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SF-JOURNAL/002: Autoren... H.G. Wells, Pionier der Science Fiction (SB)


Herbert George Wells, (21.9.1866-13.8.1946)


Persönliche Daten

Die Lebensgeschichte von Herbert George Wells ist schnell erzählt: Er wurde 1866 in Bromley in der englischen Grafschaft Kent geboren. Seine Mutter war Zimmermädchen, sein Vater Gärtner. Entsprechend der kleinen Verhältnisse, in denen er aufwuchs, begann er zunächst mit 13 Jahren eine Tuchhändlerlehre, aus der er jedoch bald als untauglich entlassen wurde. Wells bildete sich selbst naturwissenschaftlich weiter und fand eine Anstellung als Hilfslehrer. Nachdem er ein Stipendium erhalten hatte, studierte er Naturwissenschaften, wurde Journalist, freier Schriftsteller und war 1933 bis 1936 Präsident des P.E.N.-Clubs.

Welche neuen Akzente H.G. Wells mit seinen Werken gesetzt hat, steht außer Frage, denn er gilt neben Jules Verne als Vater der Science Fiction-Literatur. So oder ähnlich wird er in allen Veröffentlichungen vorgestellt:

Noch ehe jemand vom Fliegen träumte, hat H.G. Wells es anschaulich beschrieben. Als es die Bezeichnung Science Fiction überhaupt noch nicht gab, war Wells ein Pionier dieser Literaturgattung. Fasziniert von dem gewaltigen Einfluß der modernen Wissenschaft auf das menschliche Leben, stellte er sich als geschulter Wissenschaftler die Aufgabe, die Entdeckungen der Laboratorien in phantastische Geschichten zu verarbeiten, in denen er die Zukunft mit erstaunlicher Genauigkeit voraussagte und Anregungen für alle späteren Autoren von Zukunftsromanen gab.
(H.G. Wells: Stern der Vernichtung, 1977, Heyne Science Fiction Classics, Buchrückentext)


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Werke

Wells schrieb, vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt der Zeit um die Jahrhundertwende angesteckt, zunächst Zukunftsgeschichten mit naturwissenschaftlich-praktischen Inhalten. Dabei orientierte er sich an Jules Verne. Aber bald setzte er einen anderen Schwerpunkt. Er legte in seinen nun zahlreich erscheinenden Kurzgeschichten immer mehr Wert auf die Darstellung sozialer Entwicklungen.

1895 veröffentlichte er seinen ersten Science Fiction-Roman, "The Time Machine". Es folgten viele Romane, die heute zu Klassikern auf dem Gebiet der Science Fiction oder zu wesentlichen Vorläufern geworden sind wie "Der Krieg der Welten" (1898) oder "Jenseits des Sirius" (1905).

Wie populär die Auseinandersetzung mit Science Fiction-Inhalten bei den Lesern zu jener Zeit schon geworden war, zeigte der Aufruhr, den die Hörspielfassung von H.G. Wells "War of the World" verursachte. 1938 schrieb Orson Welles dieses Werk in eine zum Verwechseln echte Hörspiel-Reportage um. Sie löste in New York eine Panik aus, versetzte Hunderttausende in Angst und Schrecken, die das Hörspiel für einen Tatsachenbericht hielten: Marsbewohner landen auf der Erde und erobern mit Kriegsmaschinen und Hitzestrahlern England, bis sie selbst Opfer von Mikroorganismen werden.

In allen Romanen und Kurzgeschichten spiegelt sich das zunehmende sozialkritische, politische Engagement von Wells wider. Er hielt zunächst Kontakt zu Lenin, Stalin und Roosevelt und träumte von einem pazifistischen Weltstaat. Später entwickelte er sich zu einem gemäßigten Sozialisten und entwarf Sozialutopien. Zeitweise war er Mitglied der Fabian Society, die aus Sozialisten bestand und die Grundlage für die britische Labour Party bildete.

In "Man like Gods" (1923) werden die Menschen mit einer Parallelwelt konfrontiert, in der es keine Herrschaft des Menschen über den Menschen und kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr gibt.


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Leseproben

Hier ein kleiner Eindruck vom Inhalt der Kurzgeschichten, die um die Jahrhundertwende den neuen, billigen Massenpublikationen reißenden Absatz verschafften. Man nennt sie "Pulp Magazines", großformatige Magazine mit schlechtem Papier (pulp) und Druck. Besonders in einem dieser Magazine, dem "Strand Magazine", gab es viele Stories von H.G. Wells.

Der Wohltäter

Edward George Eden begegnet dem kleinen, alten Mann mit dem gelben Gesicht, der sein Leben verändert. Eden wird als junger Mann in den Körper dieses Alten transferiert, damit der andere unsterblich bleibt.

Vor zwei Tagen war ich ein gesunder junger Mann, vor dem noch ein ganzes Leben lag; nun bin ich ein wütender alter Mann, ungepflegt, verzweifelt und elend, der sich in einem großen, fremden Haus herumtreibt, den jeder beobachtet, fürchtet und aus dem Wege geht. Und in London fängt Elvesham mit dem Wissen und der Erfahrung von 70 Jahren in einem starken, gesunden Körper ein neues Leben an. Er hat mir mein Leben gestohlen. (...) Er hat praktisch das Problem der Unsterblichkeit gelöst. Bis auf die Möglichkeit eines Zufalls wird er in meinem Körper weiterleben, bis er wieder alt ist, und dann abermals Jugend und Kraft eines anderen Opfers annehmen. Wenn man an seine Herzlosigkeit denkt, ist es eine furchtbare Überlegung, daß dieses ständig wachsende Wissen... Wie lange mag er schon so von Körper zu Körper gesprungen sein?"
(S. 31f)


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Das Kristall-Ei

Der Antiquitätenhändler C. Cave entdeckt, daß er durch das wertlose Kristall-Ei in seinem Schaufenster in eine fremde Welt sehen kann, was lebensgefährlich für ihn wird. Die Welt beobachtet die Erde.

Ich glaube, der Kristall auf dem Mars und das Kristall-Ei Mr. Caves stehen in irgendeinem physischen, wenn auch gegenwärtig unerklärlichem Sinne en rapport, und wir glauben ferner, daß der irdische Kristall - wahrscheinlich in weit zurückliegender Zeit - von jenem Planeten hierhergeschickt worden ist, um den Marsbewohnern ein Bild von den Verhältnissen auf der Erde zu ermöglichen. Möglicherweise befinden sich die Gegenstücke zu den Kristallen auf den anderen Masten auch auf unserer Erdkugel. Und möglicherweise wird bald wieder ein Kristall-Ei entdeckt. (S. 45)


(Die beiden Beispiele sind entnommen aus H.G. Wells: Stern der Vernichtung, 1977, Heyne Science Fiction Classics)


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Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1997

5. Januar 2007