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SF-JOURNAL/068: Bücher - "Sternenabenteuer Titan", Bd. 31-32, die Fortsetzung (SB)


"Sternenabenteuer Titan"

Tränenmelodie und Das Lächeln der Angst


Geht es hier um ein Leben in der Zukunft - oder doch schlicht: um die Realität?

Erinnerungen und auch Angst-Erlebnis-Verknüpfungen entstehen, wenn Nervenzellen neue Kontakte zu ihren Nachbarzellen aufbauen oder bestehende Kontakte verstärken. Für die Signalübertragung an solchen Kontaktstellen sind sogenannte Eph-Rezeptoren wichtig, die auf der Oberfläche der Nervenzellen sitzen und eine Art Antennenfunktion ausüben. [...]

Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Neurobiologie und Psychiatrie und des Klinikums Großhadern (LMU) haben nun ein Molekül erforscht, das die Menge der Eph-Rezeptoren auf der Oberfläche von Nervenzellen kontrolliert. Rin1, so der Name des Moleküls, [...]

Rin1 ist das erste bekannte Molekül, das die Verfügbarkeit von Eph-Rezeptoren im erwachsenen Gehirn begrenzt. "Wir beginnen allmählich zu verstehen, wie Emotionen mit Erlebnissen auf molekularer Ebene verbunden werden", sagt Rüdiger Klein, der Leiter der Studie.
(Informationsdienst Wissenschaft e.V. - idw -, vom 05.08.2008
http://idw-online.de/pages/de/news273053)

Es könnte eine dieser täglichen Meldungen vom "Informationsdienst Wissenschaft" oder ähnlicher Quellen gewesen sein, welche die Autoren der SF-Serie "Titan Sternenabenteuer" angeregt hat, die inhaltlichen Konsequenzen daraus zur düstersten Zukunftsvision werden zu lassen. In Band 31, "Tränenmelodie", entwickelt Michelle Stern mit der Gestalt von Benyam Eriksson, der Hauptperson des Romans, die erschreckendsten Möglichkeiten für politische Ambitionen, wenn es gelingen könnte, Emotionen zu manipulieren:

Mit unmenschlicher Ausdauer war er Schläfer und Agent von Menschmaschine gewesen und musste die widerlichsten Aufträge erfüllen. Immer wieder hatten sie in seinem Gehirn herumgewühlt, und immer wieder hatte Benyam es unbeschadet überstanden. Die Manipulation seiner Spiegelneurone, die durch Drogen gesenkte Wirksamkeit der Hemmprogramme in gewissen Situationen und die Abtötung jeglicher sozialer Moralvorstellungen, für die man die vordere Hälfte seines Frontallappens bearbeitet hatte - all das hatte ihm kaum geschadet. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Söldnerzunft."
(Seite 17)

"Menschmaschine", die härteste Söldnertruppe des Planeten Erde, hat noch weitere kleine Erfindungen auf Lager, um die Emotionen nicht nur ihrer Agenten zu beeinflussen, sondern in diesem Fall auch, Gegner auszuschalten. Die technische Lösung dieses Problems gibt Andrä Martyna in Band 32, "Das Lächeln der Angst", dem persönlichkeitveränderten Sato/Akira in die Hand, ebenfalls Mitglied des Söldnerbunds:

"In meiner Tasche befindet sich ein kleines aber effektives Gerät, das einige interessante Eigenschaften hat. [...] Ein zweites Feld nimmt Einfluss auf die menschliche Psyche. Die Auswirkungen des Emotionsfeldes sind regulierbar. Da das Feld Schwingungen erzeugt, die direkt mit den menschlichen Gehirnwellen interferieren, ist die Wirkung unmittelbar. Zurzeit sendet das Gerät auf der Frequenz, die den Aggressionstrieb in einem Menschen vollständig ausschaltet."

Natürlich wird das Gerät auch eingesetzt - mit Folgen, die hier lieber nicht verraten werden ...


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Nun gibt es also die Fortsetzung und zugleich einige Eröffnungen in der atemberaubenden Geschichte um Shalyn Shan, Benyam Eriksson und Michiko und den drei eng zulaufenden Handlungssträngen, die am Ende von Band 32 Höhepunkt und Ende finden.

