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REZENSION/218: Craig Unger - Die Bushs und die Sauds (SB)


Craig Unger


Die Bushs und die Sauds

Öl, Macht und Terror



Fast drei Jahre hat es gedauert, doch inzwischen scheint sich eine halbwegs plausible Gegenerklärung zur offiziellen Version von den angeblich überraschenden Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 zu etablieren. Diese Gegenerklärung lautet, die Regierung von George W. Bush habe nach dem Amtsantritt Ende Januar 2001 aus Rücksicht auf ihre mächtigen Freunde in den ölproduzierenden Staaten am Persischen Golf die Bekämpfung des "islamistischen Terrorismus" im allgemeinen, den Kampf gegen Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" im besonderen vernachlässigt und durch grobe Fahrlässigkeit die Anschläge mitverschuldet, welche sie dann zur Umsetzung schon lange vorbereiteter Pläne zum Sturz der Taliban-Regierung in Afghanistan und des Baath-"Regimes" Saddam Husseins im Irak dankend nutzte. Die Hauptvertreter dieser These sind Bushs früherer Finanzminister Paul O'Neill, der ehemalige Terrorbekämpfungskoordinator der Regierungen Bush und Bill Clinton, Richard Clarke, der Filmregisseur, Buchautor und Politprovokateur Michael Moore und der Journalist Craig Unger, dessen Buch zu diesem Thema, "Die Bushs und die Sauds - Öl, Macht und Terror", soeben in der deutschen Übersetzung erschienen ist.

Allein in den USA hat Michael Moores furiose, in Cannes mit der diesjährigen Palme D'Or ausgezeichnete Anti-Bush-Tirade "Fahrenheit 9/11" seit ihrem Kinostart Ende Juni mehr als 100 Millionen Dollar eingespielt und sich somit zum mit Abstand finanziell erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten entwickelt - ein Phänomen, das auf eine große Unzufriedenheit eines Teils der Amerikaner mit der bisherigen, quasireligiösen Erklärung der Bush-Regierung für den sogenannten "globalen Antiterrorkrieg" und dessen Gründungsakt, den "11. September" schließen läßt. Parallel dazu rangiert seit einigen Wochen Craig Ungers "Die Bushs und die Sauds", dessen Thesen einen wichtigen Eckpfeiler von "Fahrenheit 9/11" darstellen, ganz oben auf den Bestsellerlisten weltweit. Doch es stellt sich die berechtigte Frage, ob die Gegenerklärung zur offiziellen Verschwörungstheorie um die Flugzeuganschläge nicht das darstellt, was man im Geheimdienstjargon einen "limited hang-out" nennt, das heißt eine überarbeitete, von auffälligsten Widersprüchen bereinigte, einige "Fehler" einräumende Version der ursprünglichen Legende.

Es fällt auf, daß Unger in seiner Kritik an der republikanischen Bush- Regierung speziell in Bezug auf ihre Mitverantwortung für die Flugzeuganschläge nicht im wesentlichen über die Vorwürfe hinausgeht, die im 2003 erschienenen Bericht des gemeinsamen Geheimdienstausschusses von Repräsentantenhaus und Senat oder im Ende Juli 2004 vorgelegten Abschlußbericht der "unabhängigen" 911- Kommission erhoben werden, nämlich die "islamistische Bedrohung" unterschätzt zu haben und nicht energisch genug gegen die Terrortruppe Bin Ladens vorgegangen zu sein. Wahrscheinlich weil Unger den US-Demokraten nahesteht - was sich nach einem Blick auf die in der Danksagung des Buchs aufgelisteten Personen wie Bill Moyers, die Nations-Herausgeberin Katrina Vandel Heuvel oder Sidney Blumenthal, der ehemaliger Berater Bill Clintons denken läßt -, deckt sich seine Position weitestgehend mit der des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry.

