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INTERVIEW/011: Leibniz-Gemeinschaft - Universaloption und Grenzen, Prof. Karl Ulrich Mayer im Gespräch (SB)


Fragen zu den Forschungslandschaften in Deutschland am Beispiel der Leibniz-Gemeinschaft

Aus Anlaß des Jahrespressegesprächs der Leibniz-Gemeinschaft am 24. März 2014 in Berlin

Interview mit Prof. Karl Ulrich Mayer



Der deutsche Soziologe, Philosoph und Germanist, Professor Dr. Karl Ulrich Mayer, zu dessen Forschungsschwerpunkten die soziale Mobilität zählt, kann selbst auf eine bewegte Reise durch die Forschungslandschaft zurückblicken. Nach einem universitären Einstieg (Promotion 1973 an der Universität Konstanz, Habilitation 1977 an der Universität Mannheim) arbeitete er von 1979 bis 1983 als Direktor am Zentrum für Umfragen, Methoden und Analyse (ZUMA) in Mannheim und von 1983 bis 2005 als Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er begründete als Herausgeber das European Sociological Review, war Mitglied des Wissenschaftsrats (1993-1999) und Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission (1996-1999). 2003 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Soziologie an der Yale University, USA, wo er Gründungsdirektor des Center for Research on Social Inequalities and the Life Course (CIQLE) und von 2005-2010 Chair des Department für Soziologie war. Seit 2010 ist er nicht nur Präsident der Leibniz-Gemeinschaft [1], sondern auch Mitglied der Deutschen Nationalakademie Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der British Academy of Sciences und der American Academy of Arts and Sciences.

In seiner Ansprache zum Jahrespressegespräch 2014 begrüßte er den Neuzugang dreier Institute in die Gemeinschaft, das Leibniz-Institut für Interaktive Materialien, Aachen, das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Bamberg sowie das Leibniz-Institut für Photonische Technologien, Jena. Darüber hinaus stellte er die neuen strategischen Instrumente der Leibniz-Gemeinschaft, die "Leibniz-Forschungsverbünden", die er als "Markenkern" bezeichnete, und die Idee der "Leibniz-WissenschaftsCampi" als Referenzmodell für die Kooperation von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen vor. Auf diese Weise soll Forschung im Hinblick auf bestimmte Problemstellungen stärker zusammengefaßt und optimal koordiniert werden, was sowohl von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder als auch vom Wissenschaftsrat unterstützt und gewürdigt wird. Im Anschluß an das Pressegespräch war Professor Dr. Karl Ulrich Mayer bereit, dem Schattenblick einige Fragen zu den Forschungslandschaften aus dem Blickwinkel der Leibniz-Gemeinschaft zu beantworten.

Foto: © 2014 by Schattenblick

'Die Klugheit besteht darin, Institute schon gegründet zu haben, bevor die Probleme entstehen'
Prof. Karl Ulrich Mayer im Gespräch
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Bei 89 Einrichtungen aus den verschiedensten Forschungsdisziplinen stellt sich mir die Frage: Woran erkennt man ein Leibniz-Institut, abgesehen von seinem Namen? Gibt es eine Gemeinsamkeit, von der Sie sagen, das ist eine typische Leibniz-Gemeinschaft?

Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer (KUM): Ja, mehrere Gemeinsamkeiten. Wir verbinden erkenntnisorientierte Grundlagenforschung mit problem- und anwendungsorientierter Forschung, so daß beides seine Berechtigung hat. Wir sagen aber auch, keine Relevanz auf Kosten der Exzellenz und eben auch keine Exzellenz auf Kosten der Relevanz. Insofern ist das in dem Sinne durchaus auch ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Wissenschaftslandschaft.

SB: Könnten Sie das noch ein bißchen genauer erklären?

KUM: Ja, ich glaube, bei uns gibt es relativ große Freiheit. Also zum Beispiel das "Institut für deutsche Sprache", das gerade 50jähriges Bestehen gehabt hat. Es befaßt sich mit Grammatik, Lexik und arbeitet mit großen Textkorpora. Zunächst einmal ist das eher ein grundlagenforschungs-orientiertes Unternehmen. Aber Sie wissen ja inzwischen, daß die elektronische Analyse von Textkorpora eine hochaktuelle Sache ist, das macht auch die NSA. Und wichtig ist, daß dieses eben nicht nur die Geheimdienste tun. An dem Beispiel können Sie sehen, wie mehrere Dinge ineinandergehen: Grundlagenforschung einerseits, Infrastruktur im Sinne von zum Beispiel solchen Sprachtextkorpora und Anwendung.

