Peter gehen ins Kino?" oder durch "Du und Peter geht ins Kino?"

Die sprachliche Unsicherheit bei diesen Beispielen weist auf keine grammatischen Schwächen des Sprechers/der Sprecherin hin, sondern zeigt ein wesentliches Charakteristikum natürlicher Sprachen auf. Sie stellen keine für die Ewigkeit festgefügten Gebilde dar, sondern sind dynamische Systeme, die stetigem Wandel unterliegen:

Grammatische Variation ist der Sprache inhärent und auch aus dem Standarddeutschen nicht wegzudenken (nicht umsonst gibt es Nachschlagewerke und selbsternannte Sprachpfleger, die sich ausschließlich mit Zweifelsfällen der deutschen Sprache auseinandersetzen). Ein und dieselbe Bedeutung oder Funktion kann mit unterschiedlichen grammatischen Mitteln realisiert werden; umgekehrt gilt, dass eine sprachliche Form oder Struktur auch unterschiedliche Funktionen ausüben kann (so kann "Kannst du mir das Salz reichen?" als Frage oder Aufforderung verstanden werden). Variation kann zum einen wie in den oben genannten Beispielen grammatikintern bedingt sein, indem die Grammatik eines Individuums in einem Kontext anscheinend verschiedene Varianten zulässt. Darüber hinaus können die Varianten durch außersprachliche Faktoren bedingt sein wie Alter der Sprecherin/des Sprechers ("Junge" als Anredeform unter Mädchen), Region/dialektaler Hintergrund (standarddeutsch "parken" vs. schweizerdeutsch "parkieren"), Register (hochsprachlich "das Buch, das ich mir ausgeliehen habe" vs. umgangssprachlich "das Buch, was ich mir ausgeliehen habe"), Medium (schriftlich "Hast du verschlafen?" vs. mündlich "Hasde verschlafen?") und Einflussgrößen wie Textsorte/Genre (Zeitungsartikel vs. persönlicher Brief vs. SMS). Im Rahmen der Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache soll das Phänomen grammatischer Variation aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie verschiedene Formen der grammatischen Variation im Deutschen mit Methoden der modernen Linguistik erfasst, analysiert und theoretisch modelliert bzw. erklärt werden können.

Das vollständige Tagungsprogramm findet sich unter:
http://www.ids-mannheim.de/org/tagungen/program2016.html

Zu der Tagung werden wieder über 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus rund 25 Ländern erwartet.

Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) ist die zentrale außeruniversitäre Einrichtung zur Erforschung und Dokumentation der deutschen Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte. Es gehört zu den 89 Forschungs- und Serviceeinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.

Näheres unter:
www.ids-mannheim.de
www.facebook.com/ids.mannheim und
www.leibniz-gemeinschaft.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution115

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Deutsche Sprache, Dr. Annette Trabold, 03.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang