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BUCHBESPRECHUNG/034: Das Rätsel · Unbekannte Flugobjekte (Ufologie) (SB)


Hans-Werner Peiniger


Das Rätsel

Unbekannte Flugobjekte



Wieder ein neues Ufo-Buch, möchte man denken, als dieses Jahr Hans-Werner Peinigers "Das Rätsel: Unbekannte Flugobjekte" auf dem Markt erschien. Ein Titel, der dem Käufer nicht viel über den Inhalt verriet. Weder wurde ihm versprochen, "die Wahrheit" über Ufos vermittelt zu bekommen, noch wurde eine Botschaft goldmähniger Außerirdischer zur Rettung der Menschheit angekündigt. Dieser Titel, einfach und sachlich, sollte jedoch charakteristisch für den Inhalt sein. Deutlich zu erkennen ist die Bemühung um einen systematischen Aufbau, jedes Kapitel wurde mit einer eigenen Einleitung versehen. Darunter dann Abhandlungen auch anderer Autoren zu verschiedenen Fragekomplexen innerhalb der Ufologie. Peiniger beginnt mit grundsätzlichen Erklärungen zum Ufo-Begriff, zur Bewertung von Zeugenaussagen und worauf ein Ufo-Forscher zu achten habe. Das ist leider etwas spröde. Nicht, daß es als unwichtig verworfen werden müßte, was er und seine Mitautoren zu sagen haben, schließlich haben Menschen viel Zeit auf die Frage verwendet, wie man Ufo-Erscheinungen klassifizieren kann, um das Phänomen als solches überhaupt erst wissenschaftlich bearbeitbar zu machen, aber sogleich am Anfang mit dem "Pflichtteil" eines Ufo-Buchs, den man als Variante in vielen anderen Büchern auch findet, konfrontiert zu werden, war kein gelungener Griff.

Die Stärke dieses Buchs - Sachlichkeit - ist zugleich auch sein Mangel. Zunächst muß sich der Leser durch eben jene vierzig trockene Seiten eher theoretischer Erwägungen hindurchbeißen, um endlich ans begehrte Marzipan zu gelangen. Dieses ist durchaus vorhanden, nur eben schwer zugänglich. Derjenige Leser, der sich bislang noch nicht mit dem Ufo-Phänomen befaßt hat, muß schon äußerst entschlossen sein, sich dieses Thema unbedingt erschließen zu wollen, um den trockenen Brocken zu schlucken. Die meisten dürften es kaum schaffen. Es ist zwar in der Wissenschaft üblich, zunächst eine Positionsbestimmung vorzunehmen, insofern befindet sich Peiniger mit seinem Ansatz in sicherer Runde, doch das ist nicht gerade leserfreundlich. Die Klassifikationen beispielsweise hätte er gern auch als Anhang bringen können, und Jochen Ickingers Kapitel zu "Zeugenaussagen aus juristischer Sicht" mit seinen der Kriminalistik entlehnten Definitionen zu "Beweisführung", "Zeugenbeweis" und "Zeugenbefragung" wären ebenfalls besser am hinteren Ende des Buchs aufgehoben gewesen.

Nun erhebt das Buch auch nicht den Anspruch, dem Käufer unterhaltsamen Lesestoff zu liefern. So spröde wie der Titel kommt auch nur der Anfang daher. Mehr fürs klammheimliche oder offene Vergnügen sind da schon die aufklärerischen Abschnitte zu klassischen Ufo-Vorfällen, wie zum Beispiel Uli Thiemes Betrachtung des Roswell-Ereignisses. Er verfügt über keine anderen Quellen als andere Autoren auch, und doch wird der zentrale Mythos der Ufologie unter seiner Feder entflochten und nachvollziehbar. Thieme präsentiert nicht nur die geschichtlichen Fakten des Ufo-Absturzes vom Sommer 1947 im US-Bundesstaat New Mexico in präziser und damit deutbarer Weise, er benennt auch die verschiedenen Interessen, die aus einem im Grunde unspektakulären Ereignis eine sensationelle Geschichte gemacht haben. Die Medien hatten einige Tage zuvor das Ufo-Fieber hochgespielt, sogar eine Belohnung für einen echten Ufo-Beweis ausgesetzt, entsprechend befand sich das Ufo-Thema in aller Munde. Doch schon bald nach 1947 wurde der Roswell-Zwischenfall vergessen, er hatte das Sommerloch gefüllt, mehr nicht.

