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REZENSION/145: Kelley Armstrong, Darkest Powers - Schattenstunde (Fantasy) (SB)


Kelley Armstrong


Darkest Powers: Schattenstunde



Die bereits 2010 im PAN-Verlag erschienene Trilogie "Darkest Powers" ist im Mai 2013 vom Knaur Taschenbuch Verlag erneut herausgegeben worden. "Schattenstunde" führt den Leser in eine Welt ein, in der es zwar Dämonen, Halbdämonen, Werwölfe, Magier, Hexen und Schamanen geben soll, jedoch treten sie hier im ersten Band von "Darkest Powers" nur ansatzweise in Erscheinung.

Die Handlung wird aus Sicht der 15-jährigen Chloe Saunders erzählt, die erst spät ihre erste Periode bekommt, womit das Erwachen ihrer paramentalen Fähigkeiten einhergeht, wie das bei Kelley Armstrongs anderen Romanen auch so üblich ist. Nun kann Chloe Geister sehen, was sie ziemlich aus der Fassung bringt und Aufmerksamkeit erregt, die ihr den Aufenthalt im Lyle-Haus, einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche, einbringt. Chloe ahnt, daß mit dem Lyle-Haus und seinen Bewohnern irgend etwas nicht stimmt, als sie feststellt, daß außer ihr noch andere Kinder paranormale Fähigkeiten besitzen. Die Brüder Simon und Derek, deren verschwundener Vater Magier ist, machen ihr klar, daß sie eine Nekromantin ist, die nicht nur Geister sehen, sondern auch beschwören kann. Das heißt sie kann die Geister von Verstorbenen zwingen, in ihre Leichen zurückzukehren, was diese nicht gerade witzig finden.

Wie die Geister der im Keller verscharrten Leichen zu berichten wissen, war der Erbauer des Lyle-Hauses ein Magier, der Versuche an anderen Paranormalen unternommen hat. Somit ist das vermehrte Auftreten parapsychischer Fähigkeiten unter den Jugendlichen des Lyle-Hauses kein Zufall. Soll womöglich auch mit ihnen experimentiert werden? Dafür gibt es keine Hinweise, jedoch wird so jemand, wie Chloes Zimmergenossin Liz, die ihre Kräfte nicht beherrschen kann, verlegt. Wohin, kann Chloe nicht in Erfahrung bringen, so daß sie befürchtet, etwas Schlimmes sei mit ihrer gerade erst gewonnenen Freundin geschehen, zumal sie ihr als Geist erscheint.

Das Thema hätte Stoff für einen durchaus gelungenen Plot abgeben können, doch was die Autorin daraus gemacht hat, ist eine blutleere Story mit etlichen Durchhängern. Zwar ist sie mit zwei bis drei Horror- und Verfolgungsszenen durchsetzt, die zwischendurch mal für geringfügige Spannung sorgen, doch verödet die ganze Geschichte leider am sozialen Hickhack der Jugendlichen untereinander.

Da Chloe ihre Gabe, mit Geistern sprechen zu können, ablehnt, läßt sich auf diesem Thema leider auch keine Handlung aufbauen. Die Geister tauchen auf und verschwinden wieder, ohne eine tragende Rolle zu spielen. Es geht nicht darum, was sie von Chloe wollen könnten, und deshalb geht sie auch nicht auf sie ein. Anzuerkennen, Nekromantin zu sein, hat bei ihr nur zur Folge, daß sie das Schizophren-Etikett, das ihr die Ärzte aufgedrückt hatten, gegen ein anderes auswechselt. Sie fragt sich nicht, was diese Gabe für sie bedeuten kann, denn sie wäre viel lieber normal. Neugierde und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind bei ihr nicht vorhanden.

Was macht diesen Roman nur so langweilig?

Es fehlt an zusammenhängenden Hintergrundinformationen, weshalb es schwer fällt, bei den smalltalkgestützten und abgebrochenen Dialogen nicht die Lust zu verlieren, herausfinden zu wollen, um was es hier eigentlich geht. An detaillierten Beschreibungen einzelner Szenen mangelt es eigentlich nicht, auch kommt der Umgang der Jugendlichen untereinander recht authentisch rüber, aber wenn die Jugendsprache vor lauter Authentizität ins Unverständliche abgleitet, weil die Autorin darauf verzichtet, sie durch die Beschreibung der Mimik oder der Gedanken zu verdeutlichen, macht das wenig Sinn.