Und wichtig ist bei uns, daß die Institute nicht festgelegt sind, sie müssen nicht den Griffel weglegen, wenn die Grundlagenforschung in die Anwendung übergeht oder in Infrastruktur. Das Max-Planck Institut würde zum Beispiel hingegen sagen, das ist nicht mehr unsere Chose, das sollen andere machen. Wir sagen, diese Dinge sind miteinander verbunden. Ich glaube, diese Orientierung ist durchaus etwas, was wir nicht nur in Sonntagsreden beschwören, sondern etwas, was die Leibniz-Forscher wirklich verinnerlicht haben. Wobei auch mir wichtig ist, daß man da nicht von vornherein eine Qualitätsdifferenz konstruiert. Ich gebe ein Beispiel: Nehmen Sie die Evaluierung von Arbeitsplatz, Arbeitsmarktmaßnahmen, das ist sozusagen die Aufgabe unserer Wirtschaftsforschungsinstitute. Das ist richtig angewandte Forschung, ist ja klar, das ist Politik-Beratung. Sie gehört zu den methodisch und theoretisch anspruchsvollsten Gebieten, die man sich überhaupt vorstellen kann. Insofern haben wir durchaus die Philosophie, daß man gute Politik-Beratung, gute Anwendung, eigentlich nur machen kann, wenn das mit hochkarätiger Forschung verbunden ist. Es gibt auch Ressort-Forschung und kommerzielle Forschung.

SB: GIGA Hamburg (German Institute of Global and Area Studies / Leibniz Institut für Globale und Regionale Studien) ...

KUM: GIGA, zum Beispiel, ja.

SB: Kehren Sie mit Ihren beiden neuen strategischen Instrumenten [2], die Sie im Pressegespräch dargestellt haben, zu dem Universalgelehrten Leibniz zurück?

KUM: Wir kehren nicht zurück, wir waren da immer. Wir sind wirklich breiter aufgestellt als die anderen Forschungs-Organisationen und decken den ganzen Bereich von den Kulturwissenschaften bis zur Astrophysik ab und sind, das zeigt sich an diesen Instrumenten, auch in der Lage, diese miteinander zu verbinden. Das machen wir in einer ganzen Reihe von Instituten innerhalb des jeweiligen Instituts. Nehmen Sie das "Leibniz-Zentrum für marine Tropenökologie (ZMT)", es hat Geologen, Biologen, Sozialwissenschaftler und Ökonomen im Institut, in einer Art Matrix-Struktur. Ganz ähnlich ist es im "Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung" (PIK), wo es auch eine solche Verbindung gibt. Insofern kehren wir zu Leibniz zurück, als er auch eine unglaubliche Bandbreite hatte. Wir sind nicht so breit wie er, die Theologie haben wir noch nicht, die bei ihm eine ganz große Rolle spielte, und die Philosophie, die im Grunde bei ihm das Glamour von allem war, haben wir auch nicht.

SB: Verbindet die Leibniz-Gemeinschaft etwas mit der Leibniz-Sozietät?

KUM: Nichts. In gewisser Weise nur die Historie, die Leibniz-Sozietät ist die Nachfolgeorganisation der "Akademie der Wissenschaften der DDR", der Gelehrtenorganisation. Die Leibniz-Gemeinschaft ist entstanden als Kind der Wiedervereinigung. Nach der sehr harten Evaluierung durch den Wissenschaftsrat konnte etwa ein Drittel der Institute, ein Drittel des Personals, weitermachen, und insofern haben wir eine ostdeutsche Vergangenheit. Und auch die Leibniz-Sozietät hat eine ostdeutsche Vergangenheit. Aber wir haben keine persönlichen Beziehungen.

SB: Sie laufen parallel, nebeneinander?

KUM: Nein. Die Sozietät ist im Grunde der Rest einer alten Gelehrtenakademie, was wir ohnehin nicht sind. Insofern ist eher die "Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften" das Pendant zur Leibniz-Sozietät.

SB: Welchen Anteil hat ein Präsident der Leibniz-Gemeinschaft an der Entscheidung, ob neue Institute gegründet werden oder welche Forschungsvorhaben stärker gefördert werden? Es gibt den Senat, der darüber befindet, aber wie sehen Sie Ihre Funktion, Ihre Rolle dabei?