Bis er von Ufo-Autoren in den achtziger Jahren wieder hervorgekramt und als gewaltiges "Cover up" der US-Air-Force- Machenschaften vermarktet wurde. Erst in dieser Zeit sind auch die meisten Interviews mit Zeugen geführt worden, die sich über dreißig Jahre zurückerinnern sollten. Hier verweist Thieme auf eine Vielzahl an Widersprüchen, die zum Roswell-Mythos gehören und niemals endgültig ausgeräumt wurden. Es gibt in der Ufo- Literatur allerdings nur wenige Autoren, denen es gelungen ist, den Mythos zu beschreiben, ohne ihm zu erliegen, das heißt, ohne die Waffen vor seiner Komplexität zu strecken. Thieme hingegen benennt die Widersprüche und kehrt stets auf die wenigen als gesichert anzusehenden Fakten zurück.

Was der Roswell-Zwischenfall für Ufo-Sichtungen, ist die Entführungsgeschichte von Betty und Barney Hill für Abductions. Auch hier machen die Autoren Schröder und Peiniger deutlich, wie sehr die Wunschvorstellung mancher Ufo-Autoren die Feder geführt hat, wenn sie über jene geheimnisvolle Entführung durch Außerirdische schrieben. Während in vielen Sekundärverwertungen die Hill-Abduction so geschildert wird, als sei die Beteiligung finsterer Extraterrestrier zweifelsfrei belegt, erfährt der Leser hier, daß erstens Betty Hill schon vorher sehr viel mit Ufos zu tun hatte, daß zweitens die Entführungsgeschichte im wesentlichen auf Hypnose-Sitzungen (sprich: Fabulierungen) zurückging und daß drittens die Sternenkarte, die Betty Hill angeblich von einem Außerirdischen gezeigt worden war und die sie aus der Erinnerung zeichnete, auch auf andere als die von ihr angegebene Himmelsregion passen könnte. Weitere Fälle und Personen, über die in diesem Buch geschrieben werden, seien hier nur namentlich erwähnt: Pfarrer William B. Gills Sichtung von Außerirdischen im Jahre 1959 in Papua-Neuguinea, Lichterscheinungen 1977 in Langenargen am Bodensee, Prof. Macks Untersuchung von Abduction-Opfern sowie die interessantesten Fälle von Peinigers Ufo-Organisation GEP.

Zudem ließ es sich der Autor nicht nehmen, den Fall Fehrenbach in aller Ausführlichkeit zu präsentieren. Wer ihn noch nicht kennt, für den ist genau dies ein Teil jenes begehrten Marzipans, zu dem man sich erst hindurchbeißen muß, denn es zeigt sozusagen den Sieg des einfachen Menschen über den kopflastigen Wissenschaftler. Es geht dabei um sieben Polaroid-Fotos, die zwei Jungen von einem Ufo in Fehrenbach geschossen hatten. Vertreter einer bekannten deutschen Ufo-Organisation konnten die Bilder trotz Computeranalyse nicht als Fälschung entlarven und hatten erklärt, daß sie wahrscheinlich echt seien. Peiniger, der eine andere (mitunter konkurrierende) Ufo-Organisation leitet, hat die Ufo-Forschung sprichwörtlich auf die Füße gestellt und etwas ganz Einfaches gemacht: er hatte die Spielzeuggeschäfte in der Umgebung der beiden Jungen abgeklappert und ist fündig geworden: die "Robo-Saucer" aus der Serie "Galaxy Space Pocket" glich dem Ufo auf den Fehrenbach-Bildern perfekt. Kurzum: Die beiden Jungen gestanden ihren Streich. Eine Ufo-Dokumentation im ARD am Vorabend hatte sie auf die Idee gebracht. Für die Ufo- Organisation mit höchstem wissenschaftlichen Anspruch waren die Fehrenbach-Bilder ein großer Fleck auf der weißen Weste (wenn auch nicht der einzige, wie Peiniger zu berichten weiß), für den glücklichen Finder des Spielzeug-Ufos hingegen ein Triumph.

Hans-Werner Peiniger
Das Rätsel
Unbekannte Flugobjekte
Moewig, Rastatt, 1998
285 Seiten, 19,80 DM
ISBN 3-8118-1393-5