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ASIEN/263: China - Uiguren nicht pauschal als "Terroristen" abstempeln


Presseerklärung vom 4. August 2008

Anschlag auf Polizisten im Nordwesten Chinas

Uiguren dürfen nicht pauschal als "Terroristen" abgestempelt werden


Nach dem Anschlag auf eine Polizeistation im Nordwesten Chinas mit 16 Toten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag davor ewarnt, Uiguren pauschal als "Terroristen" zu bezeichnen. "Die überwältigende Mehrheit der rund neun Millionen Uiguren und die bedeutendsten Organisationen dieser muslimischen Minderheit lehnen Gewalt als Mittel des Protest gegen Chinas Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat ab", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Außerdem hätten die Probleme Chinas in der Region Xinjiang / Ostturkestan nichts mit internationalem Terrorismus zu tun, sondern seien hausgemacht. "Denn keine andere der 56 ethnischen Minderheiten in China leidet so sehr unter willkürlichen Verhaftungen und Todesurteilen wie die Uiguren."

Erst am 9. Juli 2008 waren in der Stadt Kashgar fünf Uiguren aus politischen Gründen zum Tode verurteilt worden. Zwei der Todesurteile wurden sofort vollstreckt, drei weitere sollen später vollzogen werden. Am gleichen Tag waren in der Provinzhauptstadt Urumtschi fünf Uiguren von der Polizei erschossen worden, als Sicherheitskräfte eine religiöse Feier von 15 Personen in einer Wohnung gewaltsam auflösten. In den offiziellen staatlichen Medien wurde die religiöse Feier als "konspiratives Treffen muslimischer Terroristen" dargestellt, ohne irgendeinen Beweis für den Terrorvorwurf vorzulegen.

Die chinesischen Sicherheitsbehörden haben seit Beginn der Unruhen in Tibet im März 2008 ihre Repression in Ostturkestan deutlich verstärkt. So wurden zwischen März und Juni 2008 mindestens 760 Uiguren aus politischen Gründen festgenommen. Weitere 1.500 Uiguren wurden seither aus politischen Gründen verhaftet. In mehreren Städten Ostturkestans wurden in den letzten vier Wochen Wohnungen und mehr als 200 Geschäfte von Uiguren durchsucht. Die Polizisten suchten dabei unter anderem Fotos der im US-Exil lebenden Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren, Rebiya Kadeer. Wer im Besitz dieser Fotos der früheren politischen Gefangenen war, wurde festgenommen. Seit mehreren Jahren bemühe sich das offizielle China, die Uiguren pauschal als Terroristen darzustellen, kritisierte Delius. Jeden Monat würde in den staatlichen Medien über neue mutmaßliche "Terrorüberfälle" uigurischer Extremisten berichtet, die sich jedoch bislang meist als unwahr herausgestellt hätten. So hatten Berichte über eine vermeintliche Flugzeugentführung sowie über die Erstürmung einer so genannten "konspirativen Wohnung" einer angeblich muslimischen "Terrorzelle" in Urumtschi im Frühjahr 2008 nur Kopfschütteln bei internationalen Terrorismus-Experten ausgelöst. Beide Geschichten waren nach Anhörung von Augenzeugen nicht glaubhaft.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 4. August 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2008