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REZENSION/059: Pope - Die UFO-Akte (Ufologie) (SB)


Nick Pope


Die UFO-Akte

Die X-Files des britischen Verteidigungsministeriums



Was erwartet ein Leser, der möglicherweise nichts oder nur sehr wenig von der Ufo-Forschung gehört hat und einen solch hochtrabenden Untertitel "Die X-Files des britischen Verteidigungsministeriums" oder, wie es auf der Innenseite heißt: "Der UFO-Beauftragte des britischen Verteidigungsministeriums packt aus" liest? Nun, er wird, einmal neugierig gemacht, sich möglicherweise denken, daß der Autor einige Interna offizieller Behörden zum ansonsten eher den Boulevard-Gazetten zugeordnetem Ufo-Phänomen preisgeben wird. Denn wer verspricht, daß er etwas auszupacken hat, muß sich an diesem Anspruch messen lassen.

Leider kann Pope gleich wieder einpacken, denn was er auf 348 Seiten zum Besten gibt, ist zu 95 bis 99 Prozent Angelesenes; und der Rest ist auch noch dahingehend diskutierbar, ob Pope tatsächlich etwas zu sagen hat, was über das bisher Veröffentlichte zu diesem Thema hinausginge. Man findet in seinem Buch viele Fälle, die hinlänglich bekannt sind, aber nur sehr wenige, die speziell mit der Ufo-Erfassung des britischen Verteidigungsministeriums zu haben. Diese Handvoll Beispiele wird recht vage beschrieben, die Vorfälle bleiben anonym - was natürlich das gute Recht der Augenzeugen und angesichts der Sensationspresse auch nachvollziehbar ist -, aber was natürliche eine Überprüfung der behaupteten Ufo-Erscheinungen erschwert.

Nick Pope, der Mann aus dem Sekretariat (Air Staff) 2a des britischen Verteidigungsministeriums, hat ein vollkommen unnützes Buch geschrieben. Wenn dies das Ergebnis seiner dreijährigen offiziellen Arbeit an dem Ufo-Thema ist, dann sollten sich die britischen Steuerzahler wirklich einmal fragen, wofür der Staat sein Geld ausgibt. Gewiß, der Autor hat seine Hausaufgaben gemacht. Das heißt, er gibt mit seinen Worten einen Abriß der Geschichte der Ufo-Phänomene wieder. Erwähnt werden natürlich nicht alle Ereignisse, aber doch brav einige herausragende Ufo- Vorfälle, angefangen von den Luftschiffen im vorigen Jahrhundert über die Geisterraketen zwischen den beiden Weltkriegen, die Foo- Fighters im Zweiten Weltkrieg, den Roswell-Vorfall und natürlich auch einige typische britische Vorfälle, allen voran die Ufo- Beobachtungen von Militärpersonal im Rendlesham Forest gegen Jahresausklang 1980.

Nun gut, aber all das ist angelesen und wurde bereits in unzähligen früheren Ufo-Büchern veröffentlicht, zumeist in detaillierterer Form. Wer wirklich Einblick in die einzelnen Ereignisse haben möchte, ist besser beraten, wenn er sich, so weit wie irgend möglich, an die Originalliteratur hält, also an jene Forscher, die vor Ort recherchiert und ihre Ergebnisse veröffentlicht haben; oder aber, sofern das nicht möglich ist, daß sich der Interessiert an Zusammenfassungen von Forschungsarbeiten hält, die detailgenauer sind. Hier sei als ein gutes und vergleichbares Beispiel das Buch des britischen Autors Timothy Good, "Jenseits von Top Secret" (Zweitausendeins), genannt, der vor allem, aber nicht nur, die hinlänglich bekannten Ufo-Vorfälle aus England mit all ihren Widersprüchen und durch sehr viel mehr Dokumentationsmaterial unterstützt, zu präsentieren verstand. Nick Pope kann seinem Kollegen jedoch nicht das Wasser reichen, denn er bleibt stets oberflächlich, faßt zusammen, was andere vor ihm geschrieben, und wirft Fragen auf, die andere vor ihm gestellt haben.

Nun wäre der Leser ohnehin schlecht beraten, würde er von einem Buch über Ufos erwarten, was noch keinem Autor zuvor gelungen ist, nämlich einen Beweis für die Existenz außerirdischer Aktivitäten hier auf der Erde zu liefern. Das versucht Pope vernünftigerweise auch gar nicht erst, statt dessen beschränkt er sich auf die Beschreibung der hinlänglich bekannten Ereignisse und gibt dabei seine persönliche Einschätzung wieder. Allerdings hat das nichts, aber auch gar nichts mit dem Untertitel des Buches, der Autor würde "auspacken", zu tun!

