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BUCHBESPRECHUNG/012: Beck, Hg. - Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft (SB)


Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft


Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, herausgegeben von Lorenz Friedrich Beck



Max Planck zählt sicherlich zu den ganz großen deutschen Physikern, die diese Wissenschaft bis heute entscheidend mitgeprägt haben. Der 1848 in Kiel geborene Forscher lebte und lehrte in einer Zeit, in der das vorherrschende physikalische Weltbild regelrecht umgekrempelt wurde. Namen wie Helmholtz, Kirchhoff, Einstein und Schrödinger, um nur wenige bekannte Forscher neben Planck zu nennen, sind untrennbar mit diesem epochalen Umbruch in den Jahrzehnten vor und nach dem Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert verbunden.

Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 hat Lorenz Friedrich Beck ein Buch über Max Planck und die nach ihm benannte Gesellschaft herausgegeben. Die Absicht ihres Archivs besteht darin, Dokumente zu Max Planck, "vor allem autographe Schriften und Bildmaterial zusammenzutragen und der Forschung zugänglich zu machen" (S. 7), schreibt der Herausgeber in seinen Vorbemerkungen. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf drei Aufsätzen zu Plancks "Leben und Werk" (S. 17 - 100) und vor allem auf "Dokumente" (S. 101 - 360), die Originalschriften sowie Fotos und Bilder von Planck zeigen. Je ein Grußwort haben der frühere Bundespräsident Horst Köhler und der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Peter Gruss zu dem Buch beigetragen. Den Abschluß bilden Planck-Zitate, zeitgenössische Pressestimmen, Literatur von und über den theoretischen Physiker, ein Interview mit der letzten Haushältern der Familie Planck in Berlin und ein Selbstporträt "Geheimrat Max Planck" aus dem Jahr 1942 (Tonaufnahme, CD).

Ein weiteres staubtrockenes Buch über einen verstorbenen deutschen Physiker, dessen Kopf bereits Briefmarken und Münzen ziert, dachte der Rezensent bei sich, als er das Buch das erste Mal in den Händen hielt, und blätterte im Geiste dieses Vorurteils eher erwartungsarm eingestimmt in den Seiten. Tatsächlich schien bereits das Geleitwort Köhlers mit seiner sprachlich gestelzten Einleitung - "Deutschlands Ruhm als Wissenschaftsnation hat Tradition" (S. 11) - die Befürchtung zu bestätigen. Die drei längeren Aufsätze zu "Max Planck im Kaiserreich und in der Weimarer Republik" von Lorenz Friedrich Beck, "Max Planck im 'Dritten Reich'" von Eckart Henning und "Der Physiker Max Planck" von Dieter Hoffmann lassen zwar die klare Konzeption des Herausgebers, den Physiker vor dem Hintergrund der geschichtlichen Epoche und seine Bedeutung für die Physik zu beschreiben, deutlich erkennen. Wenngleich flüssig geschrieben, vermitteln sie jedoch nicht jenen Esprit, der vermutlich notwendig wäre, um in der heutigen Zeit der medialen Überfrachtung und Informationsflut eine Leserschaft dafür zu gewinnen, ausgerechnet zu diesem Buch zu greifen.

Doch dann fiel der skeptische Blick auf den umfangreichen Dokumentarteil, der zahlreiche Briefe Max Plancks enthält, unter anderem aus der Zeit der Machtergreifung und -konsolidierung der Nationalsozialisten in Deutschland. Damals war der Physiker zunächst noch Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts; es wurde später in Max-Planck-Institut umbenannt. Siehe da, plötzlich sprang ein Funke über, das Interesse war geweckt und ließ den Rezensenten lange Zeit nicht mehr los.