Was lange Zeit als Spinnerei vermeintlich unverbesserlicher Verschwörungstheoretiker abgetan wurde - die Behauptung, daß mehr als 100 Mitglieder der saudischen Elite, von denen der eine oder andere eventuell Vorkenntnisse von den Flugzeuganschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon gehabt haben könnte, in den ersten Tagen nach dem 11. September 2001, zu einem Zeitpunkt also, als der zivile Luftverkehr in den USA praktisch vollständig zum Erliegen gekommen war, mit offizieller Erlaubnis der Bush-Regierung in ihre Heimat fliegen durften -, steht inzwischen unter anderem dank der fleißigen Recherchearbeit Craig Ungers und seines Auftritts in "Fahrenheit 9/11" als unumstößlicher Fakt fest. Für die wundersame Nachsichtigkeit, mit der Washington die reichen Saudis, darunter sogar mehrere Familienmitglieder des einstigem CIA-Verbindungsmanns und späteren Terrorschrecks Osama Bin Laden, behandelt hat und die im krassen Widerspruch zur Festnahme und monatelangen Inhaftierung von mehr als eintausend meist völlig unschuldigen Moslems steht, hat es bis heute keine vernünftige Erklärung gegeben. Unger führt die Operation auf die vielschichtigen Beziehungen zwischen dem Bush-Clan und dem saudischen Königshaus zurück und verweist unter anderem auf das Treffen zwischen dem US-Präsidenten und seinem Familienfreund Prinz Bandar bin Sultan Bin Abdul Asis, dem langjährigen saudischen Botschafter, am 13. September 2001 im Weißen Haus.

Bei einem Auftritt in der NBC-Politsendung "Meet The Press" am 25. April dieses Jahres bestritt Bandar, bei jenem Treffen mit Bush über die Evakuierung der saudischen Landsleute gesprochen zu haben. Statt dessen behauptete er, das FBI um die Genehmigung für die Flüge ersucht und diese erwirkt zu haben. Wie befremdlich die Vorstellung ist, das FBI hätte von sich aus bei den Ermittlungen um den größten Massenmord der US-Kriminalgeschichte auf die Reisewünsche irgendwelcher vagabundierenden Ölscheichs Rücksicht genommen, scheint dem Multimillionär Bandar nicht in den Sinn zu kommen. Wie dem auch sei, kurz nach dem Fernsehauftritt Bandars bei NBC erklärte John Iannarelli, FBI-Sprecher im Bereich der Terrorbekämpfung, die US- Bundespolizei hätte "nicht die geringste Rolle bei der Genehmigung dieser Flüge" gespielt.

Bereits Ende 2003 hatte Richard Clarke, der ehemalige Koordinator für Terrorismusbekämpfung im Nationalen Sicherheitsrat, zugegeben, persönlich grünes Licht für die sonderbaren Heimflüge der reichen Saudis gegeben zu haben. Clarke zufolge machte man sich damals in Riad und Washington Sorgen, daß die Saudis angesichts der aufgebrachten Atmosphäre und der allgemeinen Hysterie Opfer von Vergeltungsaktionen und Übergriffen werden könnten, sollten sie in den USA bleiben. Nach eigenen Angaben will Clarke die Flüge erst genehmigt haben, nachdem ihm das FBI versichert hatte, daß keiner der Evakuierten irgendwelche "terroristischen" Verbindungen unterhielt. Gegenüber solchen Versicherungen - ob von Clarke oder dem FBI, sei dahingestellt - sollte man größte Skepsis walten lassen.

Aus einigen im März dieses Jahres veröffentlichten Dokumenten des US- Zolls geht hervor, daß zwischen dem 11. und dem 15. September 2001 von Flughäfen in den USA, darunter New York, Washington, Dallas, Atlanta, Chicago, Houston, Los Angeles, Boston, Denver, Detroit, San Francisco, Newark und Cincinnati, insgesamt 160 saudische Gäste die Heimreise antraten. Die Maschine mit den meisten Saudis an Bord - nämlich 46 - hob am 13. September vom New Yorker Flughafen JFK ab. Bislang ist die US-Grenz- und Zollbehörde die einzige offizielle Stelle, die positiv auf einen entsprechenden Antrag der konservativen Anwaltsvereinigung Judicial Watch auf Herausgabe von Informationen über die Evakuierungsaktion reagiert hat. Zu der umstrittenen Operation schweigen sich bis heute das Amt für Heimatschutz, das Außenministerium, das FBI, das Justizministerium und auch das Transportministerium aus.

