Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → SPRACHEN

FRANZÖSISCH/172: Lehrmittel - Petit Dictionnaire des Faux Amis (SB)


Béatrice Gra Steiner, Burkhard Dretzke und Margaret Nester


Petit Dictionnaire des Faux Amis



Daß man auch beim Gebrauch einer Fremdsprache auf falsche Freunde hereinfallen kann, ist keine Neuigkeit mehr. Daß sie jedoch so zahlreich sein könnten, daß sie ein kleines Wörterbuch füllen, schon eher. Rund 700 dieser Begriffe von A-Z sind in Reclams "Petit Dictionnaire des Faux Amis" versammelt. Nimmt man sich täglich einen davon vor, braucht das fast zwei Jahre. Und - wie die Autoren eingangs plausibel machen - haben sie lediglich eine Auswahl getroffen, die sich an der Häufigkeit des Gebrauchs orientierte.

"Falsche Freunde", französisch "faux amis" oder englisch "false friends", nennt man im Fremdsprachenunterricht sowie in den angegliederten Wissenschaften im engeren Sinne Worte, die einem Begriff einer anderen Sprache zwar in der Aussprache oder Schreibweise stark ähneln und damit eine bestimmte Bedeutung nahelegen, dieser aber keineswegs oder nur zum Teil entsprechen. Falsche Freunde leiten auf die falsche Spur. Ein populäres Beispiel hierfür ist das deutsche Handy, mit dem man im englischen Sprachraum auf Unverständnis stößt, denn die Bedeutung des Wortes "handy" bedeutet dort "etwas zur Hand haben", "handlich, praktisch", "nützlich" und dergleichen, woraus sich vielleicht die Herkunft der deutschen Bezeichnung herleiten läßt, allerdings nicht mehr. Im Englischen heißt das Mobiltelefon "mobile". Das Frotteebadehandtuch, mit dem man sich in Deutschland kräftig trockenreiben (frotter = reiben etc.) kann, ist im Französischen gänzlich unbekannt. Dort sagt man "serviette éponge"... Nun, wer will sich hierzulande mit einem "Schwamm(hand)tuch" den Rücken trocknen? Wir überlassen das also getrost den Franzosen.

In einem weiteren Sinne versteht man unter falschen Freunden zudem Wortpaare, "die orthographisch und phonetisch-phonologisch ähnlich, aber nicht identisch sind, deren Bedeutung aber gleich ist." (S. 5) Diese präsentieren sich vielleicht als Rechtschreibfrage, stellen aber weiter kein Problem dar und sind höchstens noch von sprachwissenschaftlichem Interesse. Als Faux Amis im weitesten Sinne benennen die Autoren des Lexikons darüber hinaus lexikalisch-grammatische Strukturen "wie sie in bestimmten, in den verschiedenen Sprachen abweichenden Wortverbindungen (Kollokationen) auftauchen oder in Hinblick auf Kollokationen andere Bedeutung haben können." (S. 5)1 D.h. daß die wörtliche Übersetzung einer Wortkombination oder die direkte Übertragung einer in einer Sprache gebräuchlichen grammatischen Konstruktion in eine andere zu Fehlern - und was viel wichtiger ist - zu Mißverständnissen führen kann.


Der falsche Freund hat sprach- und ideengeschichtliche Wurzeln

So ist der eingefleischte, ewige oder überzeugte deutsche Junggeselle der französische "célibataire endurci" oder "obstiné", wortwörtlich also "verhärtet, abgehärtet" etc. oder "eigensinnig, stur" etc., was eine gewisse Verknöcherung oder Gefühlskälte nahelegen könnte. "Célibataire" hingegen leitet sich ab von "célibat: Ehelosigkeit, Ledigenstand" und klingt absolut nicht zufällig wie das kirchliche "Zölibat". Über den Begriff des célibataire endurci hinaus ist noch der "vieux garçon" gebräuchlich, der am ehesten dem ewigen Junggesellen entspräche und familiär, aber auch mit verächtlichem Unterton gebraucht werden kann. Alles in allem deutet sich - von der Seite der Sprach- und Sozialgeschichte her gesehen - eine unterschiedliche Einstellung der französischen und der deutschen Gesellschaft zum Ledigenstand des Mannes an, was sicherlich zu nicht nur sprachwissenschaftlichen Studien Anlaß böte - die allerdings nicht an diese Stelle gehören.