Vielleicht wollte Timothy Good, der das Vorwort zu die "UFO- Akte" verfaßt hat, mit der typisch britischen Zurückhaltung genau darauf aufmerksam machen, als er schrieb, daß das Buch einen guten "Überblick" liefere. Wohlgemerkt, Good verwendete nicht den Begriff "Einblick", denn davon kann tatsächlich keine Rede sein. Es sei denn, man würde es als erhellende Erkenntnis bezeichnen, daß auch Pope offensichtlich mit dem Ufo-Phänomen Geld verdienen wollte, ganz so, wie er es an einer Stelle in Bezug auf andere Autoren oder Forscher konstatiert hat. Doch einen solchen Einblick des Lesers wünscht sich der Autor gewiß nicht.

Nick Pope gelangte, wie er selber schrieb, mehr oder weniger zufällig an den Posten des Ufo-Beauftragten. In dem dreijährigen Zeitraum war es lediglich eine von mehreren Aufgaben, für die er vom Verteidigungsministerium, damals noch unter der Regierung des Konservativen Premiers John Major, bezahlt wurde. So konservativ die Regierung, so konservativ ist aber auch Popes Buch. Er beginnt wie so viele Autoren vor ihm mit der üblichen Ezechiel- Geschichte des alten Testaments, in der nach Ansicht einiger Ufo- Forscher die Landung eines außerirdischen Raumschiffs geschildert wird und wie der Prophet Ezechiel (Hesekiel) damit ins Weltall fliegt. Und obschon Pope darauf verweist, daß der Originaltext des Alten Testaments etliche Male übersetzt und damit sehr wahrscheinlich verfremdet wurde, beläßt er es nicht bei diesen Bedenken, sondern interpretiert die Textstellen - nicht anders als Blumrich oder von Däniken - als Beschreibung eines außerirdischen Raumschiffs. Daß der NASA-Ingenieur Blumrich nach dieser Textstelle des Alten Testaments ein Raumschiff zeichnete, das eklatante Ähnlichkeiten mit einem Entwurf aufwies, den er längst vor dieser Zeit in der Schublade hatte, läßt Pope unerwähnt, würde es doch den Finger auf die grundsätzliche "Wunde" der Ufologie legen, daß sie sich mit Interpretationen und damit letztlich Weltanschauungen befaßt. Blumrich hatte jedenfalls nur das gezeichnet, was er in der Bibelstelle erkannte, genauer gesagt, was er schon kannte.

Das möchte Pope anscheinend doch nicht so sehr in den Vordergrund gerückt wissen, denn es könnte seine guten und mühsam aufgebauten Kontakte zu den britischen Ufo-Gruppen BUFORA und Quest International beeinträchtigen. Denn Nick Pope fühlt sich ein wenig wie Fox Mulder aus der TV-Serie "Akte X", der ebenfalls mit einer Ufo-Gruppe - "Der einsame Schütze" - von Verschwörungstheoretikern zusammenarbeitet. Popes Buchtitel "Die UFO-Akte" orientiert sich absichtlich an diesem Kassenschlager oder, anders formuliert, der Ufo-Zug hat viele Trittbretter ...

Wenn sich der Autor als die Filmfigur Fox Mulder fühlt, dann hat er allerdings nicht dessen Geistesschärfe übernommen, denn Popes Analyse des Ufo-Phänomens bleibt, wie bereits erwähnt, oberflächlich. So behauptet er, daß nach 1945 keine Foo-Fighter mehr gesichtet wurden. Das deckt sich zwar mit den Behauptungen in der einschlägigen Ufo-Literatur - die Hausaufgaben sind also gemacht -, doch ist diese Aussage mindestens fragwürdig und könnte als Anlaß einer grundlegenden Analyse des Ufo-Phänomens dienen: Wie kann ein Phänomen nach 1945 nicht mehr gesehen worden sein, wenn man gar nicht weiß, um was es sich gehandelt hat? Foo- Fighter ist lediglich eine Bezeichnung für ein Phänomen im Luftraum während des Zweiten Weltkriegs, das bei den Alliierten ebenso auftrat wie bei den Deutschen und für das beide Seiten keine Erklärung hatten. Auch nach 1945 wurden Leuchterscheinungen bezeugt, die an den Flügelenden von Flugzeugen auftauchten oder Flugzeuge eine Zeitlang begleiteten und für die man keine Erklärung hat. Sicherlich verwendete man dafür nicht den Begriff Foo-Fighter, aber das Phänomen an sich endete keineswegs mit dem Zweiten Weltkrieg.

