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REZENSION/380: Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege - J. Kurz (SB)


Josef Kurz


Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege

Frauenarbeit und Haushaltstechnik im Spiegel der Jahrhunderte



Josef Kurz "Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege" ist ein Beispiel dafür, wie mithilfe einer umfangreichen Faktensammlung und einer Vielzahl von Illustrationen unter entsprechender textlicher Aufbereitung der Eindruck eines historisch fundierten Werkes entsteht, obgleich es sich tatsächlich um ein von Unternehmerideologie getragenes und Zusammenhänge verschleierndes Vorzeigeprodukt handelt. Daß Kurz den Lesern die Geschichte einer schlecht bezahlten und schlecht angesehenen Knochenarbeit vor Augen führt, die in Deutschland von jeher den Frauen zugelastet wurde, sein Buch aber ausdrücklich nicht diesen Frauen, sondern den Waschmaschinenherstellern und der Waschmittelindustrie widmet, macht ihn bereits als Repräsentanten von Wirtschaftsinteressen kenntlich, die er im Verlauf seiner Ausführungen unermüdlich als soziales Anliegen darzustellen versucht:

Den Waschmaschinenherstellern und der Waschmittelindustrie gewidmet für ihre erfolgreichen Anstrengungen, die häusliche Wäschepflege so einfach wie möglich zu machen und damit die Frauen, und wo zutreffend auch die Männer, bei der mühevollen Hausarbeit zu entlasten.
(S. 13)

Kurz hält offenbar nicht viel von der Intelligenz seiner Leser(innen), da er ihnen das sattsam bekannte Hauptinteresse der an der Wäschepflege beteiligten Industriegruppen, nämlich den Profit, regelrecht als frauenbewegtes Anliegen verkaufen will:

Alle durch die Waschmaschine ausgelösten Interaktionen zwischen den einzelnen Industriegruppen verfolgen zunächst nur das eine Ziel, den Frauen die Arbeit des Wäschewaschens so einfach wie möglich zu machen. Als die aktiven Feministinnen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gefordert hatten, die Frauen von den beschwerlichen Hausarbeiten zu entlasten, ernteten sie viel Unverständnis ob solcher utopischen Forderungen. Gut 50 Jahre später war aus den Utopien eine Realität geworden, und heute ist es eine Selbstverständlichkeit.
(S. 16)

Dabei bestätigt Kurz indirekt durch eigene Aussagen, daß es sich bei der "Unterstützung" der Frauen beim mühevollen Wäschewaschen im Grunde um die Unterstützung industrieller Interessen handelt, denn die in zeitaufwendigen Waschtagen gebundene Arbeitskraft der Frau wird zunehmend an den Fließbändern und in den Fertigungshallen der Industriebetriebe gebraucht:

Der Ausgangspunkt war die im Ersten Weltkrieg entstandene Wertschätzung der Frauenarbeit in den Industriebetrieben und ihre Fähigkeit, daneben auch noch den Haushalt zu besorgen. Schon allein wegen der begrenzten Zeit mussten die häuslichen Arbeiten so rationell wie möglich gemacht werden. Dadurch wurde das Interesse der Öffentlichkeit in den ökonomisch stabileren Jahren der Weimarer Republik auf die Rationalisierung der Hausarbeit gelenkt, speziell unter dem Aspekt der Technisierung des Haushalts, wozu in erster Linie auch das Waschen der Wäsche gehörte.
(S. 40)

Die Zusatzanforderung vor allem an Frauen der ärmeren Bevölkerungsschichten, neben der nun maschinell "erleichterten" Hausarbeit (die Anschaffungskosten für eine Waschmaschine und die erhöhte Stromrechnung wohlweislich ausgeklammert) auch noch Industriearbeit zu leisten, als "echten Akt der Befreiung" hinzustellen, grenzt schon an Zynismus. Doch bezeichnenderweise wird gerade diese Kurz'sche These in der anderthalbseitigen Presse-Info der Hohensteiner Institute anläßlich von Kurz Buch zitiert:

Die Erfindung der ersten Waschmaschinen und industriellen Waschmittel Anfang des 20. Jahrhunderts stellten für die Frauen deshalb einen echten Akt der Befreiung dar."
(Presseinfo der Hohensteiner Institute vom September 2006)

Wie bereits in den obigen Zitaten taucht die Frau in Kurz gesamtem Werk stets als Objekt auf, das be- oder entlastet, befreit oder unterdrückt, eingestellt oder entlassen, entrechtet oder berechtigt wird - also ausschließlich als passiver Faktor und Gegenstand unternehmerischen Kalküls. Kurz bestätigt und zementiert die althergebrachte Rolle der Frau als billige, höchst anpassungsbereite und im Bedarfsfall stets verfügbare Arbeitskraft, indem er sie nahezu ausschließlich in dieser Rolle präsentiert. Allein schon der Begriff "Frauenarbeit", den er gleich im Untertitel seines Buches verwendet, deutet auf seine festgefügte Vorstellung hin, wo "die Frau" als willfährige Handlangerin tätig zu sein hat. Wenn Kurz dann von einem neuen Frauenbild spricht, meint er damit lediglich die gesellschaftliche Aufwertung jener Eigenschaften, die derzeit für die aufstrebende Industrie vonnutzen waren:

Es entstand ein neues Frauenbild: Gefragt war die gesunde, qualifizierte, tatkräftige und auf der Höhe der Zeit stehende Ehefrau und Mutter. Das bisherige Leitbild der duldsamen, ausgemergelten und nervösen Frau hatte ausgedient, ... .
(S. 40)

Die vorgebliche Entstehung eines neuen Frauenbildes, die eine Verbesserung des Status der Frau in der Gesellschaft suggeriert, darauf zu gründen, was gerade "gefragt" ist und nicht, was die Frauen selbst wollen, bestätigt einmal mehr Kurz Einstellung, Frauen wären für die bedarfsorientierte Nutzung prädestinierte Objekte ohne eigenen Willen. Eigenschaften wie Kreativität, Eigeninitiative und das nötige Durchsetzungsvermögen, Veränderungen zu bewirken, müssen daher nach Kurz Ansicht von seiten der Männer an die Frauen herangetragen werden, um ihnen ihr schweres "Schicksal" zu erleichtern:

Aus dieser Situation sollten die Frauen erlöst werden.
(S. 40)

Als Erlöser präsentiert Kurz denn auch, um nur einige zu nennen, den Waschmittelfabrikanten Fritz Henkel (Persil), den Henkel-Forscher Wilhelm Normann (Hydrierung neuer Rohstoffe für die Waschmittelindustrie) oder den Ingenieur August Leppler (Konstrukteur der Trommelwaschmaschine). Auch die Textilbranche, in der Kurz höchstselbst frauenerlösend tätig war, bleibt in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt:

Man darf bei aller Begeisterung für die Fortschritte der Maschinentechnik und der Waschmittelchemie nicht vergessen, dass die Textilindustrie auch einen Anteil an den Erfolgen für sich in Anspruch nehmen darf. Sie war es nämlich, die durch neue Fasern und neue Ausrüstungen die Voraussetzungen für die Erleichterungen schuf. Man denke nur an das pflegeleichte Oberhemd oder die pflegeleichte Bluse.
(S. 57)

Hier spricht Kurz zum wiederholten Male von der Arbeitserleichterung als Motiv der Industrie, nur um einen Absatz später die eigentliche Triebkraft für deren rege Entwicklungstätigkeit zu benennen:

Dies hatte enorme Auswirkungen auf das Trageverhalten der Männer und Frauen. Nun konnten sie jeden Tag das Hemd oder die Bluse wechseln, um frisch und adrett gekleidet zu sein.
(S. 57)

Den gewaltigen Absatzmarkt, der sich durch das tägliche Wechseln der Bekleidung für die Textilindustrie erschloß, erwähnt Kurz in seinen Buch nicht als Motiv, ebensowenig die neuen Profit-Dimensionen, die sich der Waschmittel- und Waschmaschinenbranche durch das häufige Waschen der Textilien eröffneten. Dieses gezielte Vorenthalten von Informationen hinsichtlich der Beweggründe der entsprechenden Unternehmen, sich auf dem Gebiet der Textilien und der Textilienpflege zu engagieren, geht bei Kurz einher mit seiner manipulativen Interpretation des zusammengetragenen Materials zugunsten besagter Industriezweige.

Auch sein umfangreiches Bildmaterial weiß Kurz in diesem Sinne zu verwenden, werden doch die Abbildungen von sich an Waschtrögen und Waschbrettern abschindenden, ärmlich gekleideten und oft verhärmt aussehenden Wäscherinnen abgelöst durch Abbildungen von in gepflegter Garderobe entspannt an ihrer Waschmaschine lehnenden, "erlösten" Frauen. Daß Frauen mit einem den damaligen Wäscherinnen vergleichbaren gesellschaftlichen Status heutzutage als Niedrigstlohnempfängerinnen an Fließbändern stehen oder als illegale Einwanderer schwerste und nicht selten gesundheitsschädliche Arbeiten ausführen, wobei ihre Altersversorgung ebensowenig gesichert ist wie die der damaligen "Waschfrauen", kommt in Kurz persilgereinigter Gegenwartsdarstellung nicht vor.

