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BIBLIOTHEK/319: Uni Erfurt - drei neue Amplonius-Stipendiaten (idw)


Universität Erfurt, Jens Panse, 09.10.2007

Von mittelalterlicher Versdichtung bis zur Kalenderberechnung

Drei neue Amplonius-Stipendiaten forschen in der Bibliotheca Amploniana an der Universität Erfurt


Gleich an drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt für das Wintersemester Amplonius-Stipendien vergeben können. Die diesmal ausgewählten Stipendiaten werden drei Monate lang verschiedene Handschriften der Bibliotheca Amploniana untersuchen und ihre Forschungsergebnisse bei Vorträgen und Kolloquien in der Universität vorstellen. Das aus Drittmitteln finanzierte Forschungsprogramm wurde Anfang des Jahres gestartet und stößt bereits jetzt auf rege Aufmerksamkeit im In- und Ausland.

Die Themen, an denen Sabine Lütkemeyer, Georg Schuppener und Andrej Tchernodarov arbeiten, sind breit gestreut: Neben der 'Ecloga Theoduli', einer mittelalterlichen Versdichtung, und Computus-Handschriften (Abhandlungen zur Kalenderberechnung) wird auch ein erst vor wenigen Monaten in den Beständen gefundenes mittelalterliches Evangeliar des byzantinisch-slawischen Ritus untersucht. "Diese Vielfalt der Themen zeigt die bemerkenswerte thematische Breite des Amploniananbestandes. Zugleich wird hierbei aber auch deutlich, dass die Initiativen der Universität Erfurt in ganz unterschiedlichen Disziplinen auf Resonanz stoßen", so Prof. Dr. Benedikt Kranemann, Dekan der Fakultät.

Von den Forschungen der Stipendiaten erhofft man sich auf dem Campus neue Impulse für Arbeiten zur mittelalterlichen 'Bibliotheca Amploniana'. Zugleich soll bei anderen Wissenschaftlern das Interesse für die mittelalterlichen Handschriften und die später hinzugekommen Buchbestände geweckt werden. Insbesondere Nachwuchswissenschaftler möchte man für die zwar schwierige, aber interessante und wissenschaftlich ergiebige Arbeit an den mittelalterlichen Quellen begeistern. Um so wichtige sei es, so die Erfurter Wissenschaftler, dass die Stipendiaten verpflichtet sind, über ihre Arbeitsergebnisse in der Universität zu berichten.

"Mit ihrem speziellen geistes- und kulturwissenschaftlichen Zuschnitt bietet gerade die Universität Erfurt eine ausgezeichnete Infrastruktur für Forschungen in der Amplonia", meint Dr. Brigitte Pfeil, Mitarbeiterin im Fakultätsprojekt. So profitiert vor allem der Theologe, Slawist und Altertumswissenschaftler Dr. Andrej Tchernodarov, Weimar, von einem wissenschaftlichen Umfeld, das für seine Arbeiten über ein mittelalterliches ostkirchliches Evangeliar geradezu ideal ist. Mit Lehrstühlen für Orthodoxes Christentum, Slawistik, Liturgiewissenschaft und neutestamentliche Textforschung findet er in Erfurt jene Spezialisten und Spezialbibliotheken, die seine Forschungen an der bislang unbeachteten Pergamenthandschrift südslawischer Provenienz befördern. Tchernodarov wird das Evangeliar, das deutliche Merkmale liturgischen Gebrauchs aufweist, unter ausgewählten liturgischen und textlichen Aspekten untersuchen. Dabei geht es ihm vor allem darum, Unterschiede der west- und ostchristlichen Kulturkreise im liturgischen Bereich herauszuarbeiten.

Mittelalterliche Versdichtung und Schullektüre stehen hingegen im Mittelpunkt des Forschungsprojekts der Altphilologin Dr. Sabine Lütkemeyer, Jena. Sie untersucht zwei Überlieferungszeugen der in den Schulen des Mittelalters häufig benutzten 'Ecloga Theoduli'. In diesem Verstext, der ursprünglich im neunten oder zehnten Jahrhundert entstand, werden in den Wortgefechten zwischen dem Ziegenhirten Pseustis (Lügner) und der Schafhirtin Alithia (Wahrheit) mythologische und alttestamentliche Stoffe verarbeitet. Im Zusammenhang mit den Erfurter Texten interessiert Frau Lütkemeyer ganz besonders, was die Kommentatoren an dieser Schrift besonders reizte, und ob sie beispielsweise allein den christlichen Inhalt des Gedichts interpretieren wollten oder sich auch für die antike Mythologie um ihrer selbst willen interessierten.

In den Bereich der Naturwissenschaften hinein begibt sich der Germanist und Mathematiker Prof. Dr. Dr. Georg Schuppener, Leipzig, mit seinen Untersuchungen zu den 'Computus'-Schriften der Amploniana. Aus dem reichen Bestand dieser Texte in der 'Bibliotheca Amploniana' hat er die anonymen Handschriften bzw. Handschriftenfragmente für seine Forschungen ausgewählt. An ihnen will er u. a. untersuchen, welche Verfahren von Astronomie und Kalenderrechnung sich hier nachweisen lassen. Schuppener wird zudem versuchen, die bisher anonymen Texte besser im Kosmos mittelalterlicher Wissenschaft und Theologie zu verorten, indem er nach möglichen Autoren, Entstehungsorten und der Einbindung in bekannte Traditionslinien fragen wird. Aber auch eventuellen Bezügen zwischen der Theologie und den anonymen mittelalterlichen astronomischen Überlegungen will er nachspüren.

Auch für das kommende Sommersemester sollen wieder Amplonius-Stipendien ausgeschrieben werden. Über die Stipendien und die laufenden Arbeiten zur Amploniana informiert die Universität auf ihrer Homepage.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-erfurt.de/amploniana/stipendiaten.php

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution425


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Erfurt, Jens Panse, 09.10.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2007