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REZENSION/707: Grittmann, Lobinger, Neverla, Pater (Hg.) - Körperbilder - Körperpraktiken (SB)


Elke Grittmann / Katharina Lobinger / Irene Neverla / Monika Pater (Hg.)


Körperbilder - Körperpraktiken

Visualisierung und Vergeschlechtlichung von Körpern in Medienkulturen



Verletzlich, sterblich, von Impulsen aller Art getrieben, in ständigem Wandel begriffen - die Subjektivität der Physis stellt für viele Menschen ein Problem unzureichender Kontrolle schon über die biologische Basis der eigenen Existenz dar. Was so alt wie die Geschichte der Menschwerdung ist, wird im Zeitalter biomedizinischer wie informationstechnischer Zurichtung auf neue Formen physischer Verwendbarkeit und Verkehrsfähigkeit vermeintlichen Lösungen zugeführt, die ein Ende dieses Kontrollverlustes verheißen. Der gesellschaftliche Primat permanenter Selbstoptimierung verheißt mehr Lebensgenuß und Leistungsfähigkeit bei wachsender Anerkennug durch die soziale Umwelt, Errungenschaften pharmazeutischer, humangenetischer, transplantationsmedizinischer und cyberprothetischer Art versprechen die Überwindung bislang finaler Krankheitsgeschehen, transhumanistische Visionen von einem deutlich längeren Leben bis hin zur Unsterblichkeit als identischer Datenköper lassen auf eine Zukunft hoffen, die nicht schon nach wenigen Jahrzehnten beendet ist.

Kontrollverlust zieht allerdings auch den sozialen, in die materiellen Verhältnisse der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft eingespannten Körper in Mitleidenschaft. Ihm sind die herrschenden Zwangs- und Gewaltverhältnisse so tief eingeschrieben, daß sie kaum mehr als zweite Natur des Homo oeconomicus wahrgenommen werden. Die Produktion von Körperbildern und Körperpraktiken, die im vorliegenden Sammelband vorgestellt und analysiert wird, findet in der Wirklichkeit einer sozialen Konkurrenz statt, die als zentrale Achse aller visuellen und medialen Repräsentanz zugleich konstitutiv ist wie unsichtbar bleibt. So bietet das Ergebnis der gemeinsamen Jahrestagung der Fachgruppen Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht und Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik (DGPuK), die im September 2016 an der Universität Hamburg stattfand, eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür, die interdisziplinäre, vor allem sozial- und kulturwissenschaftliche Empirie der körperlichen Darstellungs- und Inszenierungspraktiken in Medien wie Alltagskommunikation gesellschaftlichskritisch zu reflektieren.

Dies wird im vorliegenden Buch durchaus geleistet, bleibt in Sicht auf die Beweggründe und Motive, die die AkteurInnen in den präsentierten Fallbeispielen einer kommunikativen Visualisierung ihrer Körperlichkeit antreiben, aber auch den LeserInnen vorbehalten. Mit der Schärfung des kritischen Bewußtseins für Brüche und Widersprüche in Konsum- und Medienkulturen verhilft die Lektüre der methodisch wie sprachlich hochdifferenziert ausgeführten Untersuchungen zur produktiven Erkenntnis über Vergesellschaftungsprozesse, die immer auch die eigene Lebenswelt betreffen. Dabei steht das Thema der Vergeschlechtlichung medial visualisierter Körperbilder und -praktiken aus gutem Grund im Mittelpunkt, existieren auf diesem Gebiet doch zahlreiche Abwertungs- und Ausgrenzungsprozesse.


