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EUROPA/589: Bosnien/Niederlande - Blauhelm-Offiziere sollen für Srebrenica-Tote persönlich gerade stehen


Presseerklärung vom 12. November 2014

Anhörung vor niederländischem Berufungsgericht Arnhem (13.11.):

Blauhelm-Offiziere sollen für Srebrenica-Tote persönlich gerade stehen!
Staatsanwaltschaft soll endlich Ermittlungen aufnehmen!



Die niederländische Staatsanwaltschaft muss endlich Ermittlungen gegen drei Offiziere aufnehmen, die 1995 in Srebrenica stationiert waren. Diese Forderung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich der Anhörung von Überlebenden des Völkermordverbrechens und ehemaligen niederländischen Blauhelmen am Donnerstag vor dem Berufungsgericht in Arnhem erhoben. "Damit die schwer traumatisierten Opfer Ruhe finden und der Gerechtigkeit Genüge getan wird, muss endlich geklärt werden, wer persönlich nicht nur die Verantwortung für die Ausweisung der Schutzsuchenden aus dem Blauhelm-Stützpunkt übernehmen muss, sondern damit auch mitverantwortlich für ihre Ermordung durch serbische Truppen ist", heißt es in dem Appell des GfbV-Generalsekretärs Tilman Zülch an die Staatsanwaltschaft. Ehemalige Blauhelmsoldaten wollen vor dem Gerichtsgebäude gegen die Anhörung demonstrieren. Die GfbV hält diese Aktion für "makaber und menschenunwürdig". Die Menschenrechtsorganisation forderte die Sicherheitskräfte dazu auf, den Anklägern freien Zugang zu ermöglichen.

Dem Völkermordverbrechen von Srebrenica sind 8.372 Bosniaken zum Opfer gefallen, unter ihnen 510 Frauen. Im September 2013 hatte das Oberste Gericht in Den Haag den niederländischen Staat für den Tod von drei Angehörigen von Hasan Nuhanovic sowie Mehida Mustafic-Mujic und ihrer beiden Kinder Damir und Alma verantwortlich gemacht. Das Landgericht in Den Haag gab dem niederländischen Staat am 16. Juli 2014 zivilrechtlich Mitschuld für den Tod von 300 der bis zu 6000 Bosniaken, die auf dem Gelände des UN-Stützpunktes Zuflucht gesucht hatten.

Nuhanovic sowie die Frau und Kinder des ermordeten Rizo Mustafi wollen den Befehlshaber des niederländischen Kontingents der Blauhelmsoldaten, Oberstleutnant Thom Karremans, seinen Stellvertreter Major Rob Franken und den S-1-Offizier Berend Oosterveen persönlich zur Verantwortung ziehen. Deshalb hatten die Bosniaken die drei Offiziere bereits im Juli 2010 wegen "Völkermord und Kriegsverbrechen" angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte jedoch nicht, da die drei ehemaligen Blauhelme offenbar als "nicht verdächtig" eingestuft wurden. Dagegen legten Nuhanovic und die Familie Mustafic-Mujic Beschwerde ein.

"Am 13. Juli 1995 wurde dem Vater, der Mutter und dem jüngeren Bruder von Nuhanovic sowie Rizo Mustafic befohlen, den Stützpunkt in Potocari zu verlassen. Sie wurden damit sehenden Auges in den Tod geschickt. Für die Auslieferung dieser Menschen an ihre Mörder, müssen sich die Offiziere in einem strafrechtlichen Verfahren rechtfertigen", fordert Zülch. In den Augen der Überlebenden und nach Auffassung der GfbV sind sie auch nicht frei von Schuld am Tod der vielen tausend anderen Einwohner und Flüchtlinge in Srebrenica, die die niederländische Schutztruppe Dutchbat damals nicht beschützte.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Srebrenica/Arnhem, 12. November 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2014


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