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REZENSION/055: Heinz G. Konsalik - Der Jade Pavillon (China) (SB)


Heinz G. Konsalik


Der Jade Pavillon



Von Anfang an kann sich der Leser von Konsaliks "Jade Pavillon" des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Roman anhand eines amerikanischen Touristenführers geschrieben worden ist. Die mehr als farblose Beschreibung von Land und Leuten und die von antikommunistischer Meinungsmache getragene Story sprechen ebenso dafür wie die Fastfood-Oberflächlichkeit, mit der das Alltagsleben der Miao-Volksgruppe und das der angesehenen Han- Chinesen geschildert wird.

Um dem spürbar am Reißbrett einer Konsalik- Schnellschreibwerkstatt konstruierten Handlungsstrang die nötige "Würze" zu verleihen, ergeht der Autor sich eingangs bewährtermaßen in der Schilderung von Grausamkeiten, die selbstverständlich von einem kommunistischen Polit-Kommissar und seinen Rotgardisten verübt werden. Wie bösartig Kommunisten sind, illustriert beispielsweise folgende Aussage, die auf die ausführliche Schilderung einer Greueltat des Kommissars Chang folgt:

" Von da an hatten die Rotgardisten einen großen Respekt vor dem Kommissar Chang, und wo man sich früher zuflüsterte: "Was will er bei uns? Wir sind die kleinen Generäle Maos, wir können uns selbst befehligen", sagte man jetzt: "Es ist gut, daß er da ist. Er riecht die Klassenfeinde." " (S. 30)

Die Romanhandlung, eine laue Liebesgeschichte zwischen Lida, einer armen, aber wunderschönen (natürlich) Angehörigen des Miao- Volkes und Jian, einem wohlhabenden jungen Han-Chinesen aus standesbewußtem Elternhaus, ist nach dem "Prinz liebt Bauernmädchen"-Muster gestrickt und so vorhersehbar, daß es fast schon wieder überrascht. Selbstredend wollen Jians Eltern dessen Heiratspläne vereiteln. Seine boshafte Schwester, eine engagierte Partei-Kommunistin nach übelstem Karrierezickenklischee, und sein adelsstolzer Vater, ein einflußreicher Arzt, tun alles, um das Liebespaar auseinanderzubringen. Sie bieten Lidas Vater Geld an, damit er sie zum Lösen der Verbindung zwingt. Doch der arme Dorflehrer, der als ewiges Opfer der politischen Strömungen dargestellt wird, die das Land heimsuchen, weist das Angebot empört zurück. Mit seiner kommunistischen Überzeugung hat das allerdings nichts zu tun. Er ist ein stolzer Miao und bewahrt sich heroisch seine Ehre und seine Redlichkeit.

Konsalik tut seine Empörung über die Armut der chinesischen Landbevölkerung in großen Worten kund, als es etwa darum geht, daß der Medizinstudent Jian in Erwägung zieht, in dem Miao-Dorf eine Arztpraxis zu eröffnen:

" Dann lernst du Hunger und Elend kennen. In Huili kann niemand einen Arzt bezahlen. Schon die Medizin der Heilkundigen ist teurer als der Tod. " (S. 178)

Was Konsalik allerdings unter Armut versteht, wird deutlich, als er eine gewöhnliche Alltagsmahlzeit der Miao-Familie beschreibt, die selbst für deutsche Arme geradezu ein Festmahl darstellt:

... Reis, das Fleisch in einer dunklen, scharfen Soße, Kohlgemüse mit schmalen Speckstreifen und die Suppe mit Glasnudeln und Tofuwürfeln. (S. 179)

Daß viele chinesische Familien monatelang von nichts als subventioniertem Kohl leben, wenn sie überhaupt das Glück haben, welchen zu bekommen, steht im Touristenführer des Autors vermutlich nicht drin.

Benannt ist der Roman nach einer kunstvollen Jade-Schnitzarbeit, einem kleinen Pavillon, den Jian Lida nach ihrer ersten Liebesnacht schenkt. Das Kunstwerk birgt eine geheimnisvolle Macht, da es angeblich von einem Mönch gesegnet worden ist. Es wird zu Lidas ständigem Begleiter, ihrer Kraftquelle und ihrer Verbindung zu Jian, wenn er fort ist. Selbst einem esoterisch- magischen Erscheinungen zugeneigten Leser dürfte es jedoch schwerfallen, dem flach und hintergrundslos geschilderten Phänomen etwas Faszinierendes abzugewinnen.

Vermutlich, um seinem Roman den Anstrich von Authentizität zu verleihen, läßt Konsalik in regelmäßigen Abständen bekannte politische Ereignisse (z.B. die Kulturrevolution) in seinen Handlungsstrang einfließen, was schließlich darin gipfelt, daß er seine Helden Lida und Jian auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" das Massaker vom 4. Juni 1984 miterleben läßt. Doch keine Angst, sie kommen unverletzt davon, denn als einer der Panzer bedrohlich auf sie zurollt, wird er von einem geheimnisvollen Strahl aus dem Jade-Pavillon getroffen und dreht unverrichteter Dinge ab. Angesichts der grausamen Realität des Massakers muten derartige Phantastereien ähnlich geschmacklos an, als ließe Batman in einem Konzentrationslager seine Superkräfte spielen. Auf derselben Linie müßte man wohl auch Konsaliks Alternative zum chinesischen Kommunismus anzusiedeln: eine Jade- Pavillon-Gesellschaft, die mit Glücksstrahlen schießt.

Sicherlich ist Konsalik nie ein Vertreter der anspruchsvolleren Unterhaltungslektüre gewesen, doch mit diesem Roman ist es ihm gelungen, sein eigenes Niveau noch deutlich zu unterbieten. Ein echtes Beispiel für in der Massenproduktion verkommenes, miserables Schriftstellerhandwerk.


Heinz G. Konsalik
Der Jade Pavillon
Blanvalet, München 1991
377 Seiten
ISBN 3-7645-05920-8