Die Individuation des Besonderen im Zirkelschluß warenförmiger Verallgemeinerung

Zu Beginn führen die vier Herausgeberinnen in das insgesamt 20 AutorInnen umfassende publizistische Projekt ein und geben eine Übersicht über die drei Abteilungen, denen die 12 Einzelbeiträge zugeordnet werden. "Der optimierte Körper" muß in seiner Bildproduktion den medial und informationstechnisch vorgegebenen Parametern genügen, um überhaupt zur Geltung zu gelangen. Was sich nicht via Smartphone aufnehmen, über Messengerdienste verbreiten oder im Fernsehen zeigen läßt, verfügt über keinerlei Existenzberechtigung in der distributiven Dynamik, die von der technischen Sphäre der Plattformen und Übertragungskanäle maßgeblich bestimmt wird. Daß die großen Provider der Datenkommunikation selbst zu ContentproduzentInnen wurden, entspricht dem inflationären Charakter einer Bildproduktion auf der Ebene der UserInnen, die mindestens ebenso sehr Ergebnis ihrer technischen Ermöglichung als des Bedürfnisses, mit Hilfe von Visualisierungen zu kommunizieren, zu sein scheint.

Einen Einblick in eine spezifisch weibliche Form miteinander konkurrierender Körperrepräsentationen bietet die Untersuchung des "After-Baby-Bodys". Die möglichst schnelle Rückkehr zur Topform des "Before-Baby-Bodys", dem keine Spuren der Schwangerschaft mehr anzusehen sind, ist eine Domäne von "Celebrity-Moms". In speziell auf die Bedürfnisse von Schwangeren ausgerichteten Workouts kämpfen sie gegen die Biologie einer Reproduktion an, die keine sichtbaren Spuren zeitigen darf, wenn sie sich nicht des Vorwurfs der Disziplinlosigkeit aussetzen wollen.

Die Anwendung der neoliberalen Optimierungslogik auf den Körper schwangerer Frauen, die auch während des Austragens eines Kindes attraktiv zu sein haben, bringt eine funktionelle Fragmentierung ihrer Physis hervor. Den graviden Bauch in scharfen Kontrast zu der weiterhin schlanken Gesamtkörperkontur zu setzen entspricht einem mechanistischen Verständnis von Physiologie, laut dem der menschliche Bioorganismus bis hinunter auf die zelluläre Ebene als Summe funktionaler Subsysteme konstruiert wird. Dieses instrumentelle Verständnis legitimiert die stoffliche Austauschbarkeit und datentechnische Verallgemeinerbarkeit des Körpers ebenso wie seine Nutzbarkeit für biologische Dienstleistungen wie sogenannte Leihmutterschaften. Der soziale Ertrag dieser mit disziplinatorischer Gewalt gegen sich selbst durchgesetzten Norm reduziert die Schwangerschaft auf den transitorischen Ausnahmezustand des sich wölbenden Bauches, der im Rahmen ununterbrochener Leistungsfähigkeit der übrigen Physis maximale Distanz zur "'fetten, faulen Reality-TV-Mutter'" (S. 72) herstellt.

An dieser wie vielen anderen Stellen des Buches wird Bezug genommen auf die Allgegenwart einer performativen Kompetenz, bei er es um mehr gehe als die "Unterwerfung des Ichs im neoliberalen Diskurs der Vergleichbarkeit", nämlich "die Entwicklung einer eigenen 'Marke' und die Notwendigkeit der beständigen Kommunikation dieser Identität nach außen. Erst das kommunizierte Ich ist überhaupt; und um durch seine kommunikative Darstellung Aufmerksamkeit zu finden, muss es über das Normale hinausgehen, aus dem Mittelmaß herausragen und inhaltliche wie auch mediale Logiken so zu bedienen wissen, dass es im Wettbewerb einer nutzenorientierten Aufmerksamkeitsökonomie bestehen kann. Dies ist Voraussetzung, um Schritt zu halten mit den Entwicklungen hin zu einer 'Bewertungsgesellschaft', in der gesellschaftliche Deutungskämpfe von einem Konflikt der Klassen verlagert werden zu einem 'Wettbewerb der Individuen'" (S. 80).

