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AFRIKA/601: Nigeria - Biafraner rufen zum Generalstreik auf


Presseerklärung vom 21. September 2016

Umstrittener Prozess gegen Biafra-Aktivisten

In Nigeria rufen Biafraner zum Generalstreik auf


Dem Südosten Nigerias droht am kommenden Freitag der Stillstand des öffentlichen Lebens, berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Dort haben Biafra-Aktivisten der Organisation IPOB (Indigenous People of Biafra) für diesen Tag zu einem Generalstreik aufgerufen, um die Freilassung des inhaftierten Bürgerrechtlers und Journalisten Nnamdi Kanu zu erreichen. Nachdrücklich appellierte die GfbV an die Behörden Nigerias, nicht erneut mit brutaler Gewalt und Massenverhaftungen friedliche Proteste von Biafranern zu zerschlagen. Seit Dezember 2015 sind mindestens 69 Biafra-Aktivisten bei massiven Polizei-Einsätzen getötet worden.

"Mit Waffengewalt ist die Biafra-Krise nicht zu lösen. Vielmehr muss Kanu endlich freigelassen werden, so wie es ein Gericht auch nach seinem ersten Prozess angeordnet hatte. Seine Freilassung wäre ein erster Schritt zu einem politischen Dialog zwischen der Regierung und den Aktivisten für eine Unabhängigkeit Biafras", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Kanu noch länger in Haft zu halten, schürt nur die Spannungen und den Verdacht, dass der Biafra-Aktivist mit illegalen Methoden mundtot gemacht werden soll."

Kanu ist der Betreiber von Radio Biafra und Gründer der Biafra-Organisation IPOB. Am 26. September 2016 soll der Prozess gegen ihn vor dem höchsten Bundesgericht in der nigerianischen Hauptstadt Abuja fortgeführt werden. Die Verhandlung war am 20. Juni 2016 auf den September vertagt worden. Der Bürgerrechtler muss sich wegen des Vorwurfs des sechsfachen Hochverrats vor Gericht verantworten. Er war im Oktober 2015 festgenommen worden und zunächst wegen Terrorismus und Verschwörung angeklagt worden. Die Vorwürfe wurden jedoch fallengelassen und seine Freilassung angeordnet. Doch dann klagte ihn die Bundesanwaltschaft wegen Hochverrats an.

Im Vorfeld des Generalstreiks sind am Montag im Bundesstaat Enugu bereits zwölf IPOB-Unterstützer festgenommen worden. Ihnen wurde von der Polizei vorgeworfen, Händler zur Teilnahme an dem Generalstreik zu drängen. Vier Biafra-Aktivisten wurden am 13. September 2016 in der Nähe der Stadt Onitsha im Bundesstaat Anambra bei einem Zusammenstoß zwischen Demonstranten und Polizisten anlässlich von Feiern zum 17-jährigen Bestehen der Biafra-Organisation MASSOB (Movement fort he Actualisation of the Sovereign State of Biafra) getötet. Zahlreiche Demonstranten wurden verletzt, 13 Männer und eine Frau verhaftet. Festgenommen und verhört wurde auch der nigerianische Journalist Uchenna Inya der Zeitung "New Telegraph", weil er eine Reportage über die MASSOB vorbereitete. Der Reporter, dessen Laptop beschlagnahmt wurde, kam nach fünf Stunden wieder frei. Der Nigerianische Journalistenverband protestierte gegen die Festnahme und Einschüchterung von Medienvertretern.

Der mehrheitlich von christlichen Ibo bewohnte Südosten Nigerias hatte sich im Frühjahr 1967 als Biafra für unabhängig erklärt. Doch die Regierung verhinderte die Loslösung durch einen grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, der in einem Völkermord gipfelte. Mehr als zwei Millionen Ibo kamen damals ums Leben, in der Mehrheit Kinder. Dieses Verbrechen wird in Nigeria bis heute tabuisiert.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 21. September 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2016

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