Die Autorin versucht hier, sich in die Gedankenwelt Heranwachsender hineinzuversetzen, doch ihre Vorstellungskraft scheint nicht sehr ausgeprägt zu sein. Denn was sie zum Ausdruck bringt, ist so dürftig, daß es nur in ständigen Wiederholungen die Seiten zu füllen vermag.

Wie auch in ihren anderen Romanen gelingt es Kelley Armstrong nicht, eine atmosphärisch dichte Umgebung zu schaffen, die den Leser einhüllt und mitnimmt. Ähnlich wie bei ihren Romanen um die Werwölfin Elena bedingt der Erzählstil aus der Ich-Perspektive, daß sie selten weiter als über die Nasenspitze hinausschaut. Der Leser nimmt zwangsweise nur an den Gedanken und Empfindungen der Hauptperson teil und bleibt in einem sich ständig ums Ego drehenden Geschehen gefangen, das sich noch nicht einmal mit dem beschäftigt, was in der Vergangenheit passiert ist.

Man erfährt hier im ersten Band dieser Trilogie lediglich, daß Chloe als kleines Kind bereits Geister gesehen hat, die Mutter früh gestorben, sie beim Vater aufgewachsen ist und daß es eine Tante gibt, die sich für sie verantwortlich fühlt. Das war's. Auch über die anderen Jugendlichen erfährt man nur ganz sporadisch etwas, so daß sie einem gleichgültig bleiben. Die angebliche Gefahr, in der die Lyle-Haus-Insassen schweben, kommt einem künstlich aufgebauscht vor und der Grund, unbedingt fliehen zu müssen, nicht nachvollziehbar. Das ganze Geschehen ist offenbar auf die Folgebände ausgerichtet. Daß man die überhaupt lesen möchte, liegt mitnichten daran, daß dieses Buch einen in atemlose Spannung versetzt hätte, sondern daran, daß auf der letzten Seite etwas Unvorhergesehenes geschieht, nachdem die bisherige Handlung vollkommen überschaubar geblieben war. Auch ein Trick: Wenn es schon nicht gelingt, Spannung zu erzeugen, muß man zumindest auf der letzten Seite einen Knaller bringen.

Im Interview auf den letzten Seiten von "Schattenstunde" erwähnt Kelley Armstrong, den Anstoß für den schon lange gehegten Wunsch, ein Jugendbuch zu schreiben, von den E-Mails einiger Leser bekommen zu haben, die sie eigentlich zu jung für ihre bisherigen Romane hielt. Nach dem ersten Band von "Dark Power" bekommt man jedoch das Gefühl, hier versuche eine erwachsene Frau (Kelley Armstrong ist Jahrgang 1968), sich vorzustellen, wie Teenager heutzutage denken, orientiert sich aber daran, wie sie selbst in ihrer eigenen Jugend vielleicht empfunden hat. Doch heutige Teenager sind nicht nur von dem Gedanken erfüllt, vor ihren Mitschülern und Freunden gut dastehen zu wollen und ja nicht als verrückt zu gelten, wie dies bei Chloe der Fall ist. Die Jugendlichen heute werden mit so viel nicht nur gegenwärtigen, sondern auch ihre Zukunft betreffenden Problemen konfrontiert, daß sie allem Neuen und Ungewöhnlichen gegenüber aufgeschlossen sind und eher mit Verwunderung und Interesse auf so etwas wie paranormale Fähigkeiten reagieren würden.

Die Autorin hätte gut daran getan, weiterhin für Erwachsene zu schreiben. Daß sie ein Feadback von Jugendlichen bekommen hat, hätte ihr eigentlich zeigen können, daß der Erfahrungs- und Empfindungshorizont heutiger Teenager sich von dem der Erwachsenen, die gerne Fantasy-Romane lesen, nicht sonderlich unterscheidet und man nun nicht extra für jugendliche Leser aufbereitete Versionen desselben Themas konstruieren muß.

Man kann nun nur noch hoffen, daß die Story in den Folgebänden an Fahrt aufnimmt.


Kelley Armstrong lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ontario. Sie schreibt hauptsächlich magische Thriller und veröffentlicht in der 'Women of the Otherworld'-Serie unter anderem Kurzgeschichten mit der Werwölfin Elena.

14. Februar 2014




Kelly Armstrong
Darkest Powers - Schattenstunde
Vollständige Taschenbuchausgabe Mai 2013
Titel der Originalausgabe: Darkest Powers: Summoning
Aus dem Englischen von Christine Gaspard
Knaur Taschenbuch Verlag 2013
411 Seiten
€ 8,99
ISBN: 978-3-426-50780-3