Diese Analyse trifft zweifellos auf große Teile der postindustriellen Stadtgesellschaften Westeuropas, Nordamerikas wie auch Ostasiens zu. Bei den um Anerkennung kämpfenden Subjekten handelt es sich allerdings häufig um Mitglieder der Mittel- und Oberschichten, was die Aufhebung von Klassenwidersprüchen nicht nur relativiert, sondern im Gegenteil sogar neue Antagonismen zwischen Zugehörigkeit und Ausschluß längs ökonomischer, ethnisch-religiöser und geschlechtlicher Kriterien hervorbringen kann. Das Hantieren mit Imperativen individueller Verantwortungslosigkeit und moralischer Bezichtigung ist Ausdruck dessen und nicht beschränkt auf eine mediale Arena, in der AkteurInnen antreten, deren Sozialisierung zu Marktsubjekten bereits stattgefunden hat. So könnte die medial induzierte Subjektivierung des um Vergleich und Unterscheidung kreisenden Konkurrenzkampfes bei denjenigen Menschen scheitern, die bereits eine Gegenposition zu dieser Vergesellschaftungspraxis bezogen haben.

Der Normierungsdruck geschilderter Selbstdarstellungspraktiken rund um das Thema Fitness steht denn auch der angestrebten Authentizität auf eine Weise im Weg, die die individualisierte Leistungs- und Optimierungslogik als Symptom einer Misere erscheinen läßt, die wenig mit Lebensfreude, aber viel mit Unterwerfung unter das Diktat der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft zu tun hat. Auch wenn dies nicht so ausgesprochen wird, machen die Untersuchungen zu den Inszenierungen marktförmiger Schönheit am Beispiel von Casting-Shows doch deutlich, daß die damit angestrebte Zugehörigkeit "zu sozialen, kulturellen, qua Geschlecht und Konsumpraxis hergestellten Gemeinschaften" (S. 96) mit einem Ausmaß an Entfremdung von jeglicher Autonomie erkauft wird, das die handelnden Personen als gesichtslose ProbandInnen behavioristischer Themenparks erscheinen läßt.

Die dabei erzeugten Affekte und Emotionen werden denn auch "nicht als personal, also einzelnen Menschen innewohnend, sondern als relational hergestellt in der Interaktion zwischen Körpern, Räumen, Technologien und Atomsphären" (S. 96 f.) begriffen. Man könnte auch sagen, die Zirkulation der Ware Aufmerksamkeit bedarf keiner personalen ProduzentInnen mehr, sondern findet in der rezeptiven Sphäre des Publikums wie von selbst statt. Wer sich auf der anderen Seite des Schirms das Herz zerreißt, um affektive Resonanz zu erzeugen, muß sich davor fürchten, der eigenen Austauschbarkeit gewahr zu werden, so daß von der angestrengt produzierten Besonderheit nichts als ein Schrei bleibt, der im Wind der Gleichgültigkeit ungehört verhallt.


Hinter der Visualisierung eine Geschichte der Gewalt

In der zweiten Abteilung über "Repräsentationen und diskursive Verhandlungen vergeschlechtlichter Körper" wird mit der Untersuchung "Weiblicher Aktdarstellungen in der Illustriertenpresse der Weimarer Republik" ein Blick auf die Modernisierung des Frauenbildes zwischen erotisierender Vermarktung und lebensreformerischer Freikörperkultur in der Zwischenkriegszeit geworfen. Zu erfahren, daß diese Darstellungen wesentlich dazu dienten, mit der Zurschaustellung des nackten weiblichen Körpers Zeitungen zu verkaufen, ist von eher anekdotischem Wert.

Spannender wird es im Beitrag "Coole Posen in schwarzem Leder" über "Visualisierungsstrategien von Coolness in Literatur und Kultur der Weimarer Republik". Die Untersuchung des Zusammenhanges von bestimmten Kleidungsstücken und Geschlechternormen mit dem Konzept Coolness spielt erwartungsgemäß mit dem Nimbus eines Nonkonformismus, dessen Ikonografie in militärischen Outfits verankert ist, die eher nicht für ein hohes Maß an gelebter Autonomie sprechen. Wie cool es ist, sich in Zeiten verstärkten Bewußtseins für Tierausbeutung mit der Haut eines getöteten Lebewesens zu schmücken, darüber gibt es auch im modebewußten Publikum höchst kontroverse Ansichten. Die Härte gegen eine derartige Empfindsamkeit kann als Antihaltung ebenso attraktiv sein wie die Affirmation eines Dominanzstrebens, für das das Tragen von Leder seit jeher mit dem Tod in Verbindung stehe, was sich in dem Wunsch ausdrücke, "die Kraft und Potenz des erlegten Tieres möge sich auf den Träger übertragen" (S. 144). Das "brodelnd Widerständige" (S. 151) jedenfalls, das Coolness im Gegensatz zur Kälte immer inhärent sein soll, bleibt als Attribut performativer Praxis ein Mittel, das zu leben, was nicht gelebt werden kann, weil es zu gefährlich ist.