Doch so irreführend und an Geschichtsklitterung grenzend er sein über viele Jahre zusammengetragenes Material auch einsetzt, kann seine Sammlung an sich sowohl in ihrer Thematik als auch in ihrem außergewöhnlichen Umfang für den an Arbeiter- und Frauengeschichte interessierten, kritischen Leser durchaus von Nutzen sein. Denn wer den Unternehmerstandpunkt des Autors nicht teilt und sich selbst ein Bild macht, kann in Kurz' Buch die Ignoranz und Gleichgültigkeit des sozial Überlegenen gegenüber dem sozial Schwächeren aufs eindrücklichste dokumentiert sehen. Beispielsweise präsentiert Kurz eine Zeitungsanzeige vom 25. März 1826, verfaßt von Johann Wolfgang von Goethe, ein sicherlich wertvolles Zeitdokument, und betitelt es mit "Anerkennung für die Waschfrau", obgleich die Betreffende recht offensichtlich "weggelobt" wird:

Allen wohlmeinenden Freunden wollen wir hiermit unsere redliche und teuere Wäscherin, Frau Barbara Sorge, geborene Günstig, bestens empfohlen halten. Ungeachtet ihres ziemlich vorgerückten Alters behauptet sie ihren Platz als eine zu allen Obliegenheiten des gemeinen Lebens geschickte Person.
(S. 269)

Daß betagten Wäscherinnen wie besagter Frau Sorge, die damals über keinerlei Altersversorgung verfügten, nach der Entlassung oft nur das Betteln blieb, um ein Dasein in Not und Elend zu fristen, rückt die scheinbare Freundlichkeit obiger Anzeige in ein anderes Licht. Obgleich es sich um eine unbedeutende Begebenheit im goetheschen Haushalt handelt, entsteht durch dieses Zeitdokument doch ein nüchterneres Bild vom Sinnsprüche wie "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut" verfassenden Dichter, weiß man zur selben Zeit in dessen Waschkeller die alte Frau Sorge sich, die Nöte ihres zunehmenden Alters bestmöglich verbergend, mit der Schmutzwäsche ihres vieledlen Brotgebers abplagen.

Für derart erhellende Einblicke mehr, die Kurz' mit viel anerkennenswerter Mühe angelegte Materialsammlung dem aufmerksamen Leser bzw. Betrachter, wenn auch ungewollt, in reichem Maße bietet, sind die 34,45 Euro, die das Buch im Buchhandel kosten soll, trotz allem eine lohnende Investition - zumal in vielen anderen Büchern mit geschichtlichem Anspruch der Umgang mit Informationen weit weniger offenkundig manipulativ ist.

Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung von Kurz Buch ist nicht ohne Bedacht gewählt, denn die Aufwertung sogenannter hausfraulicher Tätigkeiten durch ihre historische Beachtung kommt dem sich in Deutschland abzeichnenden Trend, Frauen aus dem Arbeitsmarkt zurück in Küche und Kinderzimmer zu drängen, sehr entgegen. Diese Aufwertung als echte Wertschätzung zu verstehen, entspricht offenbar so weit dem Wunsch vieler Frauen, daß sie zu dessen Gunsten sogar bereit sind, auf ihre Kritikfähigkeit zu verzichten. So erscheint es etwa der Präsidentin des Deutschen Hausfrauen Bundes und Verfasserin des Geleitworts zu Kurz Buch, Angelika Grözinger, als derart bemerkenswert, daß einer vornehmlich von Frauen ausgeführten Tätigkeit in Form eines Buches Beachtung geschenkt wird, daß sie Kurz geradezu frauenfeindlichen Umgang mit seinem Datenmaterial als sorgfältige Betrachtungsweise bezeichnet:

Es ist schon ungewöhnlich, dass die Geschichte einer über Jahrhunderte von Frauen ausgeführten Arbeit so sorgfältig betrachtet wird.
(S. 7)

Die Arbeit von Frauen unter geschichtlichem Aspekt zu betrachten, ist keineswegs zwangsläufig ein Zeichen von Anerkennung, sondern dient oft einfach nur dazu, die bei Frauen durch mannigfache Sozialisationsmechanismen ohnehin begünstigte fatalistische Grundhaltung bezüglich ihrer beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten weiter auszubauen und zu verfestigen. Das Historifizieren der Frau als genügsame, fleißige, aufopfernde Arbeiterin zum Wohle ihrer Familie verstärkt eine Konvention, der gegenüber Frauen, die sich ihr verweigern, mindestens als egoistisch, wenn nicht sogar als verhaltensgestört dastehen. Daß unterdessen sogar Personen des öffentlichen Lebens wie die Moderatorin und Buchautorin Eva Herman ("Das Eva-Prinzip") vom "Schöpfungsauftrag" der Frau oder von den "ihr von der Natur zugedachten Aufgaben" sprechen können, ohne um ihr berufliches Renommee fürchten zu müssen, deutet ebenfalls auf diesen gesellschaftlichen Trend zum althergebrachten, fatalistischen Selbstverständnis der Frau als multifunktionales Ausbeutungsobjekt hin. Genau der richtige Zeitpunkt also für Josef Kurz, Frauen mit seinem Buch zu ermutigen, die Umsetzung ihrer emanzipatorischen Anliegen fortan getrost den Waschmaschinenherstellern und der Waschmittelindustrie zu überlassen.

25. April 2007


Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege
Frauenarbeit und Haushaltstechnik im Spiegel der Jahrhunderte
Josef Kurz
Hohensteiner Institute (Hg.)
2006 erschienen bei Edition Braus im Wachter Verlag, Heidelberg
288 Seiten
ISBN 3-89904-248-4
ISBN 978-3-89904-248-1