Craig Unger liefert erneut die Bestätigung für die erstmals am 6. November 2001 von der BBC-2-Nachrichtensendung Newsnight aufgestellte These, wonach Spezialagenten des FBI nach dem Machtwechsel in Washington und dem Einzug von George W. Bush ins Weiße Haus den Befehl erhalten hätten, bei Ermittlungen, welche Osama bin Laden und die saudische Königsfamilie tangieren könnten, einen Gang zurückzuschalten. Newsnight bezog sich damals unter anderem auf ein anonymes, hochrangiges Mitglied der US-Geheimdienste, das erklärte, daß es zwar immer gewisse "Einschränkungen" bei Ermittlungen gegen die Saudis gegeben habe, daß man aber nach der Machtübernahme durch die mit der US-Ölindustrie eng befreundete Bush-Administration noch zurückhaltender vorgehen mußte.

Unger verweist auf bislang geheimgehaltene Unterlagen aus den laufenden Ermittlungen des FBI zum 11. September, aus denen hervorgeht, daß Osama Bin Laden möglicherweise nicht das einzige "schwarze Schaf" seiner Familie ist. Demnach würden seit Jahren mindestens zwei weitere Mitglieder des umfangreichen Bin-Laden-Clans der Verbindung zu einer möglicherweise "terroristischen Organisation" verdächtigt. Aus einem von Unger zitierten Dokument geht hervor, daß das FBI bereits Mitte der neunziger Jahre Ermittlungen gegen Abdullah Bin Laden wegen Verbindungen zur World Assembly of Muslim Youth (WAMY), einer eventuellen Tarnorganisation, eingeleitet hatte. Abdullah, der bis zum Herbst 2001 zusammen mit seinem Bruder Omar in Falls Church nahe Washington D.C. wohnte, war WAMY-Direktor in den USA. Doch bevor eindeutig geklärt werden konnte, ob die Organisation oder die beiden Bin-Laden-Brüder über irgendwelche Kontakte zur "Terrorszene" verfügten, wurden 1996 die Ermittlungen aus ungeklärten Gründen eingestellt, so Unger. Dank der von Prinz Bandar maßgeblich initiierten Sonderflugaktion haben sich die beiden Bin-Laden-Brüder einer Befragung durch das FBI zu den Flugzeuganschlägen entziehen können.

Bereits im Frühjahr 2002 ist der angeblich fehlende Ermittlungswille des FBI in Sachen saudischer Umtriebe zum Gegenstand eines öffentlichen Prozesses gemacht worden. Robert G. Wright jr., ein langjähriger FBI-Ermittler, hat damals vor einem Gericht in Washington Klage gegen die US-Bundespolizei erhoben, weil diese ihn daran gehindert hatte, ein Buch über seine im Vorfeld der Flugzeuganschläge durchgeführten Ermittlungen im Großraum Chicago gegen islamistische Gruppierungen zu veröffentlichen. Bereits im Juni 1998 führten die Ermittlungen Wrights zur Einfrierung der Bankkonten von Mohammed Salah und dessen Quranic Literacy Institute, auf denen sich 1,4 Millionen Dollar befanden. Salah war zuvor von einem Gericht in Israel schuldig gesprochen worden, Hamas-Mitglieder zu rekrutieren und auszubilden. Bei der Aktion gegen Salah handelte es sich um das allererstemal, daß zivile Pfändungsgesetze in den USA angewandt wurden, um Besitztum eines verurteilten "Terroristen" zu beschlagnahmen. Salah behauptete später, er sei von den Israelis mittels Folter gezwungen worden, sich zu Straftaten zu bekennen, die er gar nicht begangen habe. Der Ex-FBI-Mann Wright dagegen ist bis heute der Meinung, daß man, hätte man die Ermittlung mit der Bezeichnung Vulgar Betrayal forciert, womöglich auf die Finanzierung der Anschläge vom 11. September 2001 gestoßen wäre.

Doch vielleicht ist es gerade das, was man an den entscheidenden Stellen des FBI, der CIA, im Pentagon und im Weißen Haus nicht wollte. In seiner damaligen Beschwerdeschrift gegen das FBI verwies Wright auf die bereits 1999 bekanntgewordenen Verbindungen zwischen dem Quranic Literacy Institute Salahs und dem saudischen Multimillionär und Investor Jassin Al Qadi. Auf der von US- Justizminister John Ashcroft und FBI-Chef Robert Mueller im Oktober 2001 veröffentlichten Liste der Personen und Organisationen, deren Konten wegen mutmaßlicher "Terror"-Verbindungen weltweit einzufrieren wären, wird Al Qadi namentlich genannt. Seine Stiftung wird mit folgenden Worten beschrieben:

Muwafaq ist eine Al-Kaida- Tarnorganisation, die von reichen saudischen Geschäftsmännern finanziert wird. Blessed Relief ist die englische Übersetzung. Saudische Geschäftsmänner haben Millionen von Dollar über Blessed Relief an Bin Laden überwiesen.

