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EUROPA/566: Türkei - 20. Jahrestag des Massakers von Sivas


Presseerklärung vom 1. Juli 2013

Zum 20. Jahrestag des Sivas-Massakers in der Türkei

Massenmord an 35 Aleviten endlich aufklären und wenigstens die in Deutschland lebenden Täter bestrafen!



Anlässlich des 20. Jahrestages des Massakers an Aleviten in der Stadt Sivas in der Türkei fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine unabhängige Aufklärung des Verbrechens, die Bestrafung der Täter und die Beendigung der fortwährenden Unterdrückung dieser Glaubensgemeinschaft in der Türkei. Am 2. Juli 1993 starben 37 Menschen im mittelanatolischen Sivas in dem Hotel Madimak, das ein aufgebrachter islamistischer Mob in Brand gesetzt hatte - 35 Opfer waren Aleviten oder hatten alevitische Wurzeln, zwei waren Angestellte des Hotels. Viele Täter sind bis heute auf freiem Fuß, neun von ihnen leben inzwischen in Deutschland, einer hat seit Mai 2013 die deutsche Staatsangehörigkeit.

"Die mutmaßlichen Täter, die hier leben, müssen vor ein deutsches Gericht gestellt werden, denn solch ein Verbrechen verjährt nicht", erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Montag in Göttingen. "Die Wahrheit muss vollständig ans Licht kommen, damit den Getöteten und ihren Angehörigen Gerechtigkeit widerfährt."

In vielen Städten Deutschlands haben Aleviten am vergangenen Wochenende mit Kundgebungen und Demonstrationen an den 20. Jahrestag des Massakers von Sivas gedacht. Damals hatten sich alevitische Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle im Madimak Hotel zu einer alevitischen religiösen Feierlichkeit versammelt, als sich ein wütender Mob nach dem Freitagsgebet auf dem Hükümet-Platz formierte. Aufgebracht forderte die Menge den Rücktritt des Gouverneurs, der die Aleviten unterstützte, und zog dann zum Hotel. "Sivas wird zum Grab der Laizisten. Wir fordern die Scharia! Die Befreiung ist im Islam", skandierten die zusammenströmenden rund 15.000 islamistischen Fundamentalisten vor dem Gebäude, bewarfen es mit Steinen, zertrümmerten Fensterscheiben, zündeten Autos an. Schließlich setzten sie das Hotel in Brand. Die Ausgänge wurden versperrt, ebenso die Zufahrtswege für die spät eintreffende Feuerwehr. Vor laufenden Fernsehkameras starben im Gebäude die Menschen.

Nach offiziellen Angaben sind 13 Prozent der Muslime in Deutschland Aleviten. Sie werden in der Türkei seit Jahrzehnten verfolgt und diskriminiert. Noch vor wenigen Jahrzehnten kam es immer wieder zu Pogromen an Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft. 1938 starben etwa 70.000 von ihnen in der Region Dersim durch völkermordartige Verbrechen sunnitischer Muslime, die die Aleviten als Häretiker ansehen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. Juli 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2013