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REZENSION/687: Patrik Baab und Robert Harkavy - Im Spinnennetz der Geheimdienste (SB)


Patrik Baab & Robert E. Harkavy


Im Spinnennetz der Geheimdienste

Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?



"Iran-Contra! Wir hätten alle diese Kerle damals für immer einsperren sollen, dann stünden wir nicht da, wo wir heute stehen - denn es sind heute dieselben Kerle, dieselben 20 Kerle!" - so brachte im März 2008 im großen Interview mit der liberalen britischen Tageszeitung Guardian die Country-Musik-Legende Kris Kristofferson die schwierige sicherheitspolitische Lage der USA angesichts des blutigen Kriegschaos in Afghanistan und im Irak auf den Punkt. Mit dem Verweis auf den Iran-Contra-Skandal zeigte sich Kristofferson, der es selbst in den frühen 60er Jahren bei der US-Armee zum Kapitän gebracht hatte, bevor er leidenschaftlicher Kriegsgegner wurde, als informierter Beobachter des Politgeschehens in der imperialen Hauptstadt Washington. Weit weniger bekannt als Watergate, vielleicht wegen einer erfolgreichen Schadensbegrenzung, ist der Iran-Contra-Skandal ein gigantischer Komplex, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind - siehe das aktuelle Streben Donald Trumps, das internationale Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen und die Konfrontation mit Teheran wieder hochzufahren.

Sechs Jahre lang haben der deutsche Journalist Patrik Baab und der amerikanische Politikwissenschaftler an dem Buch "Im Spinnennetz der Geheimdienste - Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?" gearbeitet. Herausgekommen ist der gelungene Versuch, anhand einer eingehenden Analyse "drei der wichtigsten politischen Morde ... in der westlichen Welt im vergangenen Jahrhundert", die "bis heute nicht aufgeklärt" sind (S. 14), Licht in das fast undurchdringliche Dickicht namens Iran-Contra zu bringen, um es in seiner Bedeutung und seinem Ausmaß begreiflich zu machen. Hier ging es nicht einfach um eine verzweifelte Aktion der Regierung Ronald Reagans zur Befreiung mehrerer amerikanischer Geiseln im Bürgerkriegslibanon, sondern um illegale Waffenlieferungen im Wert von geschätzten 82 Milliarden Dollar zwischen 1981 und 1987 an Teheran vor dem Hintergrund des Iran-Irak-Konflikts.

Die Gewinne aus dem Waffengeschäft mit dem "Mullah-Regime" - oder zumindest ein Teil davon - sollten nach dem Willen von Oliver North, damals Militärberater im Nationalen Sicherheitsrat, zur Unterstützung des Kampfs der rechtsgerichteten Contras gegen die sozialistische Sandinista-Regierung in Nicaragua verwendet werden. 1982 hatte der demokratisch-dominierte US-Kongreß mit dem Boland Amendment der republikanischen Reagan-Administration eine direkte Hilfe für die Contras durch das Pentagon verboten. Aufgeflogen ist jedoch die zusätzlich durch Kokain-Schmuggel finanzierte Pipeline zur Versorgung der Contras mit Geld, Waffen und Munition, als am 5. Oktober 1986 eine CIA-Frachtmaschine über Nicaragua abgeschossen wurde und wenig Tage später der einzige Überlebende des Absturzes, der Ex-Marineinfanterist Eugene Hasenfus, in Managua der Weltpresse vorgestellt wurde.

Baab und Harkavy haben in bezug auf die Umstände und Hintergründe des plötzlichen Ablebens von Palme, Barschel und Colby sämtliche Akten aus diversen Ermittlungen und Untersuchungsauschüssen durchforstet, die Veröffentlichungen aller relevanten Autoren [1] ausgewertet sowie eigene Interviews mit den noch lebenden Zeugen geführt. Im Falle Palme kommen sie zu dem Schluß, daß er damalige Premierminister Schwedens nach einem Kinobesuch am Abend des 28. Februar 1986 auf offener Straße in Stockholm deshalb erschossen wurde, weil er, erstens, mit seinen Bemühungen um Entspannung mit der Sowjetunion den Kalten Kriegern bei der NATO ein Dorn im Auge war und, zweitens, weil er sich geweigert hatte, die illegalen Embargo-Geschäfte Washingtons mit der Aufstellung von schwedischen Endverbraucherzertifikaten zu befördern. Hinter dem Attentat sehen die beiden Autoren das Gladio-Netzwerk der NATO in Schweden, bei dessen Entstehung in den fünfziger Jahren Colby eine führende Rolle gespielt hat.