Ebenfalls spannend, weil die bekannten Klischees des Gender-Marketings kritisch gegen sich selbst kehrend, ist die Untersuchung von maskuliner Körperrepräsentation in Bier- und Kosmetikwerbung. So wird im Ergebnis durchaus von einer Erweiterung maskuliner Körperidentitäten in Richtung auf androgyne Darstellungsweisen gesprochen, die allerdings gerade dort nicht stattfindet, wo im Spannungsfeld weiblicher und männlicher AkteurInnen in der Werbung heteronormative Rollenerwartungen reproduziert werden. Ganz praktisch findet dies in der Eigenständigkeit sogenannter Herrenmarken statt: "Denn Männer benötigen anderes Shampoo und andere Rasierer - das will zumindest die Werbung glaubhaft vermitteln" (S. 178).

Das ganze Elend des Mannes, der sich gerne als solcher inszeniert, als domestiziertes Marktsubjekt jedoch darauf angewiesen ist, seine Heroisierung käuflich zu erwerben, zeigt sich in der Repräsentation vermeintlich archaischer Maskulinität. Wo der Inhaber eines durchtrainierten Bodys am Steilhang, auf dem Rücken eines Tieres oder im Wildwasserkanu beweisen kann, daß "die Natur als Raum der Entgrenzung, als Zufluchtsort vor dem urbanen Alltag und als natürliches Terrain des Mannes" (S. 178) etwas ist, was er nicht mit Frauen teilen oder anderen Zivilisierungsentwürfen gegenüber legitimieren muß, darf er ganz er selbst sein. Wenn in der Bierwerbung Maskulinität beim Fleischbraten mit Slogans wie "Auf das Tier zum Bier" inszeniert wird, schließt sich der Kreis zur schwarzen Lederjacke als vor allem männlich geltendes Accessoire - das blutige Handwerk, ein anderes Lebewesen zur Beute zu machen, bleibt, durch konsumistisch vermittelte Distanz zum Schlachthof zivilisatorisch sublimiert, Inbegriff maskuliner Identität. Im Spannungsfeld binärer Geschlechtlichkeit können Frauen diese Form der Selbstinszenierung adaptieren, indem sie als Führungskraft, Großwildjägerin oder Soldatin mindestens soviel Härte und Grausamkeit wie ihre maskulinen Konterparts an den Tag legen. Sie können aber auch zur fundamentalen Kritik ewa einer Carol J. Adams greifen, die 1990 in "The Sexual Politics of Meat" den Zusammenhang von Maskulinität und Tierausbeutung auf den Punkt eines Gewaltverhältnisses gebracht hat, das die Frauen angetane Unterdrückung mit der Mißachtung tierlicher Subjektivität zusammendenkt.

Ein besonders deutliches Beispiel für patriarchales Dominanzverhalten wird den LeserInnen in der Untersuchung sogenannter Freierforen vor Augen geführt. Für die dort durchgeführte Bewertung von Prostituierten durch ihre Kunden wird der abstrakte Begriff der "Derivatisierung" verwendet. Die Sexarbeiterinnen werden auf den Status eines Derivates reduziert, indem ihre Subjektivität negiert wird und die geldförmige Leistung, die sie erbringen, als bloße Objekt- und Warenbeziehung in Erscheinung tritt. Wenn Männer sich über die sexuellen Qualitäten der von ihnen erstandenen Dienstleistung austauschen, geht dies wie selbstverständlich mit einer offen erniedrigenden Charakterisierung der Sexarbeiterinnen einher. Derivatisierung ist "ein gesellschaftlich stark verbreitetes Muster, das in vielen Dienstleistungsbranchen sichtbar wird: insbesondere in Form der Inkaufnahme hoch prekärer Arbeitsbedingungen - bis zum Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft - oder dem Verfassen subjektiv-missachtender Online-Bewertungen" (S. 201) - man könnte an dieser Stelle auch von Sexismus, Misogynie, Ausbeutung und vielem anderen sprechen.