Während ein solches Wortpaar in der Regel in den umfangreicheren Sprachlexika oder im eigens auf solche Fälle spezialisierten Kontextwörterbuch zu finden ist, kann man sich die oben erwähnten unterschiedlichen grammatischen Strukturen und Satzkonstruktionen allein auf dem Wege des Sprachunterrichts, des Gesprächs und/oder durch umfassendere Lektüre oder dergleichen zu eigen machen.

Die wichtigsten Faux Amis findet man im vorliegenden Dictionnaire versammelt und sollte dieses auch als solches nutzen: als ein Nachschlagewerk für den Zweifelsfall oder im Zusammenhang mit einer Lektüre oder einer genaueren Begriffsklärung.


Bei überlegtem Gebrauch ist es eine wunderbare und hilfreiche Idee

Das Lexikon ist bei aller Fülle ausgesprochen übersichtlich gestaltet: links oben steht das deutsche Wort (fettgedruckt), darunter das französische (fettgedruckt), mit dem man es verwechseln kann. Rechts findet man die jeweilige "wahre" Bedeutung (fettgedruckt) und einen Beispielsatz dazu (kursiv).

Beispiel:

Café n.

le café



le salon de thé
Ce salon de thé est très réputé pour ses pâtisseries. 1. Kaffee m.
Ce café est trop amer, je ne peux pas le boire. 2. Kneipe f., Lokal n.
Tous les matins, je vais au café lire mon journal.

Nichts kann allerdings so sehr verwirren wie eine geballte Ladung Faux Amis, die man aus dem Kontext gerissen auswendig zu lernen versucht. Auch bei großem Interesse an sprachlicher Präzision und an Fragen der differierenden Sprach(geschichtlichen)entwicklung können die Faux Amis auf diese Weise erneut in die Irre führen.

Der ununterbrochene Rückbezug auf die Muttersprache beim Erlernen einer Fremdsprache kann sich als gewichtiges Hindernis erweisen. Durch den ständigen Vergleich fehlt die Unbefangenheit und damit die Offenheit gegenüber der anderen gedanklichen Welt, die sich mit der Fremdsprache gleichzeitig vermittelt, und man kann sich auf diese Weise Verständniszugänge verschließen. Wer sich in einer Fremdsprache bereits sicher fühlt, mag allerdings auch beim hemmungslosen Stöbern für seine eventuellen Sprach- und Herkunftsstudien eine Menge Erkenntnisgewinn aus der Auseinandersetzung mit den "falschen Freunden" ziehen. Und je hemmungsloser man vorgeht, desto mehr falsche Freunde werden sich einfinden, die sich je nach Umgang als Schlüssel oder als Verhängnis erweisen können - ganz wie im wahren Leben...

1 Kollokation - hier: inhaltliche Kombinierbarkeit sprachlicher Einheiten;
z.B. "hoch" mit "Turm" aber nicht: "hoch" mit "Mensch".


Béatrice Gra Steiner, Burkhard Dretzke, Margaret Nester
Petit Dictionnaire des Faux Amis
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19778
Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2010
191 Seiten, 5,00 Euro
ISBN 978-3-15-019778-3


Und - wie sollte es auch anders sein - es gibt das ganze auch für die englische Sprache:

Burkhard Dretzke, Margaret Nester
False Friends - A Short Dictionary
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19756
Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2009
192 Seiten, 5,00 Euro
ISBN 978-3-15-019756-1



29. Juli 2010