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ASIEN/707: Indonesien - Anti-christliche und anti-chinesische Stimmung polarisiert Gesellschaft


Presseerklärung vom 19. April 2017

Richtungswahl für Indonesien: In Jakarta wird Gouverneur gewählt (19.2.)

Anti-christliche und anti-chinesische Stimmung polarisiert indonesische Gesellschaft


Vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang zur weltweit mit Spannung verfolgten Gouverneurswahl in Jakarta am heutigen Mittwoch hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ihre Besorgnis über wachsende religiöse Intoleranz und Rassismus gegenüber Minderheiten in Indonesien geäußert. "Der erbittert ausgetragene Wahlkampf, in dem Religion und Rassismus von Politikern zur eigenen Machtsicherung instrumentalisiert wurden, hat tiefe Gräben hinterlassen und Indonesien gespalten", kritisierte der GfbV-Asienexperte Ulrich Delius in Göttingen. "Vor allem die chinesische Minderheit fühlt sich an anti-chinesische Pogrome des Jahres 1998 in Indonesien erinnert." Damals kamen rund 1.000 Menschen zu Tode. Der amtierende Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, hat sich zur Wiederwahl gestellt. Er gehört der chinesischen Minderheit an.

Indonesiens Staatspräsident Joko Widodo hat nach dem polarisierenden Wahlkampf heute zur Einheit aufgerufen. "Doch Indonesien ist nach der anti-christlichen und anti-chinesischen Hetze der vergangenen Monate nicht mehr das gleiche Land. Auch Widodo hat sich neu positioniert. Er preist nun den Islam und Nationalismus, um muslimischen Extremisten zu gefallen", berichtete Delius. "Dies ist gefährlich für Indonesien und ein schwerer Rückschlag für die in ihrer großen Mehrheit muslimische indonesische Gesellschaft, die religiöse Minderheiten zuvor weitgehend tolerierte."

Radikale Muslime haben in den vergangenen Monaten ein viel beachtetes Blasphemie-Verfahren gegen Ahok angestrengt, um den Gouverneur zu diskreditieren. Mit Massendemonstrationen forderten sie den Rücktritt und die Inhaftierung des christlichen Politikers. Auch im Wahlkampf wurde das Verfahren fortgeführt. Am Donnerstag werden die Ankläger voraussichtlich ihr Plädoyer für einen Schuldspruch gegen Ahok halten. Im Mai soll das Urteil verkündet werden. Radikale Islamisten planten, beim heutigen Wahlgang mit Mahnwachen vor allen Wahllokalen dafür zu demonstrieren, Ahok nicht wiederzuwählen. Doch die Polizei verbot alle Demonstrationen am Wahltag.

Ahoks Gegenkandidat, der ehemalige Kultusminister Anies Baswedan, setzt auf die Unterstützung von Gewerkschaften, die die anti-chinesische Stimmung mit Berichten über angebliche illegale Einwanderung und Beschäftigung von Chinesen anheizen. Populistisch fordern die Gewerkschaften mehr Arbeit für Indonesier und warnen vor einer wirtschaftlichen Unterwanderung des Landes durch China. Wirtschaftlicher Neid gegen die erfolgreichen chinesischen Händler schürt seit Jahrzehnten Rassismus gegen die chinesischstämmige Minderheit, der rund 2,8 Millionen Indonesier angehören und die 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung stellt.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 19. April 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2017

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