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REZENSION/010: Erich v. Däniken - Habe ich mich geirrt? (Ufologie) (SB)


Erich von Däniken


Habe ich mich geirrt?

Neue Erinnerungen an die Zukunft



In Anlehnung an sein erfolgreiches Buch "Erinnerungen an die Zukunft" aus dem Jahre 1968 hat Erich von Däniken siebzehn Jahre später einen Nachfolgeband geschrieben, in dem er einige der zuvor angesprochenen Themenbereiche noch einmal aufgreift und vertieft. Ein Schwerpunkt des Buches besteht in der Beschreibung einer Vision einer möglichen menschlichen Zukunft im Weltraum. Von Däniken wiederholt hier in positivistischer Weise bloße Spekulationen von NASA-Ingenieuren, die einige für sie denkbare, zukünftige Weltraumstationen entworfen haben, was durch grafische Darstellungen unterstützt wird. Dabei muß man aber berücksichtigen, daß die Funktion dieser visionären Entwürfe eigentlich in einer allgemeinen Werbung für die Fortsetzung des ungeheuer kostenintensiven Weltraumprogramms gelegen hat und weniger in einer tatsächlichen Verwirklichung dieser verspielten Träumereien.

Nach außen hin werden die verantwortlichen Ingenieure und Manager der NASA von Däniken angesichts seiner typischen journalistischen Wucht, mit der er diese Visionen als fast im Grunde terminlich festgelegte Fixpunkte der menschlichen Zivilisation schildert, sicherlich wohlwollend und väterlich zustimmen, nach innen jedoch ob dieser Naivität abschätzend lächeln. Oder aber, was eine denkbar naheliegendere Variante wäre und von Däniken auch gerecht würde, sie bewundern seine rege Geschäftstüchtigkeit. Wie auch immer, ernsthaft können diese Visionen und die mit ihr verknüpften Behauptungen nicht gemeint sein.

Nehmen wir das Beispiel der NASA-Projektion einer gigantischen Weltraumstation, eines Habitats, wie von Däniken sie nennt. Sie wird von den NASA-Vertretern für das 21. Jahrhundert in Aussicht gestellt. Die Funktion des Habitats stellt der Autor in einen engen Zusammenhang mit der irdischen Überbevölkerung, und er behauptet, daß sie einer Million Menschen Platz zum Leben böte. Angesichts der von Däniken angeführten exponentiell steigenden Wachstumsrate der Erdbevölkerung kann man dies nicht einmal als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen, denn ob nun 4.999.000.000 oder fünf Milliarden Menschen auf der Erde leben - es ist in beiden Fällen zu wenig Nahrung für alle da.

Und dann kommt von Dänikens leichtfedrig zu Papier gebrachter Vorschlag, daß der Mensch aufs All ausweichen sollte! Als ob das die Lösung für die tägliche existentielle Not der Mehrzahl der Menschen wäre. Man mag es Ignoranz, Zynismus oder Naivität nennen, von Däniken verschließt in mehrfacher Hinsicht seine Augen vor gesellschaftspolitischen Realitäten.

Zum einen sind es nicht die Hungernden, die auf der Weltraumstation leben werden, und ihnen kommt es auch nicht zugute, wenn eine Million Menschen die Erde verlassen; abgesehen davon, daß in der Vorbereitungszeit zum Bau eines solchen Projekts ein Vielfaches an Menschen geboren würde. Zahlenmäßig würde sich ein solcher Exodus überhaupt nicht bemerkbar machen.

Zum zweiten: Selbst wenn man die mathematische Gleichung ansetzt und sagt, immerhin würde es eine Million Menschen weniger auf der Erde geben, so käme auch nicht der rechnerische Bruchteil an Verbesserung der Lebensumstände für die Verhungernden durch, weil auf Seiten der Wohlhabenden überhaupt nicht das Interesse besteht, wirklich etwas an den Verhältnissen zu ändern. Drittens erforderte der Bau eines solchen Habitats mehr Energie, als damit eingespart werden könnte. Der für den Bau der Raumstation erforderliche Aufwand muß umgekehrt auf der Erde als Mangel berechnet werden.

Viertens können die wenigen raumfahrttreibenden Staaten in Ost und West ihre verbrauchsintensive Technologie nur deswegen aufrechterhalten, weil die Mehrheit der Menschen Verluste leidet, was sich in Hunger ausdrücken kann. Der Aufwand und Verschleiß, der hinter der Weltraumtechnologie steckt, wird somit nicht von den wenigen Staaten getragen, sondern stets weiter nach "unten" abgewälzt, sonst wäre Weltraumtechnologie nicht durchführbar.

Von Dänikens Versuch auf den ersten einhundert Seiten, die Machbarkeit der Weltraumfahrt zu beschreiben, um daraus abzuleiten, daß die Erde demnach in grauer Vorzeit Besuch aus dem All gehabt haben könnte, führt diametral in die entgegengesetzte Richtung: Nach all den in diesem Buch vorgelegten Daten erscheint die Weltraumfahrt als technologisch nicht bewältigbar. Dazu bedurfte es nicht erst des Challenger-Unglücks, schon vorher hatte es Rückschläge in der Weltraumfahrt gegeben. Und darüber hinaus geht man heute aufgrund unüberwindlicher Probleme im biologischen wie auch sozialen Bereich zu der Überlegung über, vorzugsweise unbemannte Raumfahrzeuge ins All zu senden.

