Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

EUROPA/494: Apell an die Innenministerkonferenz - Beschützen Sie unsere Flüchtlingskinder!


Presseerklärung vom 30. November 2009

Innenministerkonferenz in Bremen (2.-4.12.2009)

Appell der Gesellschaft für bedrohte Völker: Beschützen Sie unsere Flüchtlingskinder!


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
sehr geehrte Herren Innenminister und Innensenatoren
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten von Bund und Ländern,

wir wenden uns heute in großer Besorgnis um das Schicksal von 30.000 unserer Flüchtlingskinder an Sie, die seit sechs, acht, fünfzehn oder zwanzig Jahren bei uns leben und denen noch immer langfristiger Aufenthalt und Einbürgerung versagt werden.

Oft beklagen Sie alle unser kinderloses Deutschland. Und trotzdem vertreiben Sie immer mehr dieser Flüchtlingskinder mit ihren Eltern gnadenlos aus unserem Land.

Diese Flüchtlingskinder, hier geboren oder aufgewachsen, sprechen Deutsch als Muttersprache, oft mit regionalem Akzent. Unsere deutsche Gesellschaft hat sie längst ethnisch und kulturell zu Deutschen gemacht. Diese Kinder oder ihre Eltern sind zu uns geflohen, meist aus Kriegs-, Genozid- oder Verfolgungssituationen.

Sie sind Roma, Aschkali und Egipcani aus dem Kosovo, Kurden, Bahá'i, Yeziden, christliche Assyrer-Chaldäer-Armäer und Armenier, Aleviten oder Mandäer aus dem Nahen Osten, Tschetschenen aus der Russischen Föderation oder Afghanen, die den Taliban oder zuvor der sowjetischen Armee entkommen sind.

Für ihre Integration haben Lehrer, Sozialarbeiter, Geistliche, christliche Gemeinden, Flüchtlingsräte, Menschenrechtler und viele andere Bürger gekämpft und sich engagiert, haben für ihre Eingliederung unendlich viel materiell und ideell geleistet. Unnachsichtig verschleudern viele deutsche Minister, Senatoren und Abgeordnete dieses eingesetzte Kapital.

Während in unserem Land zu recht ständig von Verbrechen der Vergangenheit die Rede ist, vergessen oder verdrängen Sie oft genug, dass wir Deutschen auch in unserer großen Mehrheit entweder selber noch Flüchtlinge, Vertriebene oder Aussiedler sind oder von diesen abstammen.

Wir schämen uns, dass Väter von Müttern, Eltern von Kindern oder Geschwister getrennt werden, dass man selbst Schwerstkranke, Schwangere, Alte und traumatisierte Kriegsopfer ins Nichts "deportiert".

Während Bund und Länder 2.500 christliche Irak-Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen, die zuvor in Syrien Schutz gesucht hatten, verjagen Innenminister und -senatoren langjährig bei uns lebende christliche, yezidische und kurdische Flüchtlingsfamilien aus Syrien zurück in ihr totalitär regiertes Herkunftsland. Nach der Vernichtung von 500.000 Sinti und Roma im Dritten Reich - unsere Menschenrechtsorganisation hatte seinerzeit Bundespräsident Karl Carstens und Bundeskanzler Helmut Schmidt zu einer Entschuldigung und die Bundesregierungen zu Wiedergutmachungsregelungen bewegt - weigern sich Bund und Länder, den nur 10.000 Roma-Kindern aus dem Kosovo endlich eine Heimat zu geben. Sowohl Serben als auch Albaner haben diese Roma-Familien vertrieben. Deutsche Innenminister haben diesen Flüchtlingen lange genug die Arbeitsaufnahme erschwert, die Weiterbildung der Jugendlichen verhindert, die Freizügigkeit auf den jeweiligen Landkreis beschränkt.

Wir appellieren an Sie, bitte sorgen Sie dafür, dass diese Flüchtlingskinder und ihre Angehörigen endlich in ihrer Heimat - Deutschland - bleiben dürfen und wie die Russlanddeutschen und jüdischen Aussiedler schnell eingebürgert werden. Bitte machen Sie ihren Einfluss geltend!

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Tilman Zülch
Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International

Prof. Christian Schwarz-Schilling
Bundesminister a. D. und Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina

Prof. Ernst Tugendhat
deutscher Philosoph, Beiratsmitglied der Gesellschaft für bedrohte Völker

Mor Julius Dr. Hanna Aydin

Erzbischof der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 30. November 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009