Zum Vorstand der Muwafaq-Stiftung gehörten laut Craig Unger zwei Mitglieder der Bin-Mahfus-Familie. Die Bin-Mahfus-Familie besitzt die National Commercial Bank of Saudi Arabia, das größte Finanzhaus des Königreichs, und ihre Mitglieder gelten als Finanzberater des saudischen Herrscherhauses. Der 76jährige Chalid Bin Mahfus, dessen Schwester mit Osama Bin Laden verheiratet sein soll, trägt seit dem spektakulären Zusammenbruch seiner Bank of Credit and Commerce International (BCCI) im Jahre 1991 den unrühmlichen Titel "Bankier des Terrors". Bekanntlich spielte das auch "Bank of Crooks and Criminals International" genannte Institut, dessen Konkurs die Anleger um zehn Milliarden Dollar brachte und von Robert Morgenthau, dem ehemaligen Staatsanwalt für den New Yorker Bezirk Manhattan, als "größter Bankenbetrug der Finanzgeschichte" bezeichnet wurde, eine Schlüsselrolle sowohl bei der Finanzierung der afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjetunion als auch beim unsäglichen Iran-Contra-Skandal der Reagan-Bush-Jahre (Nebenbei bemerkt hat sich Anfang der neunziger Jahre bei der parlamentarischen Aufarbeitung, sprich Entschärfung, der explosiven BCCI- und Iran- Contra-Affären, bei denen es um illegale Rüstungsgeschäfte und Geldwäsche aus dem internationalen Drogenschmuggel in astronomischer Höhe ging, der Senator aus Massachusetts, John Kerry, besonders verdient gemacht). In den achtziger Jahren war die BCCI nach Angaben Craig Ungers auch Großinvestor bei der texanischen Ölfirma Harken Energy des damaligen Vizepräsidentensohns George W. Bush. Später behauptete dieser, von der BCCI-Beteiligung an Harken "keine Ahnung" gehabt zu haben.

In vorliegenden Buch wird auch die erstmals im November 2002 vom Nachrichtenmagazin Newsweek verbreitete Erkenntnis behandelt, wonach die Frau von Prinz Bandar, die Königstochter Prinzessin Haifa Al Faisal, über Konten bei der Riggs Bank in Washington den Aufenthalt von zwei der 19 mutmaßlichen Flugzeugentführer vom 11. September, Chalid Al Midhar und Nawaz Al Hasmi, in den USA mitfinanziert hat. Die Newsweek-Meldung hat damals Prinz Bandar, der seit Jahren beste Kontakte zur CIA wie auch zur Öl- und Rüstungsindustrie der USA unterhält, in einige Erklärungsnot gebracht. Bandar, der seit 1983 die saudische Botschaft in Washington leitet, hat beispielsweise aus seinem eigenen Vermögen eine nach Ex-Präsident George Bush sen. benannte Bibliothek in Texas maßgeblich finanziert. Der umtriebige Diplomat, der früher selbst Kampfpilot war, soll bei der Unterstützung des Iraks durch Washington und Riad im Krieg gegen den Iran in den achtziger Jahren, bei der Förderung der arabischen Mudschaheddin gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan wie auch später beim Aufbau der Taliban eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben. Ihm werden sogar gute Chancen zugesprochen, in Saudi-Arabien Nachfolger seines erkrankten Onkels und Mentors König Fahd zu werden.

