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ASIEN/554: Kritik an Aung San Suu Kyi - Von der Freiheitsikone zur Parteipolitikerin


Presseerklärung vom 9. April 2014

Friedensnobelpreisträgerin aus Burma (Myanmar) in Berlin (10./11.4.):

Kritik an Aung San Suu Kyi: Von der Freiheitsikone zur Parteipolitikerin
Populismus statt Engagement für Menschenrechte und Verfolgte



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wirft Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor, sich nicht konsequent für die Menschenrechte von Verfolgten in Burma einzusetzen. "Wir sind tief enttäuscht, dass die selbst so lange verfolgte Oppositionspolitikerin zur systematischen Ausgrenzung und Vertreibung der muslimischen Rohingya-Minderheit schweigt", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Es ist höchste Zeit, dass Aung San Suu Kyi ernsthaftes Engagement für Menschenrechte zeigt. Sie sollte sich jetzt wenigstens dafür einsetzen, dass humanitären Helfern freier Zugang zu den Rohingya-Flüchtlingen gewährt wird. Wenn die Friedensnobelpreisträgerin aus Populismus und mit Blick auf die Wahlchancen ihrer Partei die dramatische Lage der Flüchtlinge unbeachtet lässt, verspielt sie ihren Nimbus als Freiheitsikone."

Aung San Suu Kyi wird am Donnerstag in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident Joachim Gauck und Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Gesprächen empfangen. Am Freitag wird sie mit dem Willy-Brandt-Preis ausgezeichnet. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird die Laudatio auf die burmesische Politikerin halten.

Die Lage der rund 130.000 Rohingya-Flüchtlinge, die seit dem Ausbruch offener Gewalt im Sommer 2012 aus ihren Dörfern und Stadtvierteln in Burma fliehen mussten, hat sich im März 2014 nochmals dramatisch verschärft: Die burmesischen Behörden hatten den meisten internationalen Hilfsorganisationen unter fadenscheinigen Vorwürfen jede weitere humanitäre Arbeit in den Camps verboten. "Dies ist eine massive Verletzung des humanitären Völkerrechts, die durch nichts zu rechtfertigen ist", erklärte Delius. "Als Friedensnobelpreisträgerin, die sich für dauerhaften Frieden und eine weltweite Geltung grundlegender Menschenrechte einsetzen sollte, darf Aung San Su Kyi das nicht hinnehmen." Denn die Ausgrenzung der Minderheit schürt die Spannungen im Land und gefährdet den Demokratisierungsprozess.

Bislang hat sich Aung San Suu Kyi bei der Kommentierung der Rohingya-Krise sehr zurückgehalten. So rief sie Muslime und Buddhisten nur zur Mäßigung auf und erklärte, jede Lösung des Konflikts müsse sich an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientieren. "Das klingt gut, ist aber tatsächlich belanglos und hilft nicht weiter. Denn Burmas Behörden rechtfertigen die Ausgrenzung der Rohingya mit dem noch immer gültigen Staatsbürgerschaftsgesetz aus dem Jahr 1982", sagte Delius. Rein formal handeln die Behörden zwar rechtsstaatlich. Die Vereinten Nationen und zahlreiche Regierungen in aller Welt werfen dem Staat jedoch vor, mit der Verfolgung der Rohingya grundlegende Menschenrechte zu verletzen. Da die buddhistische Mehrheitsbevölkerung die Ausgrenzung der Muslime begrüßt, kritisiert auch Aung San Suu Kyis "Nationale Liga für Demokratie (NLD)"nicht, dass den Rohingya Bürgerrechte verweigert werden.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. April 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2014