KUM: Zunächst einmal formal, würde ich sagen, haben wir keine gar keine Funktion. Neue Institute werden in der Regel von den Ländern vorgeschlagen. Das sind solche, die als Landesinstitute finanziert worden sind und sich dann wissenschaftlich so entwickelt haben, daß sie diesen sehr harten Test der Auswahl bestehen würden. Manchmal sind es auch Bundesinstitute. Dann gibt es ein Verfahren, in dem erst einmal die Leibniz-Gemeinschaft und dann der Wissenschaftsrat zu unterschiedlichen Aspekten Stellung nimmt. Danach spricht die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder eine Empfehlung aus, daß das betreffende Institut in die gemeinsame Bund-Länder-Förderung kommt, und dann entscheidet die Mitgliederversammlung der Leibniz-Gemeinschaft, ob ein Institut aufgenommen wird. Ich würde sagen, der Präsident ist nicht beteiligt. Er ist nur insofern beteiligt, als er Vorsitzender des Senats der Leibniz-Gemeinschaft und des neuen Senatsausschusses "Strategische Vorhaben" ist, in dem Empfehlungen für Neuaufnahmen erarbeitet werden, und er ist im Vorfeld einer der Ansprechpartner. Neuaufnahmen gehören daher zum Beritt des Präsidenten. Das muß so sein, denn der Prozeß der Neuaufnahmen zieht sich über Jahre hin. Es ist noch nie passiert, daß wir überrascht worden sind, wenn ein Bund oder Land einen solchen Vorschlag macht. Sondern Jahre vorher gibt es Gespräche, zum einen, ob das etwas ist, an dem auch die Leibniz-Gemeinschaft Interesse hätte, und zum anderen muß man sich auch aufstellen, insbesondere institutionell-organisatorisch, um als Leibniz-Einrichtung so lange aufnahmefähig zu sein. Diese Dinge spielen sich lange im Vorfeld ab. Zum Beispiel gibt es durchaus öffentliche Dinge, nehmen Sie das Zentrum für Immunologie an der Universität Regensburg. Seit Jahren schreiben sie: "Wir sind auf dem Weg. Wir organisieren uns so, daß wir bald das Land Bayern überzeugen können, einen Antrag zu stellen." Und so gibt es andere Einrichtungen.

SB: Reagieren Sie als Gemeinschaft auf tagesaktuelle politische Ereignisse, beispielsweise auf die Krim-Krise oder auf die Frage nach der Energieversorgung Deutschlands bzw. seiner Abhängigkeit von Energieimporten? Haben solche aktuelle Entwicklungen einen Einfluß auf die Entscheidung, bestimmte Forschungsschwerpunkte zu setzen, zu verändern oder mehr zu gewichten oder gar ganze Institute zu gründen? Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, jetzt mehr erneuerbare Energien zu fördern, um die Abhängigkeit zu senken?

KUM: Die Klugheit besteht darin, Institute schon gegründet zu haben, bevor solche Probleme überhaupt kommen. In diesem Beispiel ist das der Fall, weil wir eine ganze Reihe von Instituten haben, die sich mit Osteuropa beschäftigen. Das ist das Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig, das Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa in Halle, das ja auch einen unmittelbaren Bezug zur Ukraine hat, wir haben das GIGA, das Herder-Institut als historisches Institut für Osteuropaforschung. Und wir haben den Leibniz-Forschungsverbund Energiewende, der sich besonders auch mit erneuerbaren Energien befaßt. Zudem machen wir so schöne Sachen wie die Expertenlisten, in denen nur aus aktuellem Anlaß die Expertisen in den Instituten gesammelt werden, die nicht immer unmittelbar aus den Namen hervorgehen. Und da kommt in den nächsten Tagen etwas zu Krim, Rußland und der Ukraine raus.

SB: Und wie sieht es umgekehrt aus? Man sagt ja, daß es, wenn die Wissenschaft neue Erkenntnisse gewonnen hat, noch so ungefähr zwölf Jahre dauert, bis diese dann in der Politik umgesetzt werden könnten. Hat die Leibniz-Gemeinschaft auch Schnittstellen in die Politik?