Und auch heute gilt: "The Revolution Will Not Be Televised"

Die in der dritten Abteilung beschriebene Untersuchung von "Visuellen Körperpolitiken, (Selbst-)Ermächtigung und Protest" geht von einer Politisierung des weiblichen Körpers etwa im Rahmen von Slutwalks, der Gruppe Femen oder protestierender Frauen in Ägypten aus. Die Schlußfolgerung, daß "die Körperlichkeit von Protest nicht nur in der Bewegungsforschung und Körpersoziologie eine bislang unterschätzte Rolle spielt" (S. 21), trifft auch dort zu, wo die Ebene medial vermittelter Visualisierung zumindest teilweise verlassen wird, indem zu konkreten Widerstandsformen des zivilen Ungehorsams oder der militanten Intervention gegriffen wird. Im Unterschied zu Bildern von DemonstrantInnen, für die sich, unabhängig vom jeweiligen Ziel des Protestes, eine eigene Symbolsprache herausgebildet hat, ist die Darstellung von konfrontativeren Formen des Aktivismus eher die Ausnahme. Auch dabei geht es sehr körperlich zu, allerdings auf eine Weise, die bei direkten Begegnungen mit Polizeigewalt oder der Bewegungseinschränkung durch Inhaftierung nicht primär performativ gemeint ist, sondern die Substanz politischer Gewaltverhältnisse wenn überhaupt, dann eher notgedrungen sichtbar macht.

Das ist nicht Thema des Buches, handelt es sich doch um eine wissenschaftliche Untersuchung medialer Repräsentationsprozesse. Ob diese aus konkreten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hervorgehen oder im virtuellen Raum hergestellt werden, ist für die gesellschaftliche Relevanz von Körperbildern und Körperpraktiken nicht unwichtig. Wie bei der visionären Erzeugung biomedizinischer und humangenetischer Wunschwelten stets von einer Klientel ausgegangen wird, für die die fundamentalen Probleme materieller Lebenssicherung längst gelöst sind, während das Gros der Menschen von Armut, Hunger und Krankheit bedroht bleibt, nicht zuletzt um die verbrauchsintensiven Überlebenspraktiken privilegierter Minderheiten zu ermöglichen, so finden viele kommunikative Praktiken in sozialen Netzwerken in virtuellen Welten statt, deren BewohnerInnen keinen Gedanken daran verschwenden, woher der Strom für ihre Computer, die Seltenen Erden für ihre Smartphones und das Essen, das sie nebenbei verzehren, stammen. Dementsprechend gering ist auch der Wirkungsgrad einer Gesellschaftsveränderung, die über das Abklicken von Petitionen und Wortmeldungen in ideologischen Filterblasen angeschoben werden soll.

Da dem Geschäftsmodell des Plattformkapitalismus kein Ereignis zu trivial und keine Marotte zu exotisch ist, um nicht zum Gegenstand seiner expansiven Akkumulationsdynamik zu werden, tendiert der Erkenntniswert strukturell immer gleicher Sensationen und Erregungszustände gegen Null. Der Inflation selbstreferentieller Blasen Diskurse entgegenzustellen, die aus konkreten gesellschaftlichen Widersprüchen hervortreten, und die Explosion kognitiver Vielfalt an die Materialität emanzipatorischer Praxis zurückzubinden wäre ein Ertrag, der über deskriptive Praktiken und empirische Untersuchungen hinausginge, also auch der kritischen Lektüre dieses Buches abzugewinnen ist.

20. April 2019


Elke Grittmann, Katharina Lobinger, Irene Neverla, Monika Pater (Hg.)
Körperbilder - Körperpraktiken
Visualisierung und Vergeschlechtlichung von Körpern in Medienkulturen
Herbert von Halem Verlag, Köln 2018
296 Seiten, 32,00 Euro
ISBN: 978-3-86962-175-3


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