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ENGLISCH/021: Lunch oder Luncheon - Dinner oder Supper? (SB)


LUNCH ODER LUNCHEON - DINNER ODER SUPPER?


Rund um die britische Küche, ist sie besser als ihr Ruf?



Begrifflichkeiten

Allgemeine Verunsicherung herrscht, was die verschiedenen Mahlzeiten der Briten betrifft. Wir haben einmal gelernt, daß die Engländer zu ihrem Abendessen, die Hauptmahlzeit des Tages, "Dinner" sagen, während ein leichter Imbiß, den man etwa zur gleichen Zeit einnimmt als "Supper" bezeichnet wurde. Doch heute scheint man es damit nicht mehr so genau zu nehmen. Immer wieder hört man, daß auch ein umfangreiches Abendessen, vielleicht aus falscher Bescheidenheit bzw. mit echt britischem Understatement als "Supper" deklariert wird. Wie heißt es denn nun richtig?

Ebenfalls gibt es auch im Umgangsprachlichen gewisse Unsicherheiten, wie das Mittagessen der Engländer genannt wird. Sagt man nun lieber Lunch oder Luncheon? Wenn ich einem guten Freund zum Mittagessen in einem Restaurant oder einem Pub treffen will, dann schlage ich ihm vor: "Let's have lunch today". Wann wendet man jedoch den zweiten Begriff an, zu einem offiziellen Anlaß oder eher bei einem besonders umfangreichen Essen?

Und schließlich gibt es unter britischen Ökonomen die Redensart: "There's no such thing as a free lunch." Oder wäre hier auch eher der Begriff "luncheon" angebracht?


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Nun es ist viel einfacher als man denkt. "Dinner" ist korrekterweise immer die herzhafte warme Hauptmahlzeit des Tages, ganz gleich, zu welcher Tageszeit man sich ihr widmet. Der traditionsbewußte Engländer nimmt diese gewöhnlich erst am späten Abend zu sich. Zu mindestens zwei Gelegenheiten im Jahr läßt er sich jedoch durch nichts und niemand davon abbringen, das "Dinner" zur Mittagszeit einzunehmen: an Thanksgiving (Ernte Dank) nämlich und zu Weihnachten (Christmas). Bei diesen gewöhnlich besonders ausgiebigen Festmahlen ist es jedoch so gut wie ausgeschlossen, für den normalen Durchschnittsbürger zur gewohnten Nachtzeit ein weiteres "Dinner" zu verzehren, ohne mit fürchterlichen Magenbeschwerden schwergewichtig ins Bett zu fallen.

Das alternativ gereichte leichte Abendessen heißt deshalb "Supper". Ebenfalls "Supper" wird die späte Erfrischung oder leichte Mahlzeit genannt, die man auf einer Party, einem Ball oder nach der Oper serviert bekommt. Hier spricht man von vornherein von einem "Supper", also einer leicht bekömmlichen Mahlzeit, einer Mitternachtssuppe oder einem Krabbencocktail ect., da davon ausgegangen wird, daß man umsichtigerweise im Hinblick auf den langen Abend oder auch als höflicher Gast gewöhnlich schon zuhause gegessen, das "Dinner" also schon vorgezogen hat, um nicht zu hungrig oder zu gierig bei den Gastgebern zu erscheinen.


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Mit "Lunch" und "Luncheon" verhält es sich etwas anders. Lunch ist, wie man sich schon denken kann, die Kurzform von Luncheon, und das geläufigere Wort, wie man an dem oben erwähnten Beispiel sehen kann. Lunch umfaßt alles, von der mitgebrachten Sandwichbox und dem Thermoskannenkaffee bis hin zu einem ausgiebigen Geschäftsessen um die Mittagszeit. Übersteigt das Ausmaß des "Lunches" jedoch den gewohnten Rahmen bzw. das gewöhnliche Budget, und sind außerdem mehrere Personen beteiligt, so daß das Ganze einen offizielleren Anstrich bekommt, oder artet es gar zu einem größeren gesellschaftlichen Ereignis aus, dann kann man wohl ungestraft von einem "Luncheon" sprechen. Allerdings wird man dieses Wort immer noch eher in Büchern und anderen Schriftstücken finden, als daß es einem "normalen" Engländer über die Lippen kommt.

Im übrigen haben die Betriebswirte recht, wenn sie sagen: "There's no such thing as a free lunch." Doch: "There is always a free luncheon" - zumindest, wenn man die richtigen Leute kennt.


Doch nun zum Essen an sich und der häufig gestellten Frage:

Ist das britische Essen so schlecht wie sein Ruf?