Dem wohlinformierten Science Fiction-Freund ist die Heftromanserie "Titan Sternenabenteuer" sicher noch bekannt unter dem Titel "Raumschiff Promet", ein SF-Zyklus, der 1971 mit viel Engagement vom Perry Rhodan-Autor Kurt Brand als geistigem Vater und Exposé-Autoren gestartet wurde. Wie sich die alte Promet-Saga zum hochmodern gestalteten Titan Sternenabenteuer entwickelt hat, ist u.a. im "SF- JOURNAL/067: Bücher - Für Serien-Fans "Sternenabenteuer Titan" (SB)" nachzulesen (siehe www.schattenblick.de/infopool/bildkult/litera/sfbu008.html).

Die Hauptfigur ist die Suuranerin Shalyn Shan, die mit ihrer exotischen Crew des Raumers TITAN zu den Berühmtheiten auf Terra zählt. Die Handlung spielt in einer beklemmend realistischen Zukunft, in der wissenschaftliche, technische und politische Ansätze auf so nachvollziehbare Weise wie eingangs demonstriert fortgedacht sind, daß die von "Science Fiction" in "Dark Fiction Thriller" abgewandelte Bezeichnung der Serie ihrem Namen alle Ehre macht. Die Szenarien sind meist verlassene Orte, die heruntergekommen oder ganz zerstört sind. Die temporeiche Handlung enthält Elemente der Kriminalerzählung, die Kleinkriege und Intrigen zwischen Wirtschaftsunternehmen und Regierung sowie Umweltkriminalität sind dem klassischen Thriller nachempfunden und sinnliche Szenen gönnen dem strapazierten Leser einen Moment der Ruhe und emotionalen Beteiligung, gepaart mit Humor und Situationskomik - kurz, es handelt sich um ein raffiniert ausgetüfteltes Konzept von Superlativen aus anderen Genres wie Action-Film und Rollenspiel, dem klassischen Drama, Animationsfilmen und der Science Fiction-Space Opera.

Dank eines kleinen Lexikons und Informationskästen zum Thema "Was bisher geschah" finden sich auch neue Leser schnell im Titan-Kosmos zurecht.

Die Charaktere entsprechen den Heftromananforderungen, weshalb sie etwas typisiert und damit flexibel gestaltbar sind, zudem sehr intelligent, eher comicmäßig überzogen attraktiv und exotisch. Der Aufbau der Szenen folgt dem Schema des Rollenspiels: die Hauptperson geht einem Hinweis nach, gerät in Schwierigkeiten, stirbt fast, rettet sich, bekommt den nächsten Hinweis usw.

Mit den beiden Bänden ist dieser Zyklus innerhalb der Titan-Serie abgeschlossen. Drei neue Autoren haben diesmal ihr Debüt gegeben, sind aber durchaus schon aus den Heftroman-Serien "Maddrax", "Sternenfaust" oder "Dämonenland" bekannt: Michelle Stern (Handlung: Benyam Eriksson), Michael Knoke (Handlung: Eisplanet) und Andrä Martyna (Handlung: Michiko). Unverkennbar zumindest für "Insider" der Serie sind zudem die Teile der beiden Romane, die S.H.A. Parzzival, der Exposéautor der Serie, verfaßt hat.

Die Paperbackausgabe von Titan-Sternenabenteuer sei hiermit beendet, läßt BLITZ-Verlagsleiter Jörg Kaegelmann im Nachwort von Band 32 wissen. "Auf vielfachen Leserwunsch stellen wir TITAN auf hochwertige Hardcover mit Schutzumschlag um. Zukünftig bieten wir dem Leser pro Jahr 2 sorgfältig ausgearbeitete Titel an." Glücklicherweise geht es also weiter, der Forschungsraumer TITAN begibt sich wieder auf friedliche Planetensuche ins All ...


