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REZENSION/256: Luisa Hartmann - Holiday Job: Detective! (engl/deutsch) (SB)


Luise Hartmann


Holiday Job: Detective! - Ferienjob: Detektiv!

An Adventure in English



Lehrreiche Bücher, die auch noch den Anspruch besitzen, so unterhaltsam zu sein, daß man die pädagogische Zielsetzung nicht spürt, fasse ich grundsätzlich nur einmal und mit spitzen Fingern an, um sie nämlich an einen sicheren und trockenen Ort zu stellen, wo sie weiter niemanden in seiner Persönlichkeitsentwicklung stören. Die Mischung aus Spaß, Unterhaltung und vermitteltem fremdsprachlichen Lehrinhalt ist gewöhnlich inkompatibel: Der unterhaltsame oder komische Anteil (meist in deutscher Sprache, damit die Pointen auch nicht überlesen werden) wirkt gezwungen oder albern und lenkt im schlimmsten Fall sogar bei der Aufnahme des eigentlichen Lernstoffes ab. Viele Schulbücher sind voll von ambitionierten Comedy-Einlagen, Comics und anderen Beispielen, wie man es lieber nicht machen sollte.

Im Falle der neuen zweisprachigen Krimi-Reihe für 10jährige von Langenscheidt, die laut Pressetext auf einem Mix aus deutschen Erzähltexten und englischen Dialogen fußt, mit welchem dem Leser, wie ich dachte, "Chunks" oder "Phrases" also: Versatzstücke aus dem Alltagsenglisch quasi im nebenherein in Ohr und Hirn gehen sollen, war ich noch nicht so weit gekommen, es ungelesen in den Bücherschrank zu packen. Das Buch von Luisa Hartmann "Holiday Job: Detective! lag also noch auf meinem Schreibtisch, als ich eine kurze Beschäftigung für eine gewitzte 12jährige suchte, ein bekanntlich toternstes Alter, in dem die Heranwachsende kindlichen Spielen und Scherzen nur mit gönnerhafter Herablassung gegenübersteht, während sie eine Phase pubertärer Albernheit noch nicht ganz erreicht hat. Einem spontanen Einfall folgend, gab ich ihr das Buch mit der Bitte, ein paar Seiten darin zu lesen und mir zu sagen, was sie davon halte.

Das Buch ist zwar eigentlich für 10jährige gedacht, aber da laut Klappentext 2 Jahre Englisch zum Verständnis der englischen Anteile vorausgesetzt werden, was bei nicht allen heutigen 10jährigen unbedingt die Regel ist, andererseits die Heldin der Geschichte selbst schon 12 Jahre alt sein soll, schienen mir die Bedingungen für eine fachkundige Verbraucheranalyse durchaus realistisch zu sein.

Ich hatte erwartet, daß sie mir das Buch nach wenigen Minuten mit jenem mitleidigen Lächeln, mit dem sie gewöhnlich meine Scherze bedenkt, wiederbringen würde. Doch als ich sie nach einer Stunde unter Aufbietung meiner gesamten Überzeugungskraft von dem Buch trennen mußte, wurde ich selbst neugierig, las... und las es durch.

Mit anderen Worten: Der Langenscheidt Verlag verspricht mit diesem Buch nicht zu viel, wenn er es als ganz "normales" Jugendbuch bezeichnet, dessen englischsprachige "Kompetenz" von den "jungen Krimilesern" kaum bemerkt wird. Von dem noch auf dem Klappentext erwähnten "Englischlernen" ist schon rein gar nichts zu spüren. Warum auch ich es eigentlich so schnell durchgelesen habe, fragte ich mich erst hinterher.

Das Buch hat eine einfache Handlung, die dem Leser vielleicht gerade deshalb so nahe geht, weil man sich gut in die einzelnen Personen hineinversetzen kann und sich in vielen Situationen wiedererkennt. Auch dem erwachsenen Leser sind die geschilderten Gedanken und Entscheidungen nicht fremd.

Die Geschichte handelt von Britta, die in den Pfingstferien zu ihrer Tante nach London fliegt. Sehr einfühlsam werden die Konflikte dieses fast erwachsenen jungen Menschen geschildert, die sich noch ein bißchen vor der Reise fürchtet, aber auch nicht von der fürsorglichen Stewardeß des "meet and assist service" wie ein Baby umsorgt werden will.