KUM: Also, es gibt Institute, wo dies fast sekundenschnell, würde ich sagen, jedenfalls tagesschnell, passiert. Nehmen Sie die Wirtschaftsforschungsinstitute, die sind ganz unmittelbar am wirtschaftspolitischen Beratungsgeschehen im Bundesfinanzministerium, Bundeswirtschaftsministerium beteiligt, da gehört es sozusagen zu deren Alltagsgeschäft. Und es gibt Bereiche, in denen es diese Verbindungen gibt, die aber ein bißchen länger brauchen. Nehmen Sie die PISA-Studien, die ganz wesentlich ursprünglich vom Institut für Didaktik der Naturwissenschaften und Mathematik in den ersten Runden mitgestaltet worden sind. Jetzt ist Kiel weiter dabei und Frankfurt, das deutsche Institut für nationale pädagogische Forschung. Sie gehen unmittelbar in die Bildungsforschungsberatung. Das neue aus dem Nationalen Bildungspanel hervorgangene Leibniz-Institut für Bildungsverläufe arbeitet ganz eng mit der Politik zusammen. Das muß für PISA so sein, auch aus folgendem Grund: Die Institute müssen nämlich den Zugang zu den Schulen kriegen. Und den bekommen sie nur, wenn sie sich mit den Staatssekretären oder den Amtschefs der Ministerien einig sind. Insofern gibt es relativ enge Beziehungen.

Dann gibt es andere Bereiche. Nehmen sie das renommierte Medizinjournal JAMA, die äußern sich häufiger mit neuen, vom Mainstream abweichenden, ketzerischen Thesen über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und ihre gesundheitliche Wirkung. [3] Da ist dann das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke gefragt, ebenfalls ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

SB: Inwiefern sind Sie als Leibniz-Gemeinschaft auch von dem sogenannten Brain-Drain betroffen? Gilt das nur für Hochschulen oder gibt es auch bei Ihnen ein Abwandern von Fachkräften von Deutschland in andere Länder?

KUM: Zunächst einmal sind wir die Gewinner des Brain-Drains. Wir haben nämlich einen hohen Anteil von jungen ausländischen Wissenschaftlern in vielen Arbeitsgruppen, ungefähr ein Fünftel, und in manchen Bereichen, zum Beispiel Werkstoffwissenschaften, ist dieser auch noch höher. Wir sind die Zielinstitution, und das ist enorm wichtig für uns, obwohl wir durchaus die Problematik erkennen, daß das diese Länder schwächt. Aber naheliegenderweise haben wir ein Eigeninteresse. Viele unserer Wissenschaftler kommen aus Osteuropa und inzwischen auch aus China. Unser Interesse ist da mehrfach, ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der molekularen Altersforschung: Dort sind wir dabei, gemeinsame Forschungsgruppen zu etablieren. Darin finden Sie unter anderem viele Doktoranden, die früher am Institut waren. So funktioniert die Zusammenarbeit am besten.

Und Brain-Drain in die andere Richtung? Natürlich stehen wir in Konkurrenz damit, ob jemand bei uns bleibt, an die ETH [4] geht oder nach Amerika. Wir sehen da aber relativ gut aus, weil die Forschungsbedingungen für Doktoranden an unseren Instituten einfach so phantastisch sind, daß wir in der Regel keine Sorge haben müssen.

SB: Stehen Sie auch in Konkurrenz mit anderen Gesellschaften? Welchen Stand hat die Leibniz-Gemeinschaft in der Forschungslandschaft Deutschlands?

KUM: Na klar stehen wir in Konkurrenz, und wie, tagtäglich. Ich glaube, es gibt eine klare Arbeitsteilung in dem Sinne, daß Helmholtz die nationale Programmforschung bedient. Der Bund steuert forschungspolitisch, welche Themen dort bearbeitet werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft macht Industrieforschung und finanziert sich im wesentlichen über Vertrags-, also Kontraktforschung, allerdings auch dort überwiegend über öffentliche Mittel, wenn man sich das genauer anschaut. Die Max-Planck-Gesellschaft macht Grundlagenforschung in hoher Autonomie von berufenen Abteilungsleitern. Insofern stehen wir mehrfach in der Konkurrenz. So wie wir definiert sind, als problem- und anwendungsorientierte Forschung, stehen wir mit den Grundlagenforschern in Konkurrenz und mit den Anwendungsforschern. Allerdings gehen wir im Gegensatz zum Fraunhofer in unseren technischen Instituten nur bis zu Pilot-Produkten und nicht eigentlich in den Fertigungsbereich. Das wäre dann ein Bereich, wo Fraunhofer einen Schritt weitergeht. Aber wir sind in Konkurrenz um die Doktoranden und um die Mittel von Bund und Ländern.