Hatte er bei den vorangegangenen Beschreibungen Plancks als eine Person, die den Nationalsozialisten innerlich Widerstand leistete und sich für jüdische Forscher eingesetzt hat, noch vermutet, daß hier wieder einmal eine zumindest angebräunte Weste weiß gewaschen werden sollte, so belegen die abgelichteten schriftlichen Dokumente, daß Planck keineswegs ein Diederich Heßling war. Dabei hätte der Physiker aus Karrieregründen sein Fähnchen so wie diese Romanfigur von Heinrich Mann stets in den Wind hängen können, aber das tat er nicht. Umgekehrt war Planck ganz sicher auch kein Hans Scholl, der im Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft sein Leben verlor.

Aber Planck hat sich sehr wohl und wiederholt mit seinem Einsatz für jüdische Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund des Berufsbeamtengesetzes fristlos entlassen wurden (auch ausgeführt durch seine Feder!), Schwierigkeiten bereitet. Obgleich bürgerlich, konservativ, vaterlandstreu und im Grunde seines Herzens apolitisch, hatte sich Planck am 3.11.1933 an Otto Hahn gewandt und ihn gebeten, die ausgeschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeiter Fritz Haber, Herbert Freundlich und Michael Polanyi zu "Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitgliedern des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie" zu erklären. (S. 150) In einem weiteren Brief, der auf den 21.11.1933 datiert ist, wandte sich Planck an den Reichsminister des Innern mit der Bitte, das Berufsbeamtengesetz nicht auf die Assistentin Dr. Mathilde Hertz anzuwenden, da sie für ihren Forschungsbereich unabkömmlich sei. (S. 151) Im Namen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften lud Planck am 29. Januar 1935 offiziell zur Gedächtnisfeier für den inzwischen verstorbenen Fritz Haber ein, für den er sich Jahre zuvor persönlich bei Reichskanzler Adolf Hitler verwendet hatte - wenn auch vergebens. Die Feier wurde durch eine Verfügung verboten, aber als Privatveranstaltung der Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft zugelassen. (S. 161)

Weitere biographische Eckdaten belegen, daß Planck seine Funktion als Präsident einer wichtigen Forschungsgesellschaft unter den Nationalsozialisten erfüllt hat, dennoch nicht genügend auf Parteilinie lag. 1937 wurde er als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft abgelöst. Nach Kriegsende wurde er unter der Kontrolle der Alliierten wieder auf diesen Posten eingesetzt. 1946 nahm er als einziger Deutscher auf der Feier der Royal Society London zum 300. Geburtstag Isaac Newtons teil. (S. 18) Max' Sohn Erwin Planck wurde am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet, da er zu der Widerstandsgruppe um die Stauffenberg-Verschwörer gehörte.

In autographen Schriften zu lesen, wie ein Forscher und Wissenschaftsfunktionär einerseits die von der Politik an ihn gestellten Forderungen erfüllt hat, andererseits auf die Zeit danach hoffte und ansonsten bemüht war, im bescheidenen Rahmen, aber mit Beharrlichkeit das Interesse der Wissenschaft gegen die politischen Interessen durchzusetzen, erweist sich als überaus spannend. Und mit Blick auf Plancks mit Bedacht gewählten Formulierungen in den Briefen an Politiker als anregend dazu. Denn der Frage, ob nicht auch Wissenschaftler eine politische Verantwortung tragen - der Fortschritt der damaligen Blütezeit der Physik hat eben auch zu furchterregenden Fortschritten in der Militärtechnologie geführt -, sollte sich jede Forschergeneration stellen.

Das vorliegende Buch liefert in Form einer Zusammenstellung an unterschiedlich aufgearbeiteten und präsentierten Fakten einen teils hochinteressanten Einblick in das Leben und Wirken des Nobelpreisträgers für Physik und Begründers der Quantenphysik Max Planck.

24. Juni 2010


Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft
Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 aus den Quellen
zusammengestellt vom Archiv der Max-Planck-Gesellschaft,
herausgegeben von Lorenz Friedrich Beck
Durchgesehene Neuauflage, Berlin 2009
360 Seiten, ISBN: 978-3-927579-24-8