Ihre Aufmerksamkeit wird von einer auffälligen Mitreisenden gefangengenommen, die, in London angekommen, das Bodenpersonal mit ihrem Gewese um eine vermeintlich gestohlene Aktentasche in Atem hält. Zufällig trifft Britta die seltsame Frau, diesmal mit Aktentasche, in der U-Bahn wieder, was ihr verdächtig scheint, weil man auf verlorene Gepäckstücke gewöhnlich wesentlich länger warten muß. Und schon ist sie gemeinsam mit ihren beiden Cousins in ein Abenteuer verwickelt, in dem ihnen der Umstand zur Hilfe kommt, daß Kinder von Erwachsenen gewöhnlich nicht ernst oder wahr genommen und daher auch nicht wiedererkannt oder bemerkt werden. So können die drei ihr fesselndes Detektivspiel aufnehmen, aus dem dann am Ende sogar eine wahre Heldentat wird.

Ob man bei der Lektüre, die eher zum Verschlingen des Buches, denn zum sorgfältigen Wort-für-Wort-Lesen verführt, tatsächlich etwas von den unauffällig eingefügten englischen Versatzstücken mitbekommt, die laut Pressetext angeblich "unheimlich viel für die Fremdsprache bringen würden", sei dahingestellt. Tatsache ist, daß die englischen Dialoge keineswegs den Lesefluß stören, vollkommen unauffällig sind und sich so organisch in den Text einfügen, als stünde man selbst vor dem Problem in einem fremden Land, das eine oder andere übersetzen zu müssen. Darüber hinaus geben die englischen Passagen sehr realistisches und daher sehr gutes Alltagsenglisch wieder, wie es von "native speakers" in den betreffenden Situationen auch gesprochen werden würde, ohne dem Leser noch weitere "fürchterlich wichtige" Vokabeln zu vermitteln. Kurzum: auch ein erklärter Englischmuffel könnte seinen Spaß an diesem Buch haben.

Ob das Konzept greift und den Leser der englischen Sprache tatsächlich näher bringt, kann man durchaus bezweifeln. Es ist jedoch vorstellbar, daß ein liebenswertes Buch, das keinen weiteren Widerstand hervorruft, vielleicht noch ein zweitesmal aufmerksamer durchblättert und dann auch noch die eine oder andere englische Textpassage genauer betrachtet wird. Und sei es nur, um die am Ende immer noch offene Frage zu klären, welche Bewandtnis es eigentlich genau mit dieser Aktentasche hatte (die Antwort bleibt die Autorin allerdings auch beim zweiten Durchgang schuldig).

Das alles ist aber schon mehr, als mit einem Buch, dem es laut Verlag "in erster Linie ums Lesen" und gelesen werden "und erst in zweiter Linie ums Lernen" geht, erreicht werden kann.

Doch selbst wenn sich damit überhaupt kein Englisch lernen ließe, werde ich diese neue Jugendbuchreihe von Langenscheidt, für die neben Luisa Hartmann auch noch weitere Kinderbuchautorinnen wie Tina Zang (Langenscheidt Panic on the Set - Panik am Set) und Petra Steckelmann (Langenscheidt The Mysterious Lighthouse - Der geheimnisvolle Leuchtturm) gewonnen wurden, bedenkenlos und ohne Gefahr, mitleidig belächelt zu werden, auch an andere Jugendliche und Erwachsene, nicht nur aus der fraglichen Altersstufe, weiterempfehlen - einfach weil jedes Buch, das mit soviel Sorgfalt geschrieben wurde und trotz des gewaltigen Multimedia- Ablenkungsangebotes dieser Tage auch noch ganz gelesen wird, meine ganze Achtung und Wertschätzung besitzt.

4. April 2005

Zur Autorin: Luisa Hartmann ist Mitte 40 und lebt mit ihrer Familie in München. Nach zahlreichen Kurzgeschichten ist "Holiday Job: Detective! - Ferienjob: Detektiv" ihr erster Roman. Sie ist seit vielen Jahren Mitglied der englischsprachigen Online- Schreibgruppe IOWG.


Langenscheidt Englisch
Luise Hartmann
Holiday Job: Detective! - Ferienjob: Detektiv!
An Adventure in English
Illustrationen Annette Kannenberg
Langenscheidt Verlag, München, Oktober 2004
160 Seiten, 11 x 18 cm, kartoniert, 5,95 Euro
ISBN 3-468-20432-9