SB: Ist es nicht manchmal so, wenn Sie nicht so weit in die Anwendung gehen, daß Sie das Gefühl haben, die Ernte wird dann von anderen eingefahren?

KUM: Das gilt für uns alle. Wenn man einfach mal schaut, was denn eigentlich der Ertrag ist, dann sieht man die Lizenz- oder Patenteinnahmen. Was man in der Regel nicht sieht, ist, wenn dann bestimmte Produkte, die in einem Institut bei uns entwickelt wurden, enorme Erträge einbringen. Nehmen Sie LED- oder die Lasertechnik, entwickelt vom Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik in Berlin, die Erträge, welche die Jenoptik AG oder Zeiss damit erzielt schlagen sich in unserer Bilanz nicht nieder. Aber es gibt auch andere Bereiche, wir haben jetzt gerade wieder ein Projekt am Deutschen Primaten Zentrum und eines am ISAS, dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften in Dortmund, wo es Patente mit erheblichen Einnahmen gibt. Und unsere Sorge ist dann, daß wir diese Einnahmen behalten dürfen, daß sie dann nicht von den Zuwendungsgebern einfach gegen deren Beiträge gegengerechnet werden.

SB: Geht die Konkurrenz auch zu Lasten der Interdisziplinarität? Daß man sich gegenseitig lieber doch nichts verrät oder Forschungsergebnisse zurückhält?

KUM: Nein, das glaube ich nicht, denn Forschung in unserem Bereich wird eigentlich sehr schnell publik. Und es geht sicher nicht zu Lasten der Interdisziplinariät, weil für fast alle Institute der außeruniversitären Forschung gilt, daß sie enorm interdisziplinär sind, mehr, als Hochschulen sich das in der Regel erlauben können. Das ist einer der Gründe, warum sie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind.

SB: Herr Mayer, herzlichen Dank für das sehr interessante Gespräch.

Schriftzug 'Leibniz' im Fenster des Instituts - Foto: © 2014 by Schattenblick

Symbol für eine starke, multidisziplinäre Gemeinschaft. Die Signatur von Gottfried Wilhelm Leibniz
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] www.leibniz-gemeinschaft.de

[2] Bei den neuen strategischen Instrumenten der Leibniz-Gemeinschaft soll zum einen die häufig als "Versäulung" bemängelte vereinzelte Forschung an universitären und außeruniversitären Einrichtungen des deutschen Forschungssystems mittels Einrichtung von sogenannter WissenschaftsCampi verknüpft werden. WissenschaftsCampi soll den Leibniz-Einrichtungen und Hochschulen eine an bestimmte Themen gebundene Zusammenarbeit im Sinne einer gleichberechtigten, komplementären, regionalen Partnerschaft ermöglichen.

Zum anderen sollen sich Leibniz-Einrichtungen in sogenannten Leibniz-Forschungsverbünden zusammenschließen, um aktuelle wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Fragestellungen inter- und transdisziplinär zu bearbeiten. Die Forschungsverbünde sind mit einer Perspektive von fünf bis fünfzehn Jahren angelegt und offen für die Zusammenarbeit mit Universitäten, anderen außeruniversitären Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen sowie ausländischen Forschungsgruppen. Die derzeitigen Verbünde sind unter den folgenden Themen zusammengefaßt: Bildungspotenziale, Biodiversität, Energiewende, Gesundes Altern, Historische Authentizität, Krisen einer globalisierten Welt, Medizintechnik: Diagnose, Monitoring und Therapie, Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung, Nanosicherheit, Science 2.0, Wirkstoffe und Biotechnologie.

[3] 2011 erschienen zwei große Studien im Medizinjournal JAMA, die offenbarten: Eine salzarme Diät sei nicht nur nutzlos, sondern erhöhe deutlich das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben (Universität Löwen, Niederlande).

[4] ETH - Eidgenössische Technische Hochschule Zürich


Den Bericht zum Jahrespressegespräch finden Sie mit dem kategorischen Titel "Leibniz-Gemeinschaft" unter:
BILDUNG UND KULTUR → REPORT
BERICHT/031: Leibniz-Gemeinschaft - Anspruch und Möglichkeiten (SB)

1. April 2014