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AFRIKA/341: Islamisten fordern Scharia für ganz Mali


Presseerklärung vom 24. September 2012

Wachsender Einfluss von radikalen Islamisten in Nordwestafrika

Islamisten fordern Scharia für ganz Mali - Zunehmende Menschenrechtsverletzungen im Norden Malis



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor der Einführung der Scharia in allen Landesteilen Malis gewarnt. "Die Islamisten fordern nicht aus religiösen Gründen die Einführung des traditionellen muslimischen Rechts, sondern um ihre Macht zu demonstrieren und Kontrolle auszuüben", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Diesem Druck nachzugeben würde einer Bankrotterklärung der Demokratie in Mali gleichkommen. " Die "Bewegung für die Einheit und den Jihad in Westafrika" (MUJAO) hatte am Wochenende die Einführung der Scharia in allen Landesteilen zur Bedingung für Friedensverhandlungen mit der Regierung Malis erklärt. Die MUJAO, El Kaida im Maghreb (AQMI) und die mit ihnen verbündete radikal-islamische Ansar Dine kontrollieren seit dem Frühsommer 2012 die nördliche Landeshälfte Malis.

Auch beklagte die GfbV die zunehmende Zahl von Amputationen im Norden Malis aufgrund der Einführung der Scharia und die Einschränkung der Frauenrechte. "Die islamistischen Bewegungen haben im Norden Malis in den letzten drei Monaten eine Terrorherrschaft errichtet, unter der die Zivilbevölkerung leidet", sagte Delius. Die Mehrzahl der Scharia-Opfer stammt aus afrikanischen ethnischen Gruppen (Songhoi, Peul). Aber auch Tuareg wurden bereits wegen angeblichen Diebstahls Gliedmaßen amputiert. Jede Woche nimmt die Zahl der aufgrund der Scharia Amputierten und Ausgepeitschten zu. Allein in der Stadt Gao drohen mehr als 80 Inhaftierten Amputationen von Gliedmaßen. Am 10. September 2012 waren dort fünf Männern wegen Raubes jeweils ein Fuß und eine Hand amputiert worden.

"Besonders unmenschlich ist, dass diese amtlich verordneten Verstümmelungen noch nicht einmal medizinisch angemessen begleitet werden", sagte Delius. So starb ein mutmaßlicher Dieb, dem man im August in dem Ort Ansongo die Hand amputiert hatte, da man ihm nur Schmerzmittel und Antibiotika gegeben hatte, um die Wunde zu stillen.

Ein nicht verheiratetes Ehepaar wurde am 29. Juli 2012 von Islamisten in der Stadt Aguelhok öffentlich gesteinigt. Das Paar hinterlässt zwei kleine Kinder, darunter einen sechs Monate lange alten Säugling.

Zwar sind 90 Prozent der Menschen im Norden Malis Muslime. Der dort praktizierte Islam galt jedoch immer als besonders gemäßigt. Alkohol- und Rauchverbote sowie das Tragen des Schleiers für Frauen waren unbekannt. "In Timbuktu müssen heute sogar Tuareg-Frauen, die traditionell niemals einen Schleier tragen, sich in der Öffentlichkeit nur verschleiert zeigen, wenn sie der Verhaftung entgehen wollen."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 24. September 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2012