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BUCHTIP/1116: Wie Blackwater den Krieg gewann (ai journal)


amnesty journal 04/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

Wie Blackwater den Krieg gewann
In seiner beeindruckenden Enthüllungsgeschichte beschreibt der US-Journlist Jeremy Scahill den Aufstieg des mächtigsten Sicherheitsunternehmens der Welt.

Von Stefan Wirner


Es war ein Massaker wie so viele, die im Irak verübt werden, und dennoch war am 16. September des vorigen Jahres in Bagdad etwas anders als sonst. An diesem Sonntag töteten nicht Selbstmordattentäter Dutzende Menschen auf einem Marktplatz, und es waren auch keine US-amerikanischen Soldaten, die sich tödliche Feuergefechte mit Aufständischen lieferten.

Diesmal waren es Mitarbeiter des Privatunternehmens "Blackwater", die ein Massaker unter der Bevölkerung anrichteten. Sie waren zum Schutz eines Konvois des US-amerikanischen Außenministeriums eingeteilt worden. Als ein Iraker offenbar eine Warnung eines Polizisten übersah, eröffneten Blackwater-Mitarbeiter unvermittelt das Feuer. Sie erschossen den Fahrer und warfen eine Granate auf den Wagen, in dem sich keine Terroristen, sondern, wie sich später herausstellte, unbewaffnete Zivilisten befanden. 17 Iraker verloren ihr Leben.

Das Massaker ist nur ein Beispiel dafür, welche Rolle private Sicherheitsunternehmen im Irak spielen und in welchem rechtsfreien Raum sie sich bewegen. Eine Untersuchung des US-Militärs kam inzwischen zu dem Schluss, dass es "keinen feindlichen Angriff" gegeben habe und die Schießerei ein "krimineller Akt" gewesen sei. Dennoch werden die Mitarbeiter von Blackwater für ihre Taten nicht bestraft. Anfang Januar berichtete die Nachrichtenagentur AP, dass wichtige Spuren kurz nach dem Zwischenfall beseitigt worden seien. Blackwater habe die beschädigten Lastwagen aus dem Konvoi umgehend reparieren und neu lackieren lassen, ohne dass Ermittler des FBI die Wagen gesehen hatten.

Seit diesen Ereignissen ist Blackwater in die Kritik geraten. Eine umfassende Beschreibung des Unternehmens liefert der US-amerikanische Journalist Jeremy Scahill mit "Blackwater - Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt". Die spannende, gleichzeitig beklommen machende Enthüllungsgeschichte schildert den Aufstieg des Unternehmens, das seinen Firmensitz in Moycock in North Carolina hat, zu einer der größten und zugleich zwielichtigsten Sicherheitsfirmen der Welt.

Gründer von Blackwater ist Erik Prince, ein Multimillionär aus einer Unternehmerdynastie und extrem rechtsgerichteter Christ, wie Scahill ihn beschreibt. Prince hat die Wahlkämpfe von George W. Bush finanziell unterstützt, zu seinen Verbündeten gehört laut Scahill etwa Chuck Colson, einer der Verschwörer in der Watergate-Affäre, den der damalige US-Präsident Richard Nixon seinen "Mann fürs Grobe" nannte. Blackwater verfügt über 2.300 Privatsoldaten, die in neun Ländern tätig sind. Die Firma betreibt mehrere Niederlassungen in den USA und ein Trainingslager auf den Philippinen. Zu ihrem Waffenarsenal gehören Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge. Erst kürzlich gründete sie Scahill zufolge "eine private Geheimdienstbehörde, um privaten Unternehmen CIA-ähnliche Dienste anzubieten".

Das größte Geschäft aber macht Blackwater im Irak. Das Unternehmen erhielt einen Vertrag zum Schutz von Diplomaten im Wert von 700 Millionen Dollar. Möglich wurde dies durch eine Grundsatzentscheidung, die der frühere US-amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Jahr 2001 traf und die als "Rumsfeld-Doktrin" bekannt wurde. Das Pentagon sollte in Zukunft mehr auf private Dienstleister und Sondereinheiten zurückgreifen. Rumsfeld erläuterte damals in dem Artikel "Transforming the Military" in der Zeitschrift "Foreign Affairs": "Wir müssen die unternehmerische Herangehensweise stärker fördern, die die Menschen ermutigt, zu agieren statt zu reagieren und weniger wie Bürokraten zu handeln, sondern mehr wie risikofreudige Investoren." Agieren statt reagieren - 17 Iraker haben im September 2007 dieses Konzept am eigenen Leibe erfahren müssen.

Zu den Blackwater-Söldnern gehören ehemalige Kämpfer von Eliteeinheiten, Ex-Angehörige der chilenischen Armee und zentralamerikanischer Todesschwadrone. Scahill wirft ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen vor: vom Gebrauch nicht genehmigter Munition, die den Körper des Getroffenen zerfetzt, bis hin zu wahllosen Tötungen.

Der Journalist warnt eindringlich vor den Gefahren für die Demokratie, die der Aufstieg von Blackwater mit sich bringe. Bedenklich sei "die rechtslastige Führungsspitze des Unternehmens, ihre Nähe zu einer ganzen Reihe konservativer Anliegen und Politiker, ihre christlich-fundamentalistischen Zielvorstellungen, ihre Geheimdienstkrämerei sowie ihre engen und langjährigen Verflechtungen mit der republikanischen Partei, dem US-Militär und den Geheimdiensten".

Scahill, der für die linksliberale Zeitschrift "The Nation" arbeitet, macht aus seiner Ablehnung der Außenpolitik von George W. Bush keinen Hehl. Zuweilen wird er dabei tendenziös, etwa wenn er Äußerungen des Verteidigungsministeriums als "Propagandaparolen" bezeichnet und im selben Absatz islamistische Hassprediger aus dem Irak unkommentiert zitiert.

Gelegentlich erweckt das Buch auch den Eindruck, der frühere amerikanische Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, habe die Lage in dem Land absichtlich eskalieren lassen, um den Einsatz von Blackwater zu rechtfertigen. Die Rolle, die internationale Terrorgruppen im Irak spielen, bleibt bei Scahill unterbelichtet.

Dennoch offenbart das Buch einen Abgrund. Es zeigt, welch bedenkliche Entwicklung mit der Rumsfeld-Doktrin eingeleitet wurde. Eine Armee unterliegt der demokratischen Kontrolle und dem Gesetz - den Söldnern von Blackwater hingegen wurde von der US-Regierung völlige Straffreiheit für ihr unkontrolliertes Tun zugesichert.

Selbst im eigenen Land wurden Mitarbeiter von Blackwater inzwischen eingesetzt, etwa nach der Hurrikan-Katastrophe in New Orleans im Jahr 2005. Blackwater war damals eher vor Ort als die Hilfe für die Opfer des Sturms. Das Unternehmen schützte Firmen, Banken, Hotels, Industrieanlagen und die Viertel der Reichen vor Plünderungen und erhielt dafür 33,3 Millionen Dollar vom Heimatschutzministerium, wie Scahill schreibt.

Seite für Seite beginnt man sich bei der Lektüre des Buches zu fragen, ob das Szenario einem finsteren Science-Fiction-Thriller entnommen ist: Privatsoldaten, die sich in besetzten Ländern aufführen wie schießwütige Killer und dafür nie zur Rechenschaft gezogen werden und, wenn es darauf ankommt, sogar die eigene Bevölkerung einschüchtern, statt ihr zu helfen.

JEREMY SCAHILL
Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt.
Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 350 Seiten, 22 Euro


Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin.


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Quelle:
amnesty journal, April 2008, S. 34-35
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2008