Da der Autor den Anspruch erhebt, kein Amateur zu sein (S. 28), sollte er eine solche Behauptung wenigstens an irgendeiner Stelle unter Beweis stellen. Das gelingt ihm allerdings nicht, und erst gegen Ende des Buches räumt er auch ein, daß seine Beschäftigung mit dem Ufo-Phänomen unzureichend war:

Ich stieß während meiner Arbeit im Ministerium zwar auf keinerlei unerwartetes UFO-Material, aber ich hatte aus Zeitmangel nur oberflächlich suchen können. (S. 227)

Der Leser braucht allerdings nicht erst zwei Drittel des Buches gelesen zu haben, um zu dem gleichen Ergebnis zu gelangen. Popes Job als Ufo-Ermittler des Verteidigungsministeriums hat in der Ufo-Szene einen viel zu hohen Stellenwert erhalten. Noch heute, wo jemand anderes seine Arbeit übernommen hat, befaßt sich der Autor mit dem Ufo-Phänomen. Er besucht Kongresse und diskutiert mit anderen Ufo-Forschern in Radiosendungen oder wird von Zeitungen zum Ufo-Thema befragt. Und immer verspricht die Erwähnung seiner einstigen Tätigkeit eine tiefen Blick in das undurchdringliche Reich geheimgehaltener Ufo-Dokumente seitens der britischen Regierung. Aber hinter der Fassade "Nick Pope, der Experte aus dem Verteidigungsministerium" steckt überhaupt nichts. Hier wird eine frühere Tätigkeit wie eine Filmkulisse hochgehalten, und man setzt darauf, daß der Leser nicht zwischen den Zeilen lesen und damit hinter die Stellwand schauen kann.

Gibt es also nichts, das Popes Buch aus der Masse der vielen anderen einschlägigen Ufo-Bücher, die einen Über-, aber nicht Einblick verschaffen, heraushebt? Die Antwort lautet nein. Selbst die wenigen Seiten, auf denen er Fälle beschreibt, die ihm in seiner offiziellen Funktion zugeleitet wurde, tragen nichts zu wissenschaftlichen Analyse des Ufo-Phänomens bei, sondern lediglich zur Statistik.

Wer sich ein wenig für das Thema Ufos interessiert, wird möglicherweise schon von dem Namen Nick Pope gehört oder gelesen haben. Meist wird dabei seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Ufo-Phänomen betont. Na und? Ist diese Selbstverständlichkeit wirklich erwähnenswert? Es gibt viele aufgeschlossene Menschen, das ist nichts Besonderes. Und wenn ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums einräumt, daß er an die Existenz von Außerirdischen glaubt, so entspricht das lediglich dem aktuellen Zeitgeist, denn man wird längst nicht mehr so wie früher belächelt, wenn man die Möglichkeit einer außerirdischen Lebensentstehung, auch einer als intelligent bezeichneten, nicht ausschließt. Pope fordert eine internationale Kommission, die sich des Ufo-Phänomens annehmen sollte, und er selbst bekennt zum Ende des Buchs:

Entweder sind wir allein im Universum, oder wir sind es nicht. Vielleicht sind beide Möglichkeiten gleich plausibel und gleich beängstigend. Ich habe versucht, mich dem Thema leidenschaftslos und ausgewogen anzunähern - aber ich komme immer wieder zu meiner extraterrestrischen These zurück, derzufolge wir von Außerirdischen besucht werden. Ich bin davon überzeugt, daß es Beweismaterial für intelligentes Leben dort draußen gibt und daß sich durch die Leere des Raums eine außerirdische Hand nach uns ausstreckt. (S. 297)

Bleibt dem Leser dieser Zeilen nur noch zu wünschen, daß er seine Hand nicht ausstreckt, wenn er Nick Popes Buch "Die UFO-Akte. Der UFO-Beauftragte des britischen Verteidigungsministeriums packt aus" in der Buchhandlung stehen sieht.


Nick Pope
Die UFO-Akte
Die X-Files des britischen Verteidigungsministeriums
Knaur Verlag, 1998
14,90 DM