"On the continent", schrieb der junge Ungar George Mikes, "people have good food. In England, people have good table manners."

Dieser Ausspruch faßt im Grunde alle Vorurteile zusammen, die man über das Essen auf der britischen Insel haben kann. Er stammt aus dem Buch von Georges Mikes "How to be an Alien", in dem Mikes, der 1936 nach England kam, seine Erfahrungen mit Engländern und ihren Gewohnheiten auf freundlich witzige und unterhaltsame Weise niederschrieb. An das Essen in England konnte er sich jedoch nie gewöhnen.

Wie der obige Satz klar macht, ist man allgemein der Ansicht, englisches Essen sei nicht der Rede wert. Dieses Vorurteil stammt noch aus der Zeit, in der die besten englischen Restaurants von Ausländern geleitet wurden, und meist eine französische Küche führten. Das "Ritz" hat beispielsweise erst Anfang der 90er Jahre seinen ersten britischen Chef eingestellt.

Heutzutage hat das britische Essen zwei weitere starke Konkurrenten: "Fast food" aus Amerika und "Exotic Food", wie man es in vielen indischen und chinesischen Restaurants finden kann; schließlich auch in der Mischung aus beiden wie beim sogenannten "Chinese-take-away". Attraktive und preisgünstige ausländische Imbisse wetteifern mit den berüchtigten britischen "Fish and Chips" (Panierter Bratfisch mit Pommes (sehr köstlich!)) und nähren nicht nur bei Touristen, sondern inzwischen auch bei den Einheimischen den Verdacht, daß es mit dem britischen Essen vielleicht doch nicht so gut bestellt ist. Selbst in selbstkritischen Witzen taucht immer wieder das Thema Essen auf, wie in dem folgenden wohlbekannten kleinen Sketch:


Waiter: How did you find the steak, Sir?

Diner: By accident. I moved the potatoes and there it was.


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Dabei ist das Essen in England nicht schlechter als anderswo auch. Und die berühmten kleinen Portionen - zum Lunch wird möglicherweise eine Scheibe Mettwurst, ein Salatblatt, eine Kartoffel, zwei Stückchen Tomate und etwas Cottage Cheese gereicht - sind zwar durchaus keine Legende, sondern Realität, können mitunter jedoch auch so reichhaltig ausfallen, daß sie ein Normalsterblicher kaum eigenhändig zu bewältigen vermag.

Der beste Ort, um echtes traditionelles Britisches Essen kennenzulernen, das im übrigen von Grafschaft zu Grafschaft sehr verschieden ist, ist nach wie vor im Kreis der Familie.


Breakfast und Tea - die kleineren Tagesmahlzeiten

Heute noch sind viele Mahlzeiten in der Familie traditionell. Aber es hat sich auch viel geändert, so daß Vorstellungen von einem echten "English Breakfast" (Frühstück) oder "English Tea" (Abendmahlzeit mit Tee), die aus der Zeit stammt, in der ein englisches Bürgerhaus viele Bedienstete hatte, inzwischen überholt sind. Nicht jede Familie kann sich ein ausgedehntes typisch englisches Frühstück mit Schinken, Eiern, Toast, Grapefruit, Orangensaft und Marmelade leisten. Cornflakes und Toast und der hektische Blick auf die vorschreitende Uhr kennzeichnen im allgemeinen ein typisches, alltägliches Frühstück zuhause.

Auch der traditionelle "Five o'clock Tea" mit Tee, Gebäck und belegten Broten (cakes and sandwiches) gehört inzwischen zum Klischee. Heutzutage bittet man nur noch dann zum "Tea", wenn man gerade einen Gast hat, an Sonn- und Feiertagen oder zu anderen besonderen Gelegenheiten. Dann allerdings gehören die oben erwähnten Zutaten oder auch "Buttered Scones" (süße Marmeladenbrötchen) - in manchen Landstrichen eine ganz besondere Delikatesse - neben Tee und süßer Sahne unbedingt auf den Tisch. Trotz des reichhaltigen und wirklich delikaten Angebots auf einer englischen Teaparty habe ich jedoch noch nie erlebt, daß sich ein Engländer dabei wirklich satt gegessen oder mehr als ein halbes Sandwich, ein halbes Brötchen oder zwei kleine Kekse verzehrt hätte. Zu den erwähnten guten Tischmanieren wird hier - anders als in anderen Ländern - Zurückhaltung gezählt.


