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ASIEN/698: Indonesien - Streit um Blasphemie eskaliert


Presseerklärung vom 4. Januar 2017

Streit um Blasphemie eskaliert in Indonesien

Katholische Studenten zeigen Islamistenführer wegen Gotteslästerung an


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor einer Zunahme der religiösen Spannungen in Indonesien gewarnt, nachdem katholische Studenten einen einflussreichen Islamistenführer wegen Gotteslästerung anzeigten. "Dem bevölkerungsreichsten muslimischen Staat der Erde drohen unruhige Zeiten, da der Streit um Blasphemie immer größere Kreise zieht. Für die Toleranz zwischen den Religionsgemeinschaften bedeuten diese immer schärferen Auseinandersetzungen um Glaubensfragen nichts Gutes", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. So kündigten die Islamisten gestern im Gegenzug bereits an, mit Verleumdungsklagen gegen die katholischen Studenten vorzugehen, die den Vorwurf der Gotteslästerung erhoben.

Der Verein der Katholischen Studenten Indonesiens (PMKRI) und das Studentische Friedens-Institut hatten am 28. Dezember 2016 wegen Gotteslästerung Anzeige erstattet gegen Rizieq Shibab, den Gründer der Islamischen Verteidigungsfront (FPI). Heikel ist dies vor allem, weil Rizieq der bedeutendste islamistische Agitator Indonesiens ist und seit November 2016 hunderttausende Demonstranten mobilisierte, um den christlichen Gouverneur Jakartas Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, in einem Blasphemie-Verfahren anklagen zu lassen. Sowohl Ahok als auch Rizieq drohen im Falle einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Rizieq wird beschuldigt, in einem über soziale Medien am Weihnachtstag 2016 verbreiteten 22 Sekunden langen Video in einer Ansprache die Frage gestellt zu haben: "Wenn Jesus der Sohn Gottes ist, wer war dann die Hebamme?" Die katholischen Studenten fühlten sich dadurch in ihrem Glauben verletzt und warfen dem Islamistenführer vor, religiöse Intoleranz zu schüren.

Die Christen können mit breiter juristischer Unterstützung von Rechtsanwälten rechnen, sollte offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Rizieq eingeleitet werden. Ein Team von 149 Rechtsanwälten erklärte sich bereit, den Vorstoß der Studenten zu unterstützen. Zurzeit prüft noch die Polizei, ob offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Rizieq eröffnet wird.

Die Anzeige gegen den Islamistenführer könnte auch Folgen für den Blasphemie-Prozess gegen Ahok haben. Sollte ein Verfahren gegen Rizieq eingeleitet werden, dann würde in dem Ahok-Prozess einer der Hauptankläger zum Angeklagten. "Zu einer Beruhigung der hitzigen Debatte um Blasphemie und die Instrumentalisierung von Glaubensfragen im Machtkampf zwischen Reformern und der alten Elite Indonesiens wird dies allerdings nicht beitragen", sagte Delius.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 4. Januar 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2017

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