Wie außerordentlich eng Bandar mit der derzeitigen Führung in Washington liiert ist, zeigt eine ebenfalls im April durch die Veröffentlichung des jüngsten Buchs des Watergate-Helden Bob Woodward - "Plan of Attack" - bekanntgewordene Angabe, wonach "Bandar Bush" bei einem Treffen mit Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Generalstabschef Richard Myers im Dezember 2002 im Weißen Haus vom Entschluß der Washingtoner Kriegsfalken, den Irak zu überfallen, erfuhr und Einblick in deren strenggeheime Angriffspläne erhielt. Zu diesem Zeitpunkt soll nicht einmal der Außenminister und ehemalige Generalstabschef Colin Powell in die Kriegstrategie eingeweiht gewesen sein. Diese von Woodward publik gemachte Episode untermauert nur die These Craig Ungers von einer Kumpanei der Familien Bush und Saud, welche Mitte der siebziger Jahre, als George Bush sen. selbst CIA-Direktor war, entstanden ist und die der dringenden Klärung bedarf.

Gegen den Vorwurf Ungers, den "islamistischen Terrorismus" in aller Welt zu unterstützen, wehren sich die Saudis mit Händen und Füßen. Wegen angedrohter Verleumdungsklagen seitens der Bin-Mahfus-Familie hat der Random-House-Tochterverlag Secker & Warburg von der geplanten Veröffentlichung von "House of Bush, House of Saud: The Secret Relationship between the World's Two Most Powerful Dynasties" - so der Originaltitel - in Großbritannien abgesehen. Zwar hat inzwischen der kleinere Verlag Gibson Square Books das Buch Ungers auf den britischen Markt gebracht, doch für die Brisanz dieser Unternehmung spricht die Tatsache, daß die britische Dependance des elektronischen Vertriebsunternehmens Amazon.com den Titel nicht führt.

Die Abwehr der Saudis dagegen, die alleinige Verantwortung für die Aktivitäten der Söldnertruppe Bin Ladens angelastet zu bekommen, ist leicht nachzuvollziehen. An der Rekrutierung, Ausbildung, Bewaffnung, Finanzierung und Indoktrinierung der arabischen "Afghanen", welche im Auftrag Washingtons die Sowjetunion in die Knie gezwungen haben, waren die USA, Saudi-Arabien und Pakistan gleichermaßen beteiligt. Die Hauptverantwortung Washingtons für diese größte verdeckte Operation in der Geschichte der CIA hat Craig Unger bei seiner Kritik an Riad aus den Augen verloren und die dubiose, bis heute undurchsichtige Rolle des pakistanischen Inter-Service Intelligence (ISI) im sogenannten Antiterrorkrieg nicht erwähnt.

Was den missionarischen Drang Riads, die von ihm präferierte, reaktionäre wahhabitische Form des Sunnitentums in die übrige islamische Welt zu exportieren, betrifft, ist nicht ganz einzusehen, warum Unger besonderen Anstoß daran nimmt, daß die mit Petrodollars ausgestatteten Saudis über Banken wie die BCCI, Konzerne wie die Bin- Ladin-Gruppe und islamische Wohltätigkeitseinrichtungen versuchen, Einfluß überall dort, wo sie nur können, zu gewinnen. Zu den gleichen Mitteln greifen auch seit eh und je die westlichen Großmächte, wo und wann es ihnen paßt. Seit Jahrzehnten tummeln sich Geheimdienste und Spezialstreitkräfte im Bereich der internationalen Nicht- Regierungsorganisationen, operieren getarnt genauso bei christlichen Wohltätigkeitsorganisationen wie bei muslimischen. Daß dabei militante Gruppen ausgespäht, infiltriert, bekämpft und gelegentlich zu irgendwelchen verbrecherischen "Aktionen" animiert werden, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 wirft beispielsweise die Tatsache, daß die beiden bereits erwähnten, mutmaßlichen Flugzeugentführer Chalid Al Midhar und Nawaz Al Hasmi bei ihrem Aufenthalt in San Diego bei einem langjährigen Informanten des FBI gewohnt haben, erhebliche Fragen auf.

Im Buch Ungers wird der Name Osama Bin Laden im Zusammenhang mit dem ersten Anschlag auf das New Yorker World Trade Center von 1993 genannt. Doch abgesehen davon, daß der saudische Multimillionär keinen Hehl aus seiner Sympathie für den seit Mitte der neunziger Jahre im US-Gefängnis sitzenden, blinden Scheich Omar Abdul Rahman macht, beziehungsweise sich offen für die Anwendung von Gewalt gegen die "westlichen Kreuzritter" und ihre jüdischen, sprich israelischen Verbündeten ausspricht, ist für den unvoreingenommenen Betrachter zunächst keinerlei strafrechtlich relevante Verbindung ersichtlich. Wenn man aber einen Bogen zwischen dem ersten WTC-Anschlag und den Botschaftsanschlägen von 1998 spannen wollte, so müßte man sich beispielsweise mit der Person Ali Mohammeds befassen. Das aus Ägypten stammende Mitglied der US-Spezialstreitkräfte war, vermutlich als V- Mann Washingtons, in beide Anschläge verwickelt, im letzten Fall sogar als Bodyguard Bin Ladens. Ali Mohammed wird im Buch Ungers mit keinem Wort erwähnt.

