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EUROPA/448: Überlebende des Völkermordes zur Festnahme von Radovan Karadzic


Presseerklärung vom 23. Juli 2008

Nach der Festnahme von Radovan Karadzic

Überlebende des Völkermordes melden sich zu Wort: "Es gibt sicher viele Serben, die bereuen"


Nach der Festnahme des serbischen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic meldet sich die Koordinatorin der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Hatidza Mehmedovic, Überlebende des Massakers von Srebrenica 1995 und Vorsitzende der "Mütter von Srebrenica" zu Wort:

"Die demokratischen Veränderungen in Serbien bedeuten, dass nun doch, 13 Jahre nach dem Krieg, Gerechtigkeit erreichbar ist und dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren können. Ich gratuliere Präsident Tadic, dass er erreicht hat, Karadzic zu enttarnen und zu fassen. Das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY), an das Karadzic bald ausgeliefert werden wird, ist die einzige Instanz, an die wir Überlebenden richtig glauben! Es gibt sicher viele Serben, die bereuen, dass durch Srebrenica und Bosnien drei Jahre lang Blut geflossen ist. Es werden neue Generationen kommen, die sich der Taten ihrer Vorfahren schämen werden. Aber Kinder von Verbrechern sind nur Kinder, sie dürfen für die Taten ihrer Eltern nicht verantwortlich gemacht werden.

Ratko Mladic soll gefasst werden. Das würde für alle Überlebenden Genugtuung bedeuten, obwohl uns keiner unsere Kinder zurückbringen kann. Neben Mladic sind noch Hunderte, wenn nicht Tausende Exekutoren auf freiem Fuß. Auch diese müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht nicht nur um die Verbrechen an den Bosniaken (Muslimen). Auch viele Angehörige anderer bosnischer Nationalitäten haben gelitten.

Es gibt Überlebende des Völkermordes in Bosnien. Karadzic, Mladic und ihre Gesinnungsgenossen konnten nicht alle Augenzeugen des Völkermordes vernichten. So lange wir leben, werden wir über ihre Verbrechen berichten im Interesse der nächsten Generationen, im Interesse der Kinder, die eine bessere Zukunft verdienen. Die Gedenkstätte in Potocari, wo bis heute 3.214 Opfer von Massakern bestattet wurden, ist Mahnmal für alle nächsten Generationen."

Den Anhängern von Karadzic, die jetzt für den Kriegsverbrecher demonstriert haben, hält Hatidza Mehmedovic entgegen: "Wie kann sich ein "Held" hinter einem fremden Namen verstecken. Ein "Held", der seine Macht über unbewaffnete und unschuldige Menschen demonstriert und ausübt, ein Kindermörder, ist doch kein Held!"

Hatidza Mehmedovic hat viele Familienmitglieder durch das Massaker von Srebrenica verloren, darunter ihren Ehemann und ihre beiden Söhne Almir, genannt Lalo (geb. 1977) und Azmir (geb. 1995). Als sie ermordet wurden, waren sie erst 18 und 21 Jahre alt. Am 13. November 2007 wurden Gebeine ihres Mannes (Abdulah / Name des Vaters Salko / Mehmedovic, geb. 1951) und eines ihrer Söhne aus einem Massengrab exhumiert. Doch welcher ihrer Söhne in dem Grab lag, konnte bisher nicht festgestellt werden. Seine Henker hatten ihre Opfer entkleidet, um Beweismaterial zu vernichten.


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Quelle:
Presseerklärung Srebrenica /Göttingen, 23. Juli 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2008