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ASIEN/668: Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen "menschenrechtlich enttäuschend"


Presseerklärung vom 14. Juni 2016

Menschenrechtler ziehen kritisch Bilanz: Außer Symbolik keine greifbaren Ergebnisse bei Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen


Als "menschenrechtlich enttäuschend" hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Ergebnisse der 4. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen bezeichnet. "Außer symbolischen Gesten, mit denen die Bundeskanzlerin die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit hervorgehoben hat, gibt es keine nennenswerten menschenrechtlichen Ergebnisse der Gespräche", sagte der GfbV-China-Experte Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Die gemeinsam verabschiedete sechsseitige Erklärung mache deutlich, welch geringen Stellenwert die Menschenrechte im Verhältnis zwischen beiden Staaten haben. So seien Menschenrechtsfragen nur drei nichtssagende Zeilen gewidmet. "Doch es kommt noch schlimmer: Diese Erklärung ist im Stil chinesischer Gesetze gehalten. Sie ist unverbindlich, beliebig interpretierbar und gleicht mehr einem Wackelpudding als einem Eckpunkte-Papier, das konkrete Prüfmarken für die Bewertung der Zusammenarbeit enthält", kritisierte Delius. Auch werfe die in der Erklärung betonte Kooperation zwischen beiden Staaten zahlreiche kritische Fragen zur Rechtsstaatlichkeit auf.

"Wir danken der Bundeskanzlerin trotzdem, dass sie sich Kritik nicht gänzlich hat verbieten lassen und die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit hervorgehoben hat", erklärte der GfbV-China-Experte. "Doch angesichts willkürlicher Verhaftungen von Menschenrechtlern und Rechtsanwälten, unfairer Gerichtsverfahren, der massiven Verletzung der Glaubensfreiheit sowie von Folter und Todesfällen aufgrund von Gewalt in Gefängnissen hätten wir uns eine breitere Agenda in Sachen Menschenrechten gewünscht." Nur wenige Tage vor dem Besuch der Bundeskanzlerin hatte China ein Weißbuch zur Religionsfreiheit in Xinjiang veröffentlicht, in dem behauptet wurde, muslimische Uiguren hätten nie zuvor mehr Religionsfreiheit genossen. Frau Merkel hat dazu geschwiegen, obwohl die systematische Verweigerung der Religionsfreiheit die Spannungen in der Unruheregion Xinjiang weiter verschärft.

"Wenn beide Staaten in der gemeinsamen Erklärung ankündigen, mehr kooperieren zu wollen, um "böswilligen Cyberaktivitäten" vorzubeugen, dann schrillen bei uns Menschenrechtlern die Alarmglocken", unterstrich Delius. "Denn selbst Kampagnen unserer Menschenrechtsorganisation für mehr Internet- oder Religionsfreiheit in China werden von den Behörden der Volksrepublik als Verleumdung bewertet." Noch problematischer sei die geplante Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung und beim polizeilichen Informationsaustausch. "Chinas Behörden definieren "Terrorismus" sehr eigenwillig und fühlen sich rechtsstaatlichen Kriterien nicht verpflichtet. So ist auch die Rechtshilfe bei der Verfolgung von Beschuldigten in Korruptionsfällen sehr problematisch. Deutschland sollte sich nicht zum Werkzeug bei internen Machtkämpfen innerhalb der chinesischen Führung machen lassen."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. Juni 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2016

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