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Nachdem alle äußeren Neuigkeiten zum Abschluß des Zyklus gesagt sind, fehlt eigentlich nur noch die Zusammenfassung der Handlung, die aber nicht verraten werden soll. Es muß also die allgemeine Aussage reichen, daß sie noch einmal kräftig anzieht, dem Leser Herzklopfen bereitet, mit Paukenschlägen endet ... Daß die drei Handlungsstränge nur formal zusammengesetzt sind, inhaltlich aber keine direkte Zusammenführung finden, ist sicher damit erklärbar, daß mehrere Autoren am Verfassen der Romane beteiligt sind, ein Projekt, dessen Weiterentwicklung jedoch bei allen Vor- und (ausschaltbaren) Nachteilen sowohl für den Lesergenuß als auch für die Autoren vielversprechend ist.

Die folgenden Zitate sollen als Leseprobe einen nicht zuviel verratenden inhaltlichen Einblick vermitteln und vielleicht schon "lesesüchtig" machen:

Michiko und Akira:

"Die Situation war irreal. Michiko stand dem Mann gegenüber, der ihren Bruder in den Tod geschickt hatte oder zumindest die Hauptverantwortung dafür trug. Statt Haß breitete sich dumpfe Leere in ihr aus [...]

"Ich werde dich jetzt aus der Kontrolle entlassen!" Akira wandte sich Michiko zu. "Wir werden kämpfen müssen. Auch du!" [...]
(Bd. 32, S. 103/105)

Benyam Eriksson und Kleopatra:

"Sag mir, wie ich die Explosion verhindern kann. Gibt es einen Weg, sie noch aufzuhalten?"

"Nein, Ben, den gibt es nicht, und das ist die Wahrheit."

"Aber ..."

"Versprochen habe ich, dass ich dir folgen werde. Wir rasen bereits auf unserem Weg zur Hölle. Wir folgen ihm, seitdem wir die Augen für Menschmaschine geöffnet haben."

Benyam wusste, wann er verloren hatte. In seiner Verzweiflung spurtete er zum nächsten Feuermelder und schlug ihn ein. Schriller Alarm ertönte.

Kleopatra beobachtete ihn mit traurigen Blicken.

"Es ist vorbei, Ben. Begreif das endlich. Dir wird es niemals gelingen, Shalyn Shan zu schützen."
(Bd. 31, S. 150)


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Shalyn und Fegelein alias Thomas Chiavelli:

"[...] Und er ist der Teufel in Menschengestalt. Nach ihm wird weiter fieberhaft gefahndet, bisher jedoch ohne den geringsten Erfolg. Keine Spur ... bis auf ... deinen Grabstein!"

"Ich habe einen Grabstein?" Eigentlich sollte mich nichts mehr erschüttern können.

"Thomas Chiavelli treibt weiter seine Spielchen mit uns. Dein Grabstein steht auf den Trümmern des HTO-Gebäudes. Er hat es erst zerstören lassen und dann diesen Hinweis plaziert."

"Dann war ihm unbekannt, dass ich nicht im Gebäude war?"

"Das wusste er ganz sicher." Die Fledermaus durchquerte den Raum mit langen Schritten. "Er ist auch jetzt noch daran interessiert, sein Amüsement weiterzuführen. Dein Sterbedatum ist übrigens der 31. August 2109."

Ich schluckte. "Na, dann habe ich ja noch eine Woche zu leben."
(Bd. 32, S. 56)

Viel Spaß beim Lesen. Alles in allem ist Titan-Sternenabenteuer ein gelungenes Experiment, den Zeitgeist des deutschen SF-Genres über Jahrzehnte hinweg widerzuspiegeln und der Space Opera ein neues Format zu geben.


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Titan Sternenabenteuer, Bd. 31
S.H.A. Parzzival, Michelle Stern, Andrä Martyna:
Tränenmelodie
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Blitz-Verlag, 2008
ISBN 978-3-89840-131-9

Titan Sternenabenteuer, Bd. 32
S.H.A. Parzzival, Michael Knoke, Andrä Martyna:
Das Lächeln der Angst
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Blitz-Verlag, 2008
ISBN 978-3-89840-132-6

25. August 2008