Dasselbe gilt für Erkenntnisse, wonach die Regierung des Sudans 1996 den USA mehrmals angeboten hat, Bin Laden auszuliefern, beziehungsweise die Informationen der Geheimdienste Khartums über Al Kaida mit Washington zu teilen. Bis heute hat es keine befriedigende Erklärung gegeben, warum die Clinton-Regierung nicht auf das sudanesische Angebot eingegangen ist. Ebenfalls vergeblich sucht man bei Unger Wissenswertes über die Rolle Bin Ladens und der Tausenden von heiligen Kriegern auf der Seite der bosnischen Moslems bei der Zerschlagung Jugoslawiens. Doch diese dem Westen willkommenen, mit dem Pentagon abgestimmten und nicht gänzlich unbekannten Verdienste des islamistischen Söldnertums - in Europa wohlgemerkt - werden überhaupt nicht behandelt. Dafür beklagt Unger "die Ermordung tausender Moslems" während der Balkankriege der neunziger Jahre, erwähnt aber die Tausenden Opfer auf kroatischer und serbischer Seite mit keinem Wort. Hängt dies vielleicht damit zusammen, daß der Tod vieler Serben auf das Konto des Demokraten Bill Clinton und seiner Regierung geht?

Als eines der größten Rätsel im sogenannten "Antiterrorkrieg" gilt die Frage, weshalb die USA Bin Laden nicht längst vor dem 11. September 2001 gefangengenommen oder liquidiert haben, beziehungsweise warum dieser sich trotz aller markigen Sprüche George Bushs bis heute immer noch auf freiem Fuß befinden soll. Craig Unger versucht, die Nachsicht des Bush-Clans gegenüber den saudischen Verbündeten als die Ursache dessen auszumachen. Doch allein während der Amtszeit von Bill Clinton soll sein Nationaler Sicherheitsrat viermal ein Veto gegen geplante Operationen der CIA und des Pentagons zur Entführung oder Ausschaltung des in Afghanistan weilenden Al- Kaida-Chefs eingelegt haben. Derzeit ermittelt sogar das US- Justizministerium gegen Clintons ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Sandy Berger, weil dieser im letzten Jahr im Rahmen der Untersuchung der 911-Kommission streng geheime Dokumente aus dem US-Nationalarchiv, welche gerade diesen stutzigmachenden Aspekt des Kampfes Washingtons gegen das Al-Kaida-"Netzwerk" betreffen, entwendet und zum Teil vernichtet haben soll.

Wer sich mit der Geschichte des symbiotischen, von Korruption und Geldverschwendung gekennzeichneten Verhältnisses zwischen der Supermacht USA und ihrem ölreichen Vasallen Saudi-Arabien befassen und sich auf unterhaltsame Weise ein Bild von den schier unglaublichen Geschäftsverbindungen zwischen den texanischen Good Ol' Boys und den arabischen Wüstensöhnen machen will, kommt mit der kurzweiligen, packenden Lektüre von Craig Unger voll auf seine Kosten. Man muß sich dabei nur stets gewahr sein, daß sich der Autor hier einer etwas einseitigen, den US-Demokraten gefälligen Geschichtsschreibung befleißigt, indem er praktisch alle negativen und problematischen Folgen der jahrzehntelangen, informellen Allianz zwischen Riad und Washington verkürzt und sie der Bush- und der Saud- Familie anlastet.

25. August 2004


Craig Unger
Die Bushs und die Sauds
Öl, Macht und Terror
Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm,
Hans Freundl, Norbert Juraschitz und Thomas Pfeiffer
Originaltitel "House of Bush, House of Saud - The Secret Relationship
between the World's Two Most Powerful Dynasties"
Piper Verlag, München 2004
421 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 3-492-04630-4