Lunch und Evening Meal

Wochentags nimmt die arbeitende Bevölkerung zur Mittagszeit meist eine kleine Mahlzeit wie etwa Sandwiches, Suppe oder etwas Käse und Brot in einem Pub zu sich. Wer nicht in den Pub gehen möchte, nimmt sich ein Paket belegter Brote mit ins Büro oder belagert in den typischen englischen "queues" die beliebten "Fish- and Chips"- Stände, die das berühmte britische Nationalgericht frei Hand verkaufen. Ebenfalls sehr beliebt sind die sogenannten "Sausage rolls", ein Würstchen in Blätterteig, daß man sogar beim Zeitungshändler an der Ecke kaufen kann.

Das Abendessen ist, wie gesagt, die traditionelle britische Hauptmahlzeit und meistens ein warmes Gericht wie beinahe überall in Nordeuropa. Die Briten essen viel Gebäck, Teigtaschen oder Pasteten, die hier "Pastry" genannt werden, und spezielle gedeckte Mürbeteigkuchen, die mit Fleisch, Geflügel oder Früchten gefüllt sind und die man als "Pie" oft schon als Fertiggericht im Supermarkt und ebenfalls schon im Zeitungsladen kaufen kann.

Wirklich berühmt ist der sogenannte "Shepherd's Pie" (Schäfer-Pastete), die nicht mit einer Teigplatte, sondern Kartoffelscheiben abgedeckt wird.

"Stew" ist ein traditonelles eintopfähnliches Winteressen, gewöhnlich auf Rindfleischbasis und viel Gemüse. Wird statt dessen Lammfleisch verwendet, heißt es "Irish stew". "Gravy" (Braune Sauce) gehört ebenso unerläßlich dazu wie die wirklich köstlichen "Dumplings" (Plumpslinge auf gut deutsch). Hierbei handelt es sich um eine Art Knödel, die aus Weizenmehl und Talg hergestellt werden, und die man zum Garen in kochendes Wasser "plumpsen" läßt.

"Fish mit parsley sauce" (Fisch mit Petersiliensoße) ist ebenfalls ein traditionelles wie schmackhaftes Freitagsgericht, das das oben erwähnte Vorurteil Lügen straft. Und die Nachtische, meist warme kuchenähnliche Aufläufe mit Frucht oder Marmeladenfüllung, die hierzulande "puddings" genannt werden und die es sowohl zum Tea als auch zum Dinner geben kann, sind keinesfalls zu verachten.

An Sonn- und Feiertagen ist in vielen Familien das typisch englische "Roast lamb with mint sauce" (Lammbraten mit Minzsauce) unumgänglich. Hierzu gibt es praktisch nur noch zwei, bestenfalls drei Alternativen, die ebenfalls den entsprechend feierlichen Rahmen gewähren: "Pork with apple sauce" (Schweinebraten mit Apfelsoße), "Chicken with sage and onion stuffing" (Huhn auf Salbei mit Zwiebelfüllung) oder "Roast beef and Yorkshire Pudding".

Also keine Angst: Das Essen in England ist wesentlich besser als sein Ruf. Und wenn man einem begeisterten Koch oder Köchin begegnet, kann man noch eine Menge dazulernen.


Regionale Spezialitäten

In manchen Landstrichen Englands trifft man auf Gerichte, die keinerlei Ähnlichkeit mit europäischen aufweisen. Deshalb will ich Sie hier mit einigen Beispielen auf den Geschmack bringen:

"Haggis" ist ein traditionelles Schottisches Essen. Die Schotten lieben es, andere britische Nationalitäten machen nur ihre Witze darüber. Zubereitet wird es aus zerkleinerter Schafleber, Talg, Zwiebeln und Hafermehl und entsprechend gewürzt in einem Schafsmagen gegart.

"Clanger" wird dagegen in vielen Grafschaften Englands gegessen. Ein Clanger ist ein besonders großer Dumpling, der außerdem Fleisch, Zwiebeln und Kartoffeln enthält, und somit praktisch eine eigene Mahlzeit ergibt. In manchen Gegenden wird der Clanger auf der einen Seite mit Fleisch, auf der anderen mit Marmelade gefüllt - so hat man Hauptgericht und Nachspeise in einem. Das klingt befremdlich, lohnt jedoch das Experiment.

"Christmas pudding" - ist ein schwerer schwarzer Fruchtkuchen aus Backobst, Rosinen, Äpfeln und verhältnismäßig wenig Mehl, der viele Tage und Stunden langsam eingedampft und einmal im Jahr, an Weihnachten, mit einer heißen Brandysoße aufgetischt wird, wobei man ihn traditionell flambiert, d.h. den Alkohol anzündet. Ein äußerst festlicher Anblick und ein schöner Abschluß für das üppige Weihnachtsessen.

Erstveröffentlichung 1996


19. Februar 2007