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NAHOST/173: Steinmeier muss Menschenrechte im Iran und Saudi-Arabien ansprechen


Amnesty International - Meldung vom 16. Oktober 2015

Steinmeier muss Menschenrechte im Iran und Saudi-Arabien ansprechen


16. Oktober 2015 - Anlässlich der heute Abend beginnenden Reise von Bundesaußenminister Steinmeier in den Iran und nach Saudi-Arabien fordert Amnesty International den Minister auf, sich für deutliche Verbesserungen der Menschenrechtslage und die Freilassung gewaltloser politischer Gefangener in beiden Ländern einzusetzen.

"Amnesty erwartet von Außenminister Steinmeier, dass er die massive Repression der Zivilgesellschaft, die extreme Unterdrückung kritischer Stimmen und die alarmierenden Mängel im Justizsystem in beiden Ländern kritisiert", erklärt Ruth Jüttner, Expertin für den Mittleren Osten bei Amnesty Deutschland.

In beiden Ländern ist die Menschenrechtslage alarmierend schlecht. Repressionen und Verfolgung von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für die Menschenrechte einsetzen, sind in beiden Ländern an der Tagesordnung.

Darunter sind im Iran auch Menschenrechtsaktivistinnen, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe engagieren, wie Narges Mohammadi oder Atena Daemi. Letztere wurde im Mai zu 14 Jahren Haft verurteilt. Oder der Rechtsanwalt Abdolfattah Soltani, der zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde und bereits seit vier Jahren im berüchtigten Evin-Gefängnis sitzt.

In Saudi-Arabien sind mittlerweile fast alle Menschenrechtsverteidigerinnen und -vertediger in Haft oder stehen derzeit vor Gericht. Prominentes Beispiel ist Waleed Abu al-Khair, der Anwalt des inhaftierten Bloggers Raif Badawi. Waleed Abu al-Khair wurde von einem Sondergericht für Terrorismusfälle zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt. Gegen seine Frau wurde ein Ausreiseverbot verhängt, sie hatte sich zuvor auf Auslandsreisen öffentlich für die Freilassung ihres Mannes ausgesprochen und auf die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien aufmerksam gemacht.

"Der Minister sollte klar und auch öffentlich die Freilassung inhaftierter friedlicher Aktivistinnen und Aktivisten sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern fordern und gleichzeitig die gesetzlichen Rahmenbedingungen benennen, die dieser Repression Vorschub leisten und die geändert werden müssen", fordert Jüttner.

Die vielen Reisen deutscher Wirtschaftspolitiker in den Iran in den vergangenen Monaten zeigen deutlich, dass mit der erwarteten schrittweisen Lockerung der Sanktionen eine Intensivierung der bilateralen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen einhergeht. Damit eröffnen sich gegenüber der iranischen Regierung neue Spielräume, um stärker auf die Verwirklichung der Menschenrechte zu drängen.

"Steinmeier muss der iranischen Seite deutlich signalisieren, dass engere Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran mit der Erwartung verknüpft sind, dass die Verantwortlichen im Iran den bisherigen Kurs der Repression im Innern stoppen und die längst überfälligen Reformen zur Verbesserung der Menschenrechtslage umsetzen", so Jüttner. Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Die Menschenrechtslage im Iran hat sich in vielen Bereichen verschlechtert. Die Repression im Innern hat zugenommen. Zahlreiche friedliche Aktivistinnen und Aktivisten wurden festgenommen, drakonische Strafen in unfairen Verfahren verhängt. Nur ein Beispiel: Die Künstlerin und Cartoonistin Atena Faghadani wurde im Juni u.a. wegen ihrer regierungskritischen Karikaturen zu mehr als zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Dort ist sie Übergriffen durch das Wachpersonal ausgesetzt. Weil sie ihrem Anwalt im Gerichtssaal die Hände schüttelte, werden nun beide wegen "unrechtmäßiger sexueller Beziehungen" vor Gericht gestellt. Dies zeigt: die iranische Justiz geht mit unbarmherziger Härte gegen alle Andersdenkenden vor.

Deutliche und klare Kritik an der katastrophalen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist längst überfällig, nicht nur seitens der Bundesregierung, sondern auch seitens anderer EU-Mitgliedstaaten und des Westens allgemein. In den vergangenen zwei Jahren wurden fast alle friedlichen Aktivistinnen und Aktivisten sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger nach unfairen Gerichtsverfahren mit langen Haftstrafen im Gefängnis zum Schweigen gebracht.

"Aber gerade diese Männer und Frauen sind es, die sich in der saudischen Gesellschaft für Veränderung, Reformen, Menschenrechte, für die Rechte der Frauen einsetzen. Steinmeier muss deshalb klare Worte gegenüber der saudischen Seite zur massiven Unterdrückung der kritischen Aktivisten finden", fordert Jüttner. "Und zwar nicht nur wegen der so oft zitierten 'werteorientierten Außenpolitik', sondern weil es im eigenen Interesse der deutschen Außenpolitik ist, diese Kräfte in Saudi-Arabien, im Iran und in der gesamten Region zu unterstützen."

Schockierender Anstieg der Hinrichtungenszahlen

In beiden Ländern wird zudem nach grob unfairen Gerichtsverfahren die Todesstrafe verhängt. Sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien hat Amnesty in jüngster Zeit einen schockierenden Anstieg der Zahl der Hinrichtungen verzeichnet: Iran ist nach China das Land mit der höchsten Zahl weltweit. Im Iran wurden bis Mitte Juli 2015 mindestens 694 Menschen hingerichtet, im Vergleich zu mindestens 743 im gesamten Vorjahr.

Ein ähnlich massiver Anstieg ist in Saudi-Arabien zu beklagen: bis Ende September wurden mindestens 134 Menschen exekutiert, im gesamten Vorjahr waren es 90 Hinrichtungen. In beiden Ländern werden minderjährige Straftäterinnen und Straftäter zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Iran wurden in den vergangenen Tagen Fatemeh Salbehi und Samad Zahabi hingerichtet. Beide hatten als 17-Jährige ein Kapitaldelikt begangen und wurden deshalb zum Tode verurteilt. In Saudi-Arabien droht dem schiitischen Aktivisten Ali al-Nimr die Hinrichtung. Er wurde als 17-Jähriger festgenommen und u.a. wegen "Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung zum Tode" verurteilt.

"Diese Hinrichtungen von minderjährigen Straftäterinnen und Straftätern sind schockierend und zeigen den vollen Schrecken der Justiz und die unverfrorene Geringschätzung der Kinderrechte," erklärt Jüttner. Das Völkerrecht verbietet die Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen gegen Minderjährige. Iran und Saudi-Arabien haben die Kinderrechtskonvention unterzeichnet und verstoßen somit gegen geltendes Recht.

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Quelle:
Meldung vom 16. Oktober 2015
http://www.amnesty.de/2015/10/16/steinmeier-muss-menschenrechte-im-iran-und-saudi-arabien-ansprechen?destination=node%2F2817
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2015

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