Was das Interesse an der Liquidierung von Uwe Barschel angeht, so ergeben sich aus dessen dubioser Tätigkeit als Anwalt und Notar eine ganze Reihe von Kräften, denen er nach seinem politischen Sturz als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und dem anschließenden Kampf um Rehabilitation hätte schaden können. Barschel wußte zuviel - sei es vom widerrechtlichen Verkauf von U-Boot-Blaupausen an das Apartheid-Regime in Südafrika durch die Regierung Helmut Kohls oder die illegale Rüstungshilfe für den Iran, in die sowohl die BRD als auch die DDR - siehe die Kumpanei von Franz Joseph Strauß und Alexander Schalck-Golodkowski - sehr stark eingebunden waren. Durch das Bemühen, sein "Ehrenwort" doch noch zu retten, war Barschel für viele mächtige Akteure zu einer tickenden Zeitbombe geworden, die schlicht beseitigt werden mußte. Baab und Harkavy gehen detailliert auf die Umstände der Barschel-Ermordung am 11. Oktober 1987 in Genf ein und entwerfen anhand diverser Aussagen verschiedene plausible Szenarios - unter anderem, daß die Verabreichung des Gift-Cocktails nicht im Hotel Beau Rivage, sondern im benachbarten Hilton erfolgte. Doch letztlich werden wir niemals erfahren, ob die Attentäter von der CIA, dem BND, der Stasi, dem israelischen Mossad oder dem iranischen Geheimdienst stammten bzw. den Auftrag erhielten.

Wenn es etwas am vorliegenden Buch zu kritisieren gäbe, dann vielleicht die Tatsache, daß das Kapitel zu Barschel fast 200, das zu Colby lediglich um die 20 Seiten beträgt - schließlich ist letzterer aus weltgeschichtlicher Betrachtung heraus die weitaus wichtigere Figur. Colby kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Angehöriger des Office of Special Services (OSS) hinter feindlichen Linien in Frankreich und Norwegen und gehörte nach der Schaffung der CIA 1947 zu deren Gründungsmannschaft, machte in den fünfziger Jahren Station in Schweden - wie bereits erwähnt - sowie in Italien. Während des Vietnamkriegs in den sechziger Jahren entwickelte er in Saigon das berüchtigte Folter- und Mordprogramm Phoenix, das später, nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001, zum Standardvorgehen der USA im "globalen Antiterrorkrieg" gegen die islamistische Gefahr wurde. Darüber hinaus half Colby durch sein Wirken als Leiter der Fernostabteilung der CIA und später als Oberster Chef des Auslandsgeheimdienstes in Langley jenes Drogenschmuggelimperium zu errichten, das noch heute weltweit sein Unwesen treibt. Colby verschwand spurlos aus seinem Haus in Maryland am 27. April 1996. Neun Tage später wurde seine nicht aufgedunsene Leiche ausgerechnet an jener Flußstelle entdeckt, an der die Rettungskräfte in den ersten Stunden der Suchoperation sein gekentertes Kanu gefunden hatten.

Wer Colby ermordet hat und warum, das wissen nur die Verantwortlichen selbst. Mitte der siebziger Jahre hatte sich Colby viele Feinde gemacht, als er sich in seiner Funktion als CIA-Direktor gezwungen sah, dem Watergate-Skandal Rechnung zu tragen und zahlreiche Untergebene und Kollegen in die Wüste zu schicken. Damit wurde gleichzeitig der Grundstein für eine private Sicherheitsindustrie gelegt, die in der Nach-9/11-Ära in den USA quasi zu einem Staat im Staate geworden ist. Colbys Karriereweg kreuzte auch den von Robert Gates, dem Iran-Contra-Veteranen und späteren Verteidigungsminister von George W. Bush und Barack Obama. Baab und Harkavy vermuten eine Verwicklung von Gates, damals Stellvertretender CIA-Chef unter William Casey, beim Mord an Uwe Barschel. Vielleicht hat Gates auch seinen früheren Vorgesetzten Colby auf dem Gewissen. Eins steht jedenfalls fest: William Colby nahm viele Geheimnisse, die meisten wohl höchst unangenehmer Natur, mit ins Grab. Um eine leise Ahnung davon zu bekommen, lohnt es sich, "Im Spinnennetz der Geheimdienste" zu lesen.

3. November 2017

Fußnote:

[1] REZENSION/361: W. Baentsch - Der Doppelmord an Uwe Barschel
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar361.html


Patrik Baab & Robert E. Harkavy
Im Spinnennetz der Geheimdienste
Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?
Westend Verlag, Frankfurt am Main, 2017
383 Seiten
ISBN: 978-3-86489-176-2


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