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EUROPA/412: Kriegsverbrechen von türkischer Armee und PKK untersuchen!


Presseerklärung vom 2. November 2007

Internationales Tribunal soll Kriegsverbrechen von türkischer Armee und PKK untersuchen!

Die PKK ist das Ergebnis von 70 Jahren radikaler Kurden-Verfolgung durch Armee und Behörden der Türkei


Nach den Drohungen von Armee und Regierung der Türkei gegen den friedlichen irakischen Bundesstaat Kurdistan fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Einberufung eines internationalen Tribunals zur Untersuchung der Kriegsverbrechen von türkischer Armee und PKK in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Ohne die gnadenlose Unterdrückung und Verfolgung der heute etwa 15 Millionen Kurden in Südostanatolien durch Regierung und Armee der Türkei seit Ende des Zweiten Weltkrieges, hätten sich dort statt der totalitär strukturierten Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) kurdische demokratische Institutionen, Parteien, Gewerkschaften, Verlage und Medien entwickeln können. Doch deren Entstehung hätten Armee und Regierung mit Inhaftierungen, Folterungen und Morden an kurdischen Intellektuellen systematisch verhindert.

"Ein internationales Tribunal muss jetzt den Tod von 37.000 türkischen Staatsbürgern, davon 6.000 türkischer und 31.000 kurdischer Nationalität, aufklären", forderte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. Dabei werde sich herausstellen, dass sowohl die türkische Armee als auch die PKK für Kriegsverbrechen an Zivilisten und Gefangenen verantwortlich waren. Dieses Tribunal hätte auch zu klären, warum bis heute 3.835 wirkliche oder angebliche kurdische Widerstandskämpfer oder -unterstützer, davon 1719 ohne Gerichtsurteil, meist schon seit mindestens zehn Jahren inhaftiert seien, während kein einziger Angehöriger der türkischen Streitkräfte sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Haftanstalten befindet. Ebenfalls zu untersuchen wäre die Zerstörung von 3.876 kurdischen Dörfern und die innerstaatliche Flucht und Vertreibung von etwa zwei Millionen kurdischen Einwohnern Südostanatoliens durch die türkische Armee.

Feststellungen eines solchen internationalen Gerichtshofes würden die türkische, aber auch die internationale Öffentlichkeit mit dem ganzen Ausmaß der Kurdenverfolgung in der Türkei der vergangenen 80 Jahre konfrontieren, erklärte Zülch. Dazu gehörten auch die drei genozidalen Vernichtungen kurdischer Bevölkerung durch den türkischen Führer Kemal Atatürk bei der Niederschlagung der kurdischen Aufstände - von Sheik Sait in der Region um Diyarbakir (1925), am Ararat (1930) und um Dersim/Tunceli (1937) - mit insgesamt mehreren Hunderttausend Toten, einer halben Million in die Westtürkei Deportierten und Giftgaseinsatz in Dersim.

Die GfbV appelliert an Parteien, Regierung und Armee der Türkei, aber auch an türkische Institutionen in der Bundesrepublik und deutsch-türkische Mitglieder des Europäischen Parlaments wie Vural Öger und Cem Özdemir, sich den Fakten der türkischen Kurdenverfolgungen und Vernichtungen öffentlich zu stellen, sie zu verurteilen und sich für die absolute Gleichberechtigung der kurdischen Bevölkerung in Türkisch-Kurdistan einzusetzen. Erst dann werde die Verurteilung und Überwindung der totalitären Praxis der PKK glaubwürdig, sagte Zülch. Die aktuellen türkischen Drohungen gegen den irakischen Bundesstaat Kurdistan, der sich zu einem Modell für das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten und Religionsgemeinschaften entwickelt, würden sich erübrigen.

Zülch hielt sich seit 2004 drei Mal in Irakisch-Kurdistan auf und ist Herausgeber mehrerer Bücher und Dokumentationen zum Kurdenproblem. Die Gesellschaft für bedrohte Völker unterhält ein Büro in der Hauptstadt des irakischen Bundesstaates Kurdistan in Arbil.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 2. November 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2007