Dennoch fordert von Däniken eine globale Anstrengung der geeinten Menschheit, die den Weltraum erobern soll. Da die Einigkeit aber genau auf die Befestigung der weiter oben angedeuteten Trennung zwischen den vielen Mangel leidenden, Hungernden, bzw. allgemein Produzenten und den wenigen Nutznießern hinausläuft und die unter dieser Diskrepanz Leidtragenden sich vielleicht gar nicht damit einverstanden erklären würden, geht von Däniken sogar noch einen Schritt weiter und fordert, daß die Länder der Erde "zwangsweise zu einem Grundkonsens kommen müssen". Ist es erforderlich auszuführen, was diese Forderung bedeutet? Zeigt nicht die Ausrufung der neuen Weltordnung, daß deren Sicherheitskräfte in Kriegsregionen eingreifen, wo sie massive Interessen haben (Irak-Kuweit, Somalia), und sich dort heraushalten, wo andere Interessen hineinspielen (moslemische Minderheit in Ex-Jugoslawien)? Der geforderte Grundkonsens wäre die Fortsetzung der Kolonialisierung zum Zwecke der Verfügbarmachung mit verfeinerten Mitteln.

Der hier zum Ausdruck gebrachte ordnungsstabilisierende Standpunkt von Dänikens findet sich auch bei seinen archäologischen Themen wieder. Sicherlich ist es nicht die Aufgabe eines Buchrezensenten, in wissenschaftliche Debatten einzugreifen, aber bei einer permanenten Vermeidung eines wesentlichen Umstands, sollte auch er das Wort nicht scheuen. Nehmen wir beispielsweise die ausgedehnten Linien in der Nazca- Ebene südlich von Lima in Peru. Zunächst einmal führt von Däniken verschiedene Erklärungsmodelle zur Entstehung und ursprünglichen Absicht dieser über etliche Kilometer laufenden Linien in der Landschaft an, die, von oben betrachtet, Abstraktionen eines Affen, Astronauten, Vogels, etc. zeigen sollen.

Hoimar v. Dithfurth und der Münchener Patentanwalt Georg A. von Breunig beispielsweise sollen in diesen Scharrbildern einen gigantischen Sportplatz gesehen haben, wo zur Zeit der Inkaherrschaft "Olympiaden" abgehalten wurden. Der Schweizer Henri Stierlein glaubte in diesen schnurgeraden Linien künstlich angelegte Bahnen für die bis zu fünf Kilometer langen Webfäden, die man in den Gräbern der Inkas gefunden hatte, zu erkennen.

Nachdem von Däniken diese und noch weitere Erklärungsversuche dargestellt hat, kontrastiert er dazu seine eigene Theorie und behauptet, daß es sich um Zeichen und Landebahnen für die Götter gehandelt habe. Jene seien mit ihren Raumschiffen auf die Erde gekommen und hätten tiefen Eindruck bei den Eingeborenen hinterlassen. Den Einwand, daß sie wohl kaum Landebahnen benötigt hätten, wischt er beiseite und behauptet, daß die amerikanischen Space Shuttles schließlich auch Landebahnen bräuchten und seine Annahme von daher nicht falsch sein müßte. Nach Dänikens Theorie könnten einstmals Raumfahrer gelandet und bei der Landung Spuren erzeugt haben. Diese wurden von den Eingeborenen aufgegriffen und erweitert, da sie die Raumfahrer als Götter verehrten. Um diese These zu den Scharrbildern von Nazca und an anderen Stellen auf der Welt zu untermauern, schildert er im weiteren Verlauf seines Buchs dann auch Erfahrungen aus der Zeit der Kolonialisation, bei denen die betroffenen Eingeborenen die weißen Eroberer anfangs als Götter angesehen hatten, die vom Himmel kamen und ihnen wundersame Geschenke brachten. (Von Däniken schreibt übrigens nicht über die Stämme, bei denen die weißen Eindringlinge sogleich als solche erkannt und umgebracht wurden.)

Was aber von Däniken und auch die anderen von ihm zitierten Autoren bei ihren Theorien völlig unberücksichtigt gelassen haben, ist der ungeheure Aufwand bei der Schaffung dieser weitläufigen Scharrlinienlandschaft; und das in einem Gebiet, das sich ohnehin schon durch sengende Sonne und absolute Wasserknappheit auszeichnet.

