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ENGLISCH/899: Hörempfehlung - Achtung Hörsuchtgefahr 60 years "The Archers" and a Royal visitor (SB)


UNVERGESSLICHE HÖRABENTEUER DES BBC


Täglich 15 Minuten "British Soap and British Life"

Leichte Unterhaltung geht leicht ins Ohr... und nie wieder raus



Es kann eigentlich gar nicht trivial genug sein, wenn es darum geht, sich mit leichten, eingängigen Hörspielen der englischen Sprache anzunähern. 10 bis 15 Minuten täglich etwas Englisch zu hören wird von Lehrern und Sprachexperten immer wieder empfohlen. Daher drängt sich dem etwas fortgeschrittenen Englischlernenden, aber noch "Höranfänger" im Englischen, die abwechslungsreiche Soap-Serie des BBC 4 geradezu als ultimative Ausrede auf, zum hörigen Fan von "The Archers" zu werden, die am 2. Januar bereits ihren 60. Geburtstag feierten.

Der Rundfunksender BBC widmete somit nicht nur der 16.300. Episode am Neujahrswochenende, sondern gewissermaßen auch einem beständigen Weltrekord der weltweit am längsten laufenden Seifenoper eine besonders ergreifende Handlung in doppelter Länge. Doch dabei blieb es nicht. Zahlreiche andere Sender, vor allem BBC 7, würdigten den besonderen Ehrentag der "Archers" mit Sondersendungen, Rückblicken auf erinnerungsträchtige Folgen der Vergangenheit sowie Interviews mit Schauspielern, die diese Serie berühmt gemacht haben und von denen die älteste Generation ebenfalls schon mehrere Jahrzehnte dabei ist. Ein lebendes Beispiel dafür ist die Schauspielerin June Spencer, die bis heute die Rolle der Peggy (Margaret) Woolley verkörpert. Am 13. November 1924 geboren, gehört Peggy schon bald zu den "Ureinwohnern" von Ambridge, zunächst als Schankwirtin im Village-Pub "The Bull". Durch ihre erste Ehe mit Jack Archer wird sie ein Glied des in Ambridge ansässigen, angesehenen Bauerngeschlechts, das der Sendung seinen Namen gegeben hat. Als Mutter von Jennifer, Lilian und Tony Archer sorgt sie dafür, daß diese auch heute noch mit ihren jeweiligen Ehe- oder Lebenspartnern Ambridger Geschichte schreiben. Auch Peggys zweiter Mann, Jack Wolley, seit einigen Jahren leider an der Alzheimer Krankheit leidend, war viele Jahre in zahlreichen wichtigen Funktionen eine Stütze der Borchester Gesellschaft. So beispielsweise als der frühere Eigentümer und Manager des vornehmen Hotels und Restaurants Grey Gables, das immer noch eine große Rolle spielt, daneben aber auch Publizist einer Zeitung und Besitzer eines Cafés. Diese sind inzwischen alle in andere, mehr oder weniger fähige Hände übergangen, und bieten somit immer wieder einen Anlaß für weitere Geschichten, wie unlängst das Café "Jaxx Caff" das, von Kenton Archer geführt, in einen Club umgewandelt wurde.

Die nur wenige Jahre jüngere Jill Archer (gespielt von Patricia Greene), Frau des erst im letzten Jahr verstorbenen Phil Archer, gehört ebenfalls zu der ersten Garde der Serie. Ihr Besitz, Brookfield Farm, ist der Stammsitz der Archers, und somit der Dreh- und Angelpunkt der Serie. Inzwischen sorgt der jüngste Sohn David Archer und seine Frau Ruth dafür, daß der Familienbetrieb traditionell weitergeführt wird.

Der Darsteller von Philip Walter Archer, Norman Painting, war von der ersten Stunde bis 2009 einer der langjährigen, allgemein beliebtesten männlichen Kollegen des Archer-Teams, was ihm den Status eines Patriarchen verlieh, aber auch den des am längsten in einer laufenden Soap beschäftigten Schauspielers. Aufgrund seiner musikalischen Fähigkeiten, die ebenfalls in der Serie (in der er u.a. eine Zeitlang Organist und Leiter des Kirchenchors war) gewürdigt wurden, war er auch Komponist eines Kirchenlieds über Ambridge, das über die Serie hinaus berühmt geworden ist. Darüber hinaus hat er viele Ideen für die Serie geliefert und auch zahllose Skripte selbst verfaßt.

Kurzum ist die Serie, von manchem als Inbegriff englischer Identität betrachtet, viel mehr noch als hierzulande langjährige Fernsehserien wie Lindenstraße, ein wichtiger, 13minütiger Teil des britischen Alltags geworden, an dem eigentlich niemand vorbeikommt, der sich für Großbritannien und die britische Kultur interessiert. Zum einen deshalb, weil die Belange des Ambridger Geschehens unbedingt öffentlich diskutiert werden, ebenso wie die Belange des Königshauses, politische oder sonstige wichtige innerbritische Probleme. Die Inselnation spaltet sich gewissermaßen in "The-Archers-listening-" und "Non-Archer-listening-"families, so daß sich beinahe jeder Standpunkt und Streitpunkt zum ländlichen Leben am Hören oder Nicht-Hören ausgerechnet dieser Sendung definiert. Und auch wenn das fiktive Dorf Ambridge nur in einem Londoner Studio des BBC aus Tonkonserven und Stimmen zusammengemischt wird, glauben doch viele, daß Ambridge bzw. die erfundene englische Grafschaft Borchester durchaus exisitieren. In einem Interview mit Partricia Green (Jill Archer) erklärte selbst die Schauspielerin, für sie und die gesamte Crew sei das imaginäre Dorf in diesem Studio real und nirgends sonst hätte sie soviel über das Landleben gelernt. Das ebenso rein fiktive Borchester wird gemeinhin zwischen Warwickshire und Worcestershire, also in den West Midlands südlich von Birmingham angesiedelt.

Die Soap läuft sechs Mal in der Woche jeweils etwa 12 bis 13 Minuten und fesselt regelmäßig rund fünf Millionen Zuhörer mit alltäglichen Dramen um "Love and Romance, Birth and Death, Business, Farming, Cooking and Village Life..." Daß dies nicht langweilig wird, dafür sorgen äußerst prägnante Charaktere und extrem verzwickte Beziehungs- und Familiengeschichten. So wird dem Neueinsteiger wohl erst nach einiger Eingewöhnungszeit klar, daß beispielsweise Emma Grundy nicht die Frau von Ed Grundy ist, sondern von Eds Bruder Will, von dem sie einen kleinen Sohn (George) hat, nun aber ein Kind von Ed erwartet... Oder daß Helen Archer ihren Sohn Henry einem Samenspender verdankt und nicht wie viele glauben, der schwule Mann von Adam, Ian, der sich so rührend und liebevoll um Helen bemüht, der eigentliche Daddy ist...

Erstmals am 1. Januar 1951 auf Sendung gegangen, ist die Serie (die nur samstags einen Tag Pause einlegt) bis heute im Radio, im Internet sowie weltweit auf allen britischen Militärbasen zu empfangen. Für Englischlernende hierzulande ist das tägliche kostenlose Download- Angebot eine spannende Möglichkeit, dem Geschehen in Ambridge beizuwohnen und nebenbei ein wenig sicherer beim Zuhören der Sprache zu werden. Denn die Protagonisten sprechen in den meisten Fällen moderat, doch die Dorfgemeinschaft setzt sich aus Menschen aus den verschiedensten Teilen Großbritanniens zusammen, was den Vorteil hat, daß sich die einzelnen Sprecher gut an ihrer Sprechweise unterscheiden lassen. Das kann jedoch für den ausländischen Hörer durchaus lern- und gewöhnungsbedürftig sein, wird er doch von Jazzers schottischem Genuschel oder dem ländlich breiten Dialekt manch alt eingesessener Dorfbewohner nicht verschont, und muß sich ebenso an den speziellen Jugendcode mancher Sprößlinge wie an manch andere sprachliche Eigenart gewöhnen. Ambridge ist ein typisch ländliches Dorf im 21. Jahrhundert, mit allen Freuden und Problemen, und entsprechend allen sprachlichen Ebenen, die sich hierbei anbieten.

Der Hörer lernt die verschiedenen Charaktere, ihre beruflichen Höhen und Tiefen, ihre Probleme, ihre Sorgen um Umwelt und Natur, ihre Liebesaffären, die Kirchenfeste und jährlich wiederkehrenden Rituale von den Pantomines an Weihnachten bis hin zu Guy Fakes Day kennen und gewinnt dadurch einen guten Einblick in landestypische Eigenheiten und Gewohnheiten.

Um reinzuhören hat man hierzulande nur eine, doch sehr bequeme Möglichkeit: Wer "The Archers" googelt, wird schon an erster Stelle auf die richtige Webseite gelenkt, auf der er unter Podcast die letzten sechs aktuellen Sendungen vorfindet. Am Sonntag wird zusätzlich eine sogenannte Omnibus-Version angeboten, in der die Ereignisse der gesamten Woche in einer MP3-Datei zusammengefaßt werden.

Ein Einstieg in die Serie ist jederzeit möglich, denn sowohl eine dreiminütige Einführung (gesprochen von dem beliebten Schauspieler Stephen Fry, aber auch als Text erhältlich) als auch seitenweise geschichtliches Hintergrundmaterial, sowie kurze Charakteristiken der einzelnen Protagonisten "Who is who", aber auch eine Karte, auf der die Örtlichkeiten verzeichnet sind, helfen Lücken im Geschehen aufzufüllen, wo sich welche anfinden und lassen sich einfach über die Homepage im Internet abrufen. Siehe unter: www.bbc.co.uk/archers

Der Einstieg in dieser Woche bietet einen besonderen Reiz, der zudem noch einmal die Bedeutung der Serie für Großbritannien unterstreicht: Ihre Königliche Hoheit, Herzogin von Cornwall und Ehefrau von Prinz Charles, Camilla, wird in der Episode am Mittwoch höchstpersönlich in der Serie auftreten, in ihrer Funktion als Präsidentin der Nationalen Osteoporose Gesellschaft, die ihr jährliches Treffen im Grey Gables abhalten. Nach eigenen Angaben langjähriger Fans der Soap, folgt die 63jährige Dame Prinzessin Margareth (Schwester der Queen) nach, die ebenfalls schon 1984 persönlich in einer Folge zu hören war. Camillas Text war den Angaben zufolge Anfang Dezember aufgezeichnet worden und wird am 16. Februar ausgestrahlt.

Aber auch in Ambridge erweisen sich viele Einwohner plötzlich als Royalisten, die dem großen Ereignis entgegenfiebern. Allein Linda Snail, unter ihren vielen anderen Tätigkeiten im Ort auch "senior receptionist" (Empfangsdame) des Grey Gables Hotel, setzt beispielsweise Himmel und Hölle in Bewegung, um auch unter Lohnverzicht an ihrem freien Tag eine Sonderschicht einlegen zu dürfen...

In diesem Sinne
Happy listening!


15. Februar 2011