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ASIEN/369: Thailand - Flutkatastrophe schürt Not der muslimischen Zivilbevölkerung im Süden


Presseerklärung vom 5. November 2010

Vergessener Bürgerkrieg im Süden Thailands

Flutkatastrophe schürt Not der Zivilbevölkerung - Friedensbemühungen müssen verstärkt werden


Vor den dramatischen Folgen einer Jahrhundertflut für die Zivilbevölkerung in der Bürgerkriegsregion Patani im Süden Thailands warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Mehr als 680.000 Bewohner des überwiegend muslimisch malaiischen Südens leiden unmittelbar unter den Folgen sintflutartiger Regenfälle und zehntausende Menschen haben ihre Existenzgrundlage verloren", informierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Betroffen seien insgesamt elf Provinzen. "Nach der schlimmsten Flutkatastrophe Thailands seit 70 Jahren müssen nun die Friedensbemühungen zwischen der buddhistischen Mehrheitsbevölkerung und den muslimischen Malaien verstärkt werden, um die Not der Minderheit im Süden des Landes durch die Naturkatastrophe, aber auch den anhaltenden Bürgerkrieg zu lindern", forderte Delius.

Die 150.000 Einwohner zählende Stadt Hat Yai (Provinz Songkhla) stand diese Woche mehrere Tage lang bis zu zwei Meter hoch unter Wasser. In der Nachbarprovinz Yala wurden 53 Dörfer der muslimischen Minderheit überflutet. Mehr als zehntausend Hektar Ackerland wurden überschwemmt. Noch folgenreicher ist die Zerstörung hunderter Gummiplantagen, da Gummi das Hauptexportgut ist und damit die Haupteinnahmequelle der Region.

Trotz der Naturkatastrophe kommt die Bürgerkriegsregion Patani nicht zur Ruhe. Muslimische Freiheitsbewegungen, die für ein unabhängiges Sultanat Patani kämpfen, und thailändische Sicherheitskräfte liefern sich erbitterte Gefechte ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. So wurden seit dem 25. Oktober 2010 bei 14 Anschlägen bewaffneter muslimischer Bewegungen 19 Menschen verletzt und eine Person getötet. Seit der Eskalation des Bürgerkrieges im Januar 2004 wurden 4.395 Menschen bei Anschlägen und Übergriffen getötet sowie 7.148 Personen verletzt. Zwar machen vor allem die Aufständischen mit Enthauptungen von Buddhisten weltweit Schlagzeilen, doch rund 60 Prozent der gewaltsam in Patani zu Tode Gekommenen sind Muslime. Die muslimische Minderheit im Süden Thailands beklagt seit Jahren ihre kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Diskriminierung durch die buddhistische Mehrheitsbevölkerung.

Die thailändische Armee und paramilitärische Verbände gehen bei der Bekämpfung radikaler Freiheitskämpfer rücksichtslos gegen die muslimischen Zivilisten vor. Die Soldaten unterstellen der malaiischen Minderheit pauschal, die Freiheitsbewegungen zu unterstützen. Mit rund 30.000 Soldaten lässt die Regierung die Freiheitsbewegungen bekämpfen. Ungeahndet bleiben Menschenrechtsverletzungen der regulären Streitkräfte, so dass die Unruhe in der Region weiter geschürt wird. "Ohne neue Friedensimpulse von außen wird die Gewalt noch weiter eskalieren, denn die thailändische Regierung setzt eindeutig auf Krieg", erklärte Delius. Zwar hatte der thailändische Premierminister Abhisit Vejjajiva mehrfach Friedensinitiativen angekündigt, doch außer neuen Wirtschaftsinvestitionen hat die Regierung in Patani nichts unternommen, um den Dialog mit der muslimischen Minderheit zu suchen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 5. November 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2010