Vielleicht kann sich der Leser ausmalen, daß viele Menschen über einen langen Zeitraum darunter zu leiden haben, um solche Gebilde fertigzustellen. Das macht kein Mensch freiwillig. Es muß eine Gesellschaftsform gegeben haben, in der Menschen durch welche Versprechungen oder Zwangsmaßnahmen auch immer dazu gebracht wurden, große Mühsal auf sich zu nehmen. Ähnliches kann man auch vom Bau der ägyptischen Pyramiden oder dem von von Däniken beschriebenen gewaltigen Borobudur-Komplex auf Java sagen. Jahrzehntelang müssen unzählige Menschen gearbeitet haben, um solche Gigantanlagen zu errichten. Das deutet auf ein bereits sehr subtiles Herrschaftssystem, in dem große Menschenmassen administriert wurden. (Ein kleiner Familienverband oder eine vorzeitliche Jagdgemeinschaft wäre nie zur Errichtung solcher Bauten in der Lage.)

Damit haben wir auch schon eine viel naheliegendere Funktion derartiger Monumentalbauten: Sie hatten für die herrschende Ordnung eine stabilisierende Funktion. Da spielten natürlich Götter mit hinein, die zornig werden konnten und denen man zu gehorchen hatte. In diesem Sinne könnte man sogar sagen, daß die Götter tatsächlich da waren, denn "sie" haben Wirkung gezeigt. Aber das heißt nicht, daß die Götter Raumfahrer einer außerirdischen Zivilisation gewesen waren. Man muß sich vorstellen, daß es in der menschlichen Geschichte nicht immer einfach gewesen war, eine funktionierende Gesellschaftsform aufrechtzuerhalten. Man mußte den Menschen in den entlegendsten Dörfern und Lebensgemeinschaften erst einmal klar machen, daß sie zum selben Volk zählten wie andere, die sie gar nicht kannten, die für sie fremd waren. Die Mittel dazu waren meist sehr brutal, das heißt, so nachhaltig, daß die Menschen sich auch nach längerer Zeit noch daran erinnerten, mit wem sie es zu tun hatten.

Ein sehr wirksames Mittel zur Herrschaftssicherung war sicherlich die Behauptung, mit Göttern im Bunde zu stehen, also auf Geheiß einer höheren Instanz zu handeln. Und was lag näher, als die angeblichen Götter im Himmel anzusiedeln, wo sie nicht zu erreichen waren? Damit blieb das ganze System ungefährdet, denn kein Mensch, sei er auch noch so neugierig oder rebellisch, konnte in den Himmel reisen und überprüfen, ob es die Götter wirklich gibt. Soviel zu den "naheliegenden" Erklärungen, die von Däniken in seinen Büchern so leidenschaftlich gern betont.

Allerdings scheinen auch die Götter, an die der Autor glaubt, gar nicht mal so verschieden von denjenigen zu sein, an die unsere Vorfahren glaubten. In an Blindheit grenzender Technologiegläubigkeit vertritt er die Thesen seiner NASA-Götter noch viel ernsthafter, als sie ursprünglich gemeint waren. So wie er heute daran glaubt, existentielle menschliche Probleme ließen sich mit Hilfe der Technologie lösen, so glaubten damals die Menschen an Götter, die ihrem spezifischen zivilisatorischen Stand entsprachen. Aber das Versprechen damals wie heute ist dasselbe: Der Mensch findet sich in eine gesellschaftliche Ordnung ein, die ihm die existentielle Sorge des Überlebens abnimmt, wenn er sich gleichzeitig den damit verbundenen Bedingungen unterwirft.

Um auf von Dänikens Ausgangsfrage zu kommen: "Habe ich mich geirrt?" - Nein, Herr von Däniken hat die Zeichen der Zeit richtig erkannt. Die Zahlenmystik trägt bei ihm reiche Früchte. So schreibt er zur Unterstützung seiner Technologiegläubigkeit, daß die westlichen Industrienationen rund 25 Prozent der Weltbevölkerung beheimaten, aber knapp 75 Prozent der Weltproduktion liefern, "die Entwicklungsländer mit rund 60 Prozent der Weltbevölkerung 10 Prozent, die Staatshandelsländer mit rund 15 Prozent der Weltbevölkerung 15 Prozent". Leider verschweigt unser Zahlenjongleur, auf welcher Grundlage die Werte zur Weltproduktion zustandekommen, denn dann würde sich sehr schnell herausstellen, daß ein einziges Space Shuttle einen höheren Anteil an der Weltproduktion hat als die Erträge etlicher Dutzend Hektar Reisanbaugebiet - nur daß leider kein Mensch ein Shuttle verzehren kann.

Zum Schluß möchte ich dem Autor aber zugutehalten, daß er einmal mehr gezeigt hat, daß er fesselnde populärwissenschaftliche Bücher schreiben kann. Die Geschichten zu den Reaktionen der verschiedenen Eingeborenenstämme auf die weißen Kolonialisten, seine mythologischen Rückgriffe auf altindische Schriften, ja, sogar die zuvor vom Rezensenten geschmähten Visionen zur Besiedelung des Weltraums werden dynamisch und unbefangen erzählt und bereiten durchaus ein unterhaltsames Lesevergnügen. Das widerspricht keinesfalls der vorherigen Behauptung, hier werde auf Kosten anderer purer Positivismus verbreitet.

Erich von Däniken
Habe ich mich geirrt?
Neue Erinnerungen an die Zukunft
Bertelsmann Verlag, München 1985
288 Seiten
ISBN 3-570-03059-8