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EUROPA/578: Krise auf der Krim - Krimtataren bitten Angela Merkel um Hilfe


Presseerklärung vom 11. März 2014

Krise auf der Krim: Krimtataren bitten Angela Merkel um Hilfe

Appell: "Bitte verhindern sie die völkerrechtswidrige Annexion unserer Heimat, Frau Bundeskanzlerin!"



Wenige Tage vor dem unrechtmäßigen Referendum über den Status der Krim, bitten die auf der Halbinsel seit Jahrhunderten ansässigen Krimtataren die Bundeskanzlerin um Hilfe. "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte verhindern sie die völkerrechtswidrige Annexion unserer Heimat durch Russland", heißt es in einem Schreiben von Krimtataren an Merkel, das die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) heute der Bundeskanzlerin übermittelte. "Bitte signalisieren Sie Ihre Unterstützung für die 300.000 Krimtataren durch ein Telefonat mit Mustafa Dschemilew, dem einzigen krimtatarischen Abgeordneten im Parlament der Ukraine. Nach einer Annexion wären wir als Minderheit schutzlos. Es kann nicht sein, dass wir als einheimische Bewohner der Krim wieder alles verlieren, was wir in mühsamer Arbeit seit unserer Rückkehr im Jahr 1990 von Jahrzehnten der Deportation wieder aufgebaut haben", schreiben die Krimtataren in ihrem Appell.

"Die Krimtataren fürchten im Falle einer Annexion der Krim massive Übergriffe der russischen Mehrheitsbevölkerung auf der Halbinsel", erklärte die GfbV-Referentin Sarah Reinke am Dienstag in Berlin. Ein krimtatarisches Restaurant und Autos von Krimtataren wurden bereits vor wenigen Tagen bei Alushta von unbekannten Attentätern in Brand gesetzt, weitere Ausschreitungen sind zu befürchten.

Seit vielen Jahren versuchen die Krimtataren auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen und setzen sich für eine engere Anbindung an die EU ein. "Doch außer warmem Händedruck ist nichts gewesen. So kann man die vielen Besuche der Krimtataren bei Institutionen der EU bilanzieren", kritisierte Reinke. Schon in Schreiben im Jahr 2010 hatten die Vertreter der Krimtataren vor einem Szenario, wie es jetzt eingetreten ist, gewarnt. "Diese Warnungen verhallten ungehört. Daher ist es jetzt umso dringender, zumindest durch einen direkten Kontakt zwischen der Bundeskanzlerin und Mustafa Dschemilew ein Zeichen der Unterstützung zu setzen und gemeinsame Schritte zu ergreifen, um den Schutz der ursprünglichen Bevölkerung der Krim sicherzustellen", erklärte Reinke.

Mustafa Dschemilew, Träger des Victor-Gollancz-Menschenrechtspreises der GfbV 2005, wurde am 13. November 1943 in Aj-Serez auf der Krim geboren und kurz nach seiner Geburt nach Usbekistan zwangsdeportiert. Bereits im Alter von 18 Jahren schloss er sich 1961 dem verbotenen "Rat der Krimtatarischen Jugend" an. Ab 1969 war Dschemilew auch in der Moskauer Dissidentenszene aktiv. Wiederholte Lagerhaft war die Folge. Für 303 Tage trat er in den Hungerstreik. Nahezu 15 Jahre musste Dschemilew in Gefängnissen verbringen. Trotzdem setzte er sich weiter für die Rückkehr der Krimtataren auf die Krim ein. Erst seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahre 1990 dürfen sich Krimtataren offiziell in ihrer Heimat ansiedeln. Bis 1994 kehrten etwa 280.000 Menschen zurück. Mit ihnen der durch Michail Gorbatschow freigelassene Dschemilew. Von 1991 bis 1996 war er Präsident Krimtatarischen Nationalrats, heute ist er der einzige krimtatarische Abgeordnete des ukrainischen Parlaments.